Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Sprudelnde Besonderheiten direkt vor der Haustür
Kalktuffquellen sind schützenswerte Lebensräume. Ein Projekt im Naturpark verhilft ihnen zu Gesundheit
Eichsfeld. Sicherlich wissen viele, dass es im Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werratal Pflanzen- und Tierarten gibt, die vom Aussterben bedroht sind. Das aber auch ganze Lebensräume gefährdet sind, ist hingegen meist nicht so bekannt. Ein solcher Lebensraum sind die Kalktuffquellen, ein seltener und besonderer Quelltyp. In der Flora-FaunaHabitat-Richtlinie (FFH) der Europäischen Union werden sie daher als prioritär zu schützende Lebensraumtypen eingestuft.
An bestimmte geologische Gegebenheiten in ihrer Entstehung gebunden, kommen sie in Thüringen fast ausschließlich im Nordwesten vor. Im Naturpark finden sich, meist an der Schichtgrenze zwischen dem Muschelkalk und dem darunterliegenden Buntsandstein, viele dieser Quellen mit ihren charakteristischen Kalktuff- beziehungsweise Kalksinterablagerungen. Dabei spielen Laubmoose eine besondere Rolle. Sie werden mit einer dünnen Kruste Kalk überzogen, sterben ab und nur das filigrane Kalkgerüst – der Kalktuff – bleibt zurück. Solche Quellen kommen sowohl in Wäldern als auch im Offenland, wie etwa auf Wiesen und Weiden, vor.
Mit dem Projekt „Optimierung von Kalktuffquellen auf den Muschelkalkplatten in West- und Nordthüringen” startete im Juli 2017 eine Kartierung dieses Lebensraumtyps im Eichsfeld und im Unstrut-Hainich-Kreis. 93 Quellen wurden dabei erfasst, von denen die meisten den Kalktuffquellen zugeordnet werden können. Dokumentiert wurden auch der Erhaltungszustand sowie augenscheinliche Beeinträchtigungen der Quellen und Quellbäche.
Spaziergänger sollten Quellen nicht betreten
In der Regel braucht es zur Erhaltung der Kalktuffquellen keine Pflege. Trotzdem waren viele Quellen im Naturpark unter anderem durch Verrohrungen und Verbauungen, durch Trittschäden, die Entsorgung von Müll oder einen erhöhten Nährstoffeintrag beeinträchtigt. „Solche menschgemachten Veränderungen behindern beispielsweise die kleinräumigen Wanderbewegungen von wasserbewohnenden Wirbellosen. Für den Erhalt dieser Arten sind uneingeschränkte Fortbewegungen im Quellbach aber wesentlich“, erklärt Antje Ehrle.
Die Biologin kam im Oktober 2018 zum Projekt und leitete es bis vor Kurzem. Ihre Hauptaufgabe war es, Maßnahmen zur Verbesserung der Quellstandorte umzusetzen. An einer Kalktuffquelle wurden beispielsweise mit Hilfe des ansässigen Bauhofs deutliche Müllablagerungen beseitigt. An anderer Stelle wurden in Zusammenarbeit
mit den jeweiligen Landnutzern Viehtränken entfernt oder Quellen, die sich auf Weideland befinden, ausgezäunt. Das dient der Wiederherstellung natürlicher Verläufe der Quellbäche sowie dem Schutz der leicht zerbrechlichen Kalktuffstrukturen. Daher sollten die Kalkablagerungen auch nicht von Spaziergängern betreten werden. An solchen Kalktuffquellen finden regelmäßig Weiterbildungen für Naturund Landschaftsführer sowie Ranger des Naturparks statt. Dabei wird untersucht, welchen Tierarten diese Quelle als Lebensraum dient. Dreieckskopfstrudelwürmer, Flohkrebse, Schlammfliegenlarven, Larven von Faltenmücken, Köcherfliegenlarven, die ein ähnliches Sekret wie Spinnenseide bilden und sich damit in Naturmaterialien einspinnen, eine blaugrüne Mosaikjungfer, also eine Großlibelle, und sogar Feuersalamanderlarven sind da zu entdecken.
Für die Erhaltung dieser reichhaltigen Lebensräume hat sich Antje Ehrle über anderthalb Jahre eingesetzt. Die 36-Jährige brachte Fachwissen aus der Ökologie und der Bodenkunde mit und kannte einen Teil der Region durch Bodenunter
suchungen auf dem „Dörnaer Platz“und dem „Kindel“bereits gut. „Mir bereitet es Freude, Umweltthemen allgemeinverständlich zu erklären und die verschiedenen Personengruppen für die Prozesse in der Natur zu sensibilisieren.“
Nun gibt sie das Projekt in mindestens ebenso fähige Hände. Marcel Komischke kommt aus NeuEichenberg und kann somit immer
vor Ort sein. Der 38-jährige Agraringenieur, der Ökolandbau in Witzenhausen studiert hat, spezialisierte sich auf die Schnittstelle zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Landwirten sei für ihn besonders wichtig. Neben dem Kalktuffquellen wird er sich auch der Pflege und Erhaltung der Niedermoore im Naturpark widmen.
Diese wurden zu DDR-Zeiten vielerorts trockengelegt, da man die landwirtschaftlichen Flächen benötigte. Momentan gibt es im Eichsfeld noch drei solcher Moore und eines im nördlichen Wartburgkreis. Auch sie sind einzigartige Lebensräume und tragen zur Reduzierung von Kohlendioxid in der Luft bei. „Heutzutage ist es besonders wichtig, direkt vor der Haustür mit dem Klimaschutz zu beginnen“, so Marcel Komischke.
Die Region und die Menschen sind ihm seit seinem Umzug 2017 aus dem Rheinland ans Herz gewachsen. Deshalb sei er besonders glücklich, mit seiner Arbeit zum Erhalt des einzigartigen Naturerbes in Thüringen beizutragen.