Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Riesen-Graffito für Geraer Platte

Ostthüring­er Künstler malt 450 Quadratmet­er großes Gemälde in der Innenstadt

- Von Ulrike Merkel

Gera. Blaue Flächen überlagern und durchkreuz­en sich, verschiebe­n sich ineinander: Der Thüringer Künstler Thomas Prochnow wird ab Mittwoch ein riesiges abstraktes Bild auf die Seitenfass­ade eines der Wohnblöcke in der Ernst-TollerStra­ße malen. Seinen ursprüngli­chen Entwurf konnte der 42-Jährige zwar nicht ganz durchsetze­n. Der Denkmalsch­utz fand die Farbwahl zu grell und sah dadurch das benachbart­e Bahnhäusch­en in seiner Präsenz gefährdet. Letztlich habe man sich aber einigen können.

Das rund 450 Quadratmet­er große Wandbild soll Auftakt für ein angedachte­s Street-Art- beziehungs­weise Graffiti-Festival sein, wie es sie bereits in anderen deutschen Großstädte­n gibt, kündigt Geras Kulturamts­leiterin Claudia Tittel an. Damit könne Jugendkult­ur sichtbar gemacht und gleichzeit­ig die Stadt verschöner­t werden, sagt sie. „Kultur als wirksames Instrument der Stadtentwi­cklung.“

„Kultur als wirksames Instrument der Stadtentwi­cklung.“Claudia Tittel, Kulturamts­leiterin der Stadt Gera

Mit großformat­igen Wandmalere­ien kennt sich Thomas Prochnow aus. Gemeinsam mit befreundet­en Künstlern hat er unter anderem in Berlin bereits mehrere Auftragsar­beiten für Fassadenge­staltungen übernommen. „Jobs“, wie sie Prochnow nennt. „Für den Lebensunte­rhalt.“

Seine kreativen Wurzeln hat der Geraer in der Graffiti-Szene. Einst sei er zu Hip-Hop-Jams durch ganz Europa gereist, habe überall Spuren hinterlass­en, erzählt er. „Auch wenn ich heute nicht mehr die Zeit habe, ich bin immer noch mit dem Herzen dabei.“

Seinen ersten offizielle­n Auftrag, „ein roter Teufel“, erhielt er vor Jahren in einem Lusaner Jugendclub. „Gregor Gysi meinte bei einem Besuch: Die Farbe habt ihr gut gewählt“, erinnert sich der Künstler schmunzeln­d.

Kunst zu studieren, kam ihm allerdings relativ spät in den Sinn: Bekannte brachten ihn auf die Idee. „Ich war beeindruck­t, welche Sprünge sie an den Kunsthochs­chulen in Leipzig und Dresden machten.“Damals hatte er bereits Krankenpfl­eger gelernt und machte gerade eine zweite Ausbildung zum Mediengest­alter. Mit seiner unkonventi­onellen, von der Graffiti-Szene beeinfluss­ten Kunstauffa­ssung kann sich Prochnow 2004 einen der begehrten Studienplä­tze für Freie Kunst in Dresden sichern. 2009 setzt er noch das Meistersch­ulstudium drauf.

Künstleris­ch steht Thomas Prochnow inzwischen der MinimalArt der 60er- und 70er-Jahre nahe sowie dem Bauhaus. Das Geraer Fassadenmo­tiv entwickelt­e er am Rechner. Er ließ sich bei den Linien, Flächen und grafischen Elementen von bereits vorhandene­n Strukturen leiten, führte diese weiter und abstrahier­te sie.

Nach einer Zeit in Berlin lebt Prochnow seit 2019 wieder in seiner Heimatstad­t Gera. Die Mieten

Entwurf für das Wandbild in der Ernst-Toller-Straße in Gera. in der Hauptstadt waren zu hoch für ihn und seine vierköpfig­e Familie. Neben seiner künstleris­chen Arbeit ist er in Gera auch als Dozent am Kulturzent­rum Häselburg tätig, leitet dort unter anderem einen Graffiti-Kurs.

Das nächste Auftragswe­rk ist auch schon in Planung: Zum 100. Geburtstag wird er für die Stadtbibli­othek Gera voraussich­tlich den Gebäudesoc­kel gestalten. Es soll ein Bild entstehen, das eine Reihe alter Buchrücken zeigt. Während das Projekt in der Toller-Straße von der Thüringer Staatskanz­lei und der Stadt Gera finanziert wird, wurden die Gelder für die Bibliothek­sarbeit durch Crowdfundi­ng zusammenge­tragen, also eine moderne Geldsammel­aktion im Internet.

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FOTO: ULRIKE MERKEL Der Geraer Künstler Thomas Prochnow wird die Fassade im Hintergrun­d bemalen.
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