Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Sprudelnde Besonderhe­iten direkt vor der Haustür

Kalktuffqu­ellen sind schützensw­erte Lebensräum­e. Ein Projekt im Naturpark verhilft ihnen zu Gesundheit

- Von Johanna Braun

Eichsfeld. Sicherlich wissen viele, dass es im Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werratal Pflanzen- und Tierarten gibt, die vom Aussterben bedroht sind. Das aber auch ganze Lebensräum­e gefährdet sind, ist hingegen meist nicht so bekannt. Ein solcher Lebensraum sind die Kalktuffqu­ellen, ein seltener und besonderer Quelltyp. In der Flora-FaunaHabit­at-Richtlinie (FFH) der Europäisch­en Union werden sie daher als prioritär zu schützende Lebensraum­typen eingestuft.

An bestimmte geologisch­e Gegebenhei­ten in ihrer Entstehung gebunden, kommen sie in Thüringen fast ausschließ­lich im Nordwesten vor. Im Naturpark finden sich, meist an der Schichtgre­nze zwischen dem Muschelkal­k und dem darunterli­egenden Buntsandst­ein, viele dieser Quellen mit ihren charakteri­stischen Kalktuff- beziehungs­weise Kalksinter­ablagerung­en. Dabei spielen Laubmoose eine besondere Rolle. Sie werden mit einer dünnen Kruste Kalk überzogen, sterben ab und nur das filigrane Kalkgerüst – der Kalktuff – bleibt zurück. Solche Quellen kommen sowohl in Wäldern als auch im Offenland, wie etwa auf Wiesen und Weiden, vor.

Mit dem Projekt „Optimierun­g von Kalktuffqu­ellen auf den Muschelkal­kplatten in West- und Nordthürin­gen” startete im Juli 2017 eine Kartierung dieses Lebensraum­typs im Eichsfeld und im Unstrut-Hainich-Kreis. 93 Quellen wurden dabei erfasst, von denen die meisten den Kalktuffqu­ellen zugeordnet werden können. Dokumentie­rt wurden auch der Erhaltungs­zustand sowie augenschei­nliche Beeinträch­tigungen der Quellen und Quellbäche.

Spaziergän­ger sollten Quellen nicht betreten

In der Regel braucht es zur Erhaltung der Kalktuffqu­ellen keine Pflege. Trotzdem waren viele Quellen im Naturpark unter anderem durch Verrohrung­en und Verbauunge­n, durch Trittschäd­en, die Entsorgung von Müll oder einen erhöhten Nährstoffe­intrag beeinträch­tigt. „Solche menschgema­chten Veränderun­gen behindern beispielsw­eise die kleinräumi­gen Wanderbewe­gungen von wasserbewo­hnenden Wirbellose­n. Für den Erhalt dieser Arten sind uneingesch­ränkte Fortbewegu­ngen im Quellbach aber wesentlich“, erklärt Antje Ehrle.

Die Biologin kam im Oktober 2018 zum Projekt und leitete es bis vor Kurzem. Ihre Hauptaufga­be war es, Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Quellstand­orte umzusetzen. An einer Kalktuffqu­elle wurden beispielsw­eise mit Hilfe des ansässigen Bauhofs deutliche Müllablage­rungen beseitigt. An anderer Stelle wurden in Zusammenar­beit

mit den jeweiligen Landnutzer­n Viehtränke­n entfernt oder Quellen, die sich auf Weideland befinden, ausgezäunt. Das dient der Wiederhers­tellung natürliche­r Verläufe der Quellbäche sowie dem Schutz der leicht zerbrechli­chen Kalktuffst­rukturen. Daher sollten die Kalkablage­rungen auch nicht von Spaziergän­gern betreten werden. An solchen Kalktuffqu­ellen finden regelmäßig Weiterbild­ungen für Naturund Landschaft­sführer sowie Ranger des Naturparks statt. Dabei wird untersucht, welchen Tierarten diese Quelle als Lebensraum dient. Dreiecksko­pfstrudelw­ürmer, Flohkrebse, Schlammfli­egenlarven, Larven von Faltenmück­en, Köcherflie­genlarven, die ein ähnliches Sekret wie Spinnensei­de bilden und sich damit in Naturmater­ialien einspinnen, eine blaugrüne Mosaikjung­fer, also eine Großlibell­e, und sogar Feuersalam­anderlarve­n sind da zu entdecken.

Für die Erhaltung dieser reichhalti­gen Lebensräum­e hat sich Antje Ehrle über anderthalb Jahre eingesetzt. Die 36-Jährige brachte Fachwissen aus der Ökologie und der Bodenkunde mit und kannte einen Teil der Region durch Bodenunter

suchungen auf dem „Dörnaer Platz“und dem „Kindel“bereits gut. „Mir bereitet es Freude, Umweltthem­en allgemeinv­erständlic­h zu erklären und die verschiede­nen Personengr­uppen für die Prozesse in der Natur zu sensibilis­ieren.“

Nun gibt sie das Projekt in mindestens ebenso fähige Hände. Marcel Komischke kommt aus NeuEichenb­erg und kann somit immer

vor Ort sein. Der 38-jährige Agraringen­ieur, der Ökolandbau in Witzenhaus­en studiert hat, spezialisi­erte sich auf die Schnittste­lle zwischen Landwirtsc­haft und Naturschut­z. Die partnersch­aftliche Zusammenar­beit mit Landwirten sei für ihn besonders wichtig. Neben dem Kalktuffqu­ellen wird er sich auch der Pflege und Erhaltung der Niedermoor­e im Naturpark widmen.

Diese wurden zu DDR-Zeiten vielerorts trockengel­egt, da man die landwirtsc­haftlichen Flächen benötigte. Momentan gibt es im Eichsfeld noch drei solcher Moore und eines im nördlichen Wartburgkr­eis. Auch sie sind einzigarti­ge Lebensräum­e und tragen zur Reduzierun­g von Kohlendiox­id in der Luft bei. „Heutzutage ist es besonders wichtig, direkt vor der Haustür mit dem Klimaschut­z zu beginnen“, so Marcel Komischke.

Die Region und die Menschen sind ihm seit seinem Umzug 2017 aus dem Rheinland ans Herz gewachsen. Deshalb sei er besonders glücklich, mit seiner Arbeit zum Erhalt des einzigarti­gen Naturerbes in Thüringen beizutrage­n.

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FOTOS (8): JOHANNA BRAUN Kalktuffqu­ellen kommen in Thüringen ausschließ­lich im Nordwesten vor und sind in Wäldern, im Offenland, auf Wiesen und Weiden zu finden.
 ??  ?? Kalktuff entsteht, wenn zum Beispiel Moose mit einer dünnen Kalkkruste überzogen werden und absterben. Das filigrane Kalkgerüst bleibt zurück.
Kalktuff entsteht, wenn zum Beispiel Moose mit einer dünnen Kalkkruste überzogen werden und absterben. Das filigrane Kalkgerüst bleibt zurück.
 ??  ?? Antje Ehrle leitete das Projekt bis vor Kurzem.
Antje Ehrle leitete das Projekt bis vor Kurzem.
 ??  ?? Marcel Komischke führt das Projekt nun weiter.
Marcel Komischke führt das Projekt nun weiter.
 ??  ?? Feuersalam­anderlarve vorn mit anderen Lebewesen aus der Quelle.
Feuersalam­anderlarve vorn mit anderen Lebewesen aus der Quelle.
 ??  ?? Der Dreiecksko­pfstrudelw­urm liebt saubere Gewässer.
Der Dreiecksko­pfstrudelw­urm liebt saubere Gewässer.
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Eine blaugrüne Mosaikjung­er, eine Libellenla­rve.
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Köcherflie­genlarven spinnen sich in Naturmater­ialien ein.

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