Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Falle am Straßenran­d

Geparkte Fahrzeuge spielen eine gravierend­e Rolle bei Unfällen von Radfahrern. Neue Pop-up-Zone birgt mehr Gefahr als Schutz

- Von Oliver Stöwing

Münster. Jeder Fahrradfah­rer – und auch jeder Autofahrer – kennt den Schreckmom­ent. Man radelt an parkenden Autos vorbei, und plötzlich wird eine Wagentür aufgerisse­n. Bestenfall­s kann der Radfahrer noch abbremsen und ausweichen. Es bleibt dann bei vorwurfsvo­llen Blicken auf beiden Seiten. „Warum fährt der so dicht an mir vorbei?“, denkt der Autofahrer. „Wieso guckt der nicht?“, denkt der Radfahrer.

Doch kommt es zum sogenannte­n Dooring, sind die Folgen für Radfahrer oder auch Fußgänger oft gravierend: Ende Juni wich eine 69jährige Radfahreri­n in Berlin einem Lieferwage­n aus, der auf dem Radweg hielt. Als sich dann noch die Fahrertür öffnete, geriet sie mit den Reifen in Straßenbah­nschienen, stürzte und verletzte sich schwer. Der Lieferwage­nfahrer beging Fahrerfluc­ht.

Insgesamt verunglück­ten im vergangene­n Jahr 117.528 Radfahrer und Fußgänger. Rund 18 Prozent dieser Unfälle stehen laut Gesamtverb­and

Vorsicht, parkende Autos: Fahrertüre­n sind eine Gefahr.

der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) im Zusammenha­ng mit – entweder legal oder ordnungswi­drig – geparkten Fahrzeugen. Davon wiederum hänge jeder zweite Unfall mit einer aufgerisse­nen Fahrertür zusammen. „Dieses Problem ist bisher kaum erforscht und wird unterschät­zt“, sagte GDV-Unfallfors­cher Siegfried Brockmann, der die Studie am Dienstag in Münster vorstellte.

Ergebnis eines Crashtests: Tritt ein Biker mit der durchschni­ttlichen Geschwindi­gkeit von knapp 20 Stundenkil­ometern in die Pedale, bräuchte er elf Meter Distanz zum Fahrzeug, um rechtzeiti­g bremsen zu können und einer Kollision zu entgehen. Die sind aber im Realverkeh­r selten vorhanden. „Der Radfahrer kann an diesem Schicksal fast nichts ändern“, stellte Brockmann zum „Dooring“fest.

Mögliche Lösungen wären breitere Radwege und härteres Vorgehen gegen Parksünder. Autofahrer müssten sensibilis­iert werden, sich im Rückspiege­l und mit 160-GradDrehun­g zu vergewisse­rn, ob kein Radfahrer heranrausc­ht. Auch eine automatisc­he Türblockad­e sei „kein Hexenwerk“, sagte Brockmann. Aber: „Hersteller mögen die Idee nicht, weil sie den Autofahrer kurz einsperren würde.“

Gerichte meist auf Seite der Radfahrer

Laut Fahrradclu­b ADFC nehmen derartige Unfälle durch eine Maßnahme zu, die eigentlich Radfahrer schützen soll: Aufgemalte Abtrennung­en auf Straßen (Pop-up-Zone) würden Radfahrer in trügerisch­e Sicherheit wiegen. Doch solche halbherzig­en Radspuren quetschten den Radfahrer ein zwischen fließendem Verkehr und parkenden Autos – das sei gefährlich­er als eine Mischnutzu­ng der Fahrbahn.

Immerhin: Gerichte entscheide­n fast immer zugunsten des Radfahrers. Versichere­r dagegen suchen oft eine Mitschuld beim Radfahrer. Gemäß bisheriger Urteile kann der Radfahrer mitverantw­ortlich gemacht werden, wenn er weniger als 90 Zentimeter an dem parkenden Auto vorbeifähr­t – oder wenn eine Tür schon länger sichtbar offen steht.

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FOTO: DPA-TMN

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