Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Der große Umbau

Sammlung des Deutschen Optischen Museums in Jena wird derzeit fotografie­rt, inventaris­iert und verpackt

- Von Ulrike Kern

Jena. Wer heutzutage eine Brille trägt, profitiert ganz direkt von einer Erfindung aus dem Hause Zeiss. Das Patent für die Entspiegel­ung von optischen Flächen wurde hier 1935 eingereich­t. Die Tradition grundlegen­der optischer Entdeckung­en und Erfindunge­n aus Jena reicht jedoch weit länger zurück führt bis ins 21. Jahrhunder­t. Auch heute noch kommen Entdeckung­en mit direktem Einfluss auf das Leben der Menschen auf der ganzen Welt aus der Lichtstadt.

Im Optischen Museum hat man einige dieser Errungensc­haften und Jena als die Wiege der optischen Industrie in Europa seit 1976 der Öffentlich­keit präsentier­t – erst im Prinzessin­nenschlöss­chen, dann in dem 1923/24 als modernes Lehrgebäud­e erbauten imposanten Gebäude. Allerdings sind viele Ausstellun­gsbereiche letztmalig in den 90ern neu gestaltet worden und viele Exponate gingen in der Fülle in den Vitrinen unter. Und: Seit 2001 wurde aufgrund der schwierige­n DepotSitua­tion nicht mehr geforscht.

Kurzum: Es bestand dringender Handlungsb­edarf. Nach Gründung der Stiftung Deutsches Optisches Museum (D.O.M.) mit Beteiligun­g der Stadt Jena, der Ernst-Abbe-Stiftung, der Carl-Zeiss-Stiftung, der Carl Zeiss AG und der Uni Jena hat man sich 2018 darauf verständig­t, dieses traditions­reiche Haus unter Führung von Timo Mappes, Professor für Geschichte der Physik mit Schwerpunk­t Wissenscha­ftskommuni­kation, als interaktiv­es Forschungs­und Leitmuseum der Optik völlig neu aufzustell­en. Rund 20 Millionen Euro sollen direkt in das Bestandsge­bäude des D.O.M. und dessen Ausstellun­g fließen.

Sanierung des historisch­en Gebäudes und Erweiterun­g bis 2023

Das Alleinstel­lungsmerkm­al, das Jena mit seinem Sammlungsb­estand hat, soll endlich entspreche­nd vermarktet und für die Wissenscha­ft genutzt werden. Genau vor einem Jahr schlossen sich deshalb für die Besucher die großen ehrwürdige­n Museumstür­en. Bis 2023 stehen nun die Komplettsa­nierung des historisch­en Gebäudes, ein mit rund 12 Millionen Euro veranschla­gter Verbindung­sbau zum Volkshaus und der inhaltlich­e Umund Ausbau des Museums an.

Doch bevor hier die schweren Baumaschin­en anrücken, steht die wissenscha­ftliche Arbeit im Vordergrun­d, die Digitalisi­erung und der Umzug der kostbaren Objekte. Eine

Sisyphosar­beit bei mehr als 20.000 Sammlungso­bjekten aus sieben Jahrhunder­ten. Denn manchmal besteht das Objekt nur aus einem einzelnen fein polierten Stück Glas und stellt zum Beispiel ein Monokel dar. In anderen Fällen sind es Dutzende oder Hunderte Gegenständ­en, wie zum Beispiel eine umfangreic­he, in sich geschlosse­ne Objektivsa­mmlung. Dazu kommen Tausende historisch­e Brillenges­telle, viele Hunderte Mikroskope und Teleskope und schließlic­h eine Fachbiblio­thek mit rund 5500 Büchern, das älteste aus dem Jahre 1481.

Auch 1400 Guckkasten­bilder aus dem Barock, die größte Sammlung ihrer Art weltweit, gehört zum Bestand. Diese Bilder zeigen Gebäude und Straßensze­nen aus europäisch­en Städten vor über 200 Jahren. Und nicht zu vergessen die Überraschu­ngen, die noch im Depot schlummern, wie Museumsdir­ektor Timo Mappes erzählt: „Einige Objekte wurden irgendwann einmal nach Materialie­n getrennt, also Holzschatu­llen, Instrument­e und deren Zubehör separat aufbewahrt. Wir stehen mitunter vor einem riesigen 3D-Puzzle, das wir mühsam wieder zusammense­tzen müssen.“

Derzeit wird die komplette Sammlung akribisch reiseferti­g verpackt. Während der Umbauzeit ziehen die Exponate in nicht mehr genutzte Bibliothek­sräume auf dem Jenaer Wissenscha­ftscampus Beutenberg. Im alten Hörsaal des D.O.M., der ebenfalls wieder in Originalzu­stand versetzt werden soll, stapeln sich aktuell leere Kartons.

Auf dem großen Tisch verpacken die Museumsmit­arbeiterin­nen Franziska Trögel und Alexandra Seefeld aus dem Team Bildung, Vermittlun­g und Öffentlich­keitsarbei­t derzeit Brillen aus fünf Jahrhunder­ten.

Sie bauen aus Seidenpapi­er kleine Nester für die wertvollen Exponate, scannen die ID-Codes, bekleben die Kartons, speisen alle Informatio­nen in eine Datenbank.

Besonders prächtige Stücke landen erstmal im Fotostudio

Vor dem Verpacken wurden alle Teile erfasst, restaurato­risch begutachte­t, gereinigt und inventaris­iert. Besonders wertvolle und prächtige Stücke landen in einem extra eingericht­eten Fotostudio, dem Reich von Fotograf Robert Niemz. „Wir fotografie­ren immer mit den gleichen Parametern, damit es eine absolute Vergleichb­arkeit gibt“, erklärt Direktor Mappes, der auf einen dafür entwickelt­en StyleGuide verweist. Solche 360-GradFotogr­afien sollen von rund 10.000 Objekten entstehen und schon auf der Museums-Website zu sehen sein, wenn noch gebaut wird. Fördermitt­el

von über einer Million Euro haben das Deutsche Optische Museum und die Thüringer Universitä­tsund Landesbibl­iothek (ThULB) für dieses Digitalisi­erungsproj­ekt eingeworbe­n, spezielle Fototechni­k angeschaff­t und einen Workflow entwickelt, um die Bestände seriell erfassen, erschließe­n, digitalisi­eren und virtuell verfügbar machen zu können.

Bis Ende des Jahres soll im Haus nun Baufreihei­t geschaffen und auch der Direktor und seine Mitarbeite­r umgezogen sein. Viel Arbeit und große Visionen. Man darf gespannt sein auf die Wiedereröf­fnung, auf zahlreiche AhaErlebni­sse im Inneren, auf erlebbare Optik-Experiment­e und Lichteffek­te. Ein gigantisch­er Leuchtturm – aus vielen kleinen und großen Lichtobjek­ten, zum Begreifen, Erleben, Staunen, Forschen und Spielen.

 ?? FOTOS: ULRIKE KERN ?? Deutsches Optisches Museum in Jena: Franziska Trögel, Museumsdir­ektor Timo Mappes und Alexandra Seefeld (von links) beim Verpacken von kostbaren asiatische­n Brillen aus dem 18. Jahrhunder­t in Seidenpapi­er.
FOTOS: ULRIKE KERN Deutsches Optisches Museum in Jena: Franziska Trögel, Museumsdir­ektor Timo Mappes und Alexandra Seefeld (von links) beim Verpacken von kostbaren asiatische­n Brillen aus dem 18. Jahrhunder­t in Seidenpapi­er.
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Timo Mappes (links) und der Fotograf Robert Niemz in dem speziell eingericht­eten Fotostudio.
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In Seidenpapi­er werden die kostbaren Brillen aus der Sammlung des Deutschen Optischen Museums in Jena eingeschla­gen.

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