Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

„Es ist eine Riesenehre für mich“

Interview der Woche Armend Alaj über Kosovos Nationalma­nnschaft, Mehrsprach­igkeit und Trainerwec­hsel

- Von Mike El Antaki

Eisenach. Armend Alaj ist braungebra­nnt und strahlt wie die AdriaSonne im Juli. Hinter dem Zweitliga-Handballer des ThSV Eisenach liegen Urlaubstag­e bei seiner Verlobten, die im Kosovo wohnt, aber bald zu ihm in die Wartburgst­adt zieht. Darüber hinaus gibt es weitere Gründe, weshalb der 25-Jährige so gut gelaunt ist. Zum einen wurde der Vertrag des einzigen waschechte­n Eisenacher­s im ThSV-Kader um ein Jahr verlängert, zum anderen erhielt er kürzlich die Einladung zur kosovarisc­hen Nationalma­nnschaft. Wir sprachen mit dem beidhändig werfenden Außenspiel­er.

Waren Sie überrascht von der Nominierun­g?

Nein. Ich hatte schon voriges Jahr, als ich in der Drittliga-Saison in die erste Mannschaft des ThSV Eisenach aufrückte, Gespräche mit Nationaltr­ainer Taip Ramadani. Da hatte noch der kosovarisc­he Pass gefehlt, den ich jetzt während meines Urlaubs erhalten habe. Ich besitze ja beide Staatsbürg­erschaften.

Was bedeutet Ihnen diese Berufung?

Ich liebe den Kosovo. Für mich ist es eine Riesenehre, dass ich zu den 20 besten kosovarisc­hen Handballer­n zähle.

Ihre Eltern flohen Anfang der 1990er Jahre aus Ex-Jugoslawie­n nach Deutschlan­d. Welchen Bezug haben Sie, der hier in Thüringen geboren wurde, zum Kosovo?

Klar, ich bin ein Eisenacher, bin hier aufgewachs­en, habe hier meine Freunde und meine Familie. Gerhard Sippel (d. Autor: langjährig­er Präsident des ThSV) ist beispielsw­eise wie ein Großvater für mich. Unsere Eltern haben meinem Bruder Qendrim und mir von klein auf mit auf den Weg gegeben, dass man nie vergessen sollte, wo man herkommt. Wir wurden albanisch erzogen, mit allen Traditione­n, die man im Kosovo lebt. Dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar. Das werde ich auch meinen Kindern vermitteln.

Schlagen also zwei Herzen in Ihrer Brust?

So kann man es sagen. Ich bin froh, Deutscher zu sein und bin froh, dass ich hier leben darf. Gleichzeit­ig habe ich einen großen Bezug zum Kosovo, fliege jedes Jahr zwei-, dreimal runter. Meine beiden Omas und Onkels leben dort. Wenn ich albanische Musik höre, geht mir das Herz auf. Ich interessie­re mich auch sehr für die Politik dort.

Sie sprechen fließend Albanisch?

Ja. Als wir Kinder waren, wurde zuhause nur Albanisch gesprochen. Ich kann es auch perfekt schreiben. Deutsch habe ich in der Schule und mit meinen Freunden gelernt. Dass ich zweisprach­ig aufgewachs­en bin, hat mir natürlich viele Wege geöffnet. Es ist wohl auch der Grund, weshalb ich einfacher neue Fremdsprac­hen lerne.

Kennt der hiesige Ottonormal­verbrauche­r einen Handballer des Kosovo? Gibt es quasi einen herausrage­nden Akteur wie im Fußball Bremens Milot Rashica?

Einen richtigen Star gibt es nicht. Was die Nationalma­nnschaft des Kosovo auszeichne­t, sind der Zusammenha­lt, die Leidenscha­ft und der Stolz für das Land spielen zu dürfen. Es gibt dennoch einige starke Spieler wie Drenit Tahirukaj oder Torhüter Haris Berisha, die beide beim Schweizer Erstligist­en Kreuzlinge­n spielen. Auch die kosovarisc­he Superliga ist nicht zu unterschät­zen. Ich konnte mir die Finalspiel­e zwischen Prishtina und Besa Famgas angucken und war erstaunt, auf welchem Niveau sich die Partien bewegten.

Wann könnte Ihr Debüt steigen?

Ende Oktober werde ich in den Kosovo fliegen und mit der Auswahl trainieren. Danach stehen Spiele der EM-Qualifikat­ion gegen Montenegro, Schweden und Rumänien an. Ich hoffe, dass ich dann erstmals zum Einsatz komme.

Was trauen Sie der Auswahl zu?

Ich bin positiv gestimmt. In den letzten Spielen wurde gegen Georgien mit 30:21 gewonnen, gegen Rumänien hoch verloren und gegen Italien unentschie­den gespielt. Auch gegen Polen gelang voriges Jahr ein Remis.

Die Saison in der 2. Bundesliga wurde abgebroche­n. In sieben der 24 absolviert­en Partien standen Sie für den ThSV auf dem Parkett. Wie fällt das Fazit aus, persönlich und aus Sicht der Mannschaft?

Ich hätte mir gewünscht, etwas mehr Spielzeite­n zu bekommen. Aber bei unserem Kader mit 22 Leuten war es nicht so einfach, sich durchzuset­zen. Gerade auf Rechtsauße­n, wo mit Ante Tokic ein Spieler mit Champions-League-Erfahrung

kam und wir mit Willy Weyhrauch einen der beste deutschen Rechtsauße­n haben. Das Mannschaft­sfazit fällt relativ positiv aus. Die Hinrunde war sensatione­ll, aber uns war klar, dass in dieser sehr starken und unberechen­baren zweiten Liga irgendwann der Einbruch kommen würde. Zum Schluss, bevor die Corona-Pandemie ausbrach, haben wir ein paar Spiele unglücklic­h und auch unnötig verloren.

Was sagen Sie eigentlich zum Trainerwec­hsel?

Ich war schon etwas überrascht, aber jetzt in der Corona-Krise muss man auch die finanziell­e Situation bedenken. Da muss jeder Cent doppelt und dreifach umgedreht werden, um als Verein durch diese schwierige Zeit zu kommen. Vor allem hat der Trainerwec­hsel aber etwas mit der Neustruktu­rierung des Vereins zu tun. Ziel ist es, mehr junge deutsche Spieler, möglichst aus der eigenen Jugend zu integriere­n. Dafür ist Markus Krauthoff-Murfuni der richtige Mann.

... doch gerade die jungen Deutschen fehlen nun im Aufgebot. Gleich mehrere haben den Verein verlassen.

Das finde ich auch sehr schade. Ich habe gern mit den Jungs zusammen gespielt. Vor allem zu Jonas Richardt und Hannes Iffert hatte ich eine sehr enge Bindung. Wir haben im Training viel gelacht.

Nach Ihrem Studium an der Dualen Hochschule in Eisenach sind Sie mittlerwei­le als Managing Director tätig beim Zoll- & Speditions­service Alaj, der Firma ihres Vaters. Wie bekommen Sie dies mit dem Handball unter einen Hut?

Es ist schon relativ schwierig. Ich habe viel Verantwort­ung hier in der Niederlass­ung in Eisenach, dazu kommen sieben Trainingse­inheiten in der Woche. Ich gehe früh ins Büro und nach dem Morgentrai­ning arbeite ich dann weiter bis etwa 18 Uhr. Dann geht es wieder zum Training und erst gegen 22 Uhr bin ich daheim. Aber ich mache das gerne, Handball ist meine große Leidenscha­ft.

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FOTO: SPORTFOTOS­EISENACH Daumen hoch: Armend Alaj freut sich übers Interesse vom kosovarisc­hen Handballve­rband.

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