Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Metallbranche startet neu
Gewerkschaft sieht Zulieferindustrie in schwieriger Lage. Politische Unterstützung gefordert
Eisenach. Thüringens Metall- und Elektroindustrie ist nach der Vollbremsung durch die Corona-Pandemie zögerlich neu gestartet. „Von 197 befragten Betrieben der Branche im Freistaat hatten im Juni 138 Kurzarbeit beantragt, betroffen waren davon 43.000 Beschäftigte“, sagte der Chef der Industriegewerkschaft Metall für den Bezirk Mitte, Jörg Köhlinger, gestern in Eisenach. Die Krise habe alle Unternehmen in den vier Bundesländern – Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Saarland – die zu seinem Bezirk gehören, getroffen.
Allerdings seien die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen der Automobilzulieferbranche im Saarland und in Thüringen besonders gravierend. „Wegen der deutlich eingebrochenen Auftragseingänge verschieben die Firmen geplante Investitionen, was sich angesichts der Transformation in der Automobilindustrie zu neuen Antriebssystemen rächen wird“, warnte Köhlinger.
Er sieht in der Industriestruktur Thüringens entlang der Autobahn A 4 drei große Schwerpunkte, die sich herausgebildet haben. So gehe etwa Ostthüringen – als Zentrum der optoelektronischen Industrie – sogar gestärkt aus der Corona-Krise hervor.
Rund um Erfurt und Arnstadt habe sich im Mittelthüringen ein Zentrum der Logistikbranche und der Batterieforschung und -fertigung entwickelt. Er hoffe, dass vom gerade angekündigten Forschungszentrum für Batterietechnik am Erfurter Kreuz auch Impulse für die Produktion im Freistaat resultieren.
In der Region Westthüringen rund um Eisenach und Gotha dominiere dagegen die Automobilfertigung und die Zulieferindustrie dafür. Und diese stecken derzeit tief in der Krise. Der aktuell massive Einbruch der Zahl der Neuzulassungen von Autos verstärke den Druck auf die großen Hersteller und deren Zulieferer, räumte Köhlinger ein. Wurden vor zwei Jahren noch 95 Millionen Autos weltweit angemeldet, rechnet man in diesem Jahr bestenfalls mit 66,5 bis 70 Millionen Neuzulassungen.
Ankündigungen großer Autokonzerne wie Daimler oder großer Zulieferer wie Continental auf die sinkende Nachfrage mit einem Personalabbau zu reagieren und dabei selbst betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr auszuschließen, stößt bei Köhlinger allerdings auf Unverständnis. „Die Kurzarbeit muss als Instrument genutzt werden, die Beschäftigten in den Unternehmen zu halten“, forderte der Gewerkschafter
eine Verlängerung der Kurzarbeitergeldregelung um ein Jahr. Allerdings beobachte man auch Betriebe, die exzessiv von Kurzarbeit gebrauch machen, um kurzfristig Kosten zu senken, warnte Köhlinger vor einem Missbrauch. Die Auftragslage der Zulieferer verbessere sich nur sehr langsam, der Auftragseingang liege auch nach dem zögerlichen Anfahren der Fertigung bei den Autoherstellern noch immer um knapp die Hälfte unter dem normalen Niveau.
Den angekündigten Thüringer Fonds für Innovation und Wachstum in einem Umfang von 1,2 Milliarden Euro begrüßte Köhlinger ausdrücklich. Allerdings müssten den Ankündigungen der Thüringer Landespolitik auch Taten folgen. Die Transformation in Richtung Elektromobilität erfordere starke Impulse der Landesregierung, die den sozial-ökologischen Wandel unterstützen. „Im Zentrum hat die Beschäftigungssicherung und Wertschöpfung in Thüringen zu stehen“, so Köhlinger.