Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Falle am Straßenrand
Geparkte Fahrzeuge spielen eine gravierende Rolle bei Unfällen von Radfahrern. Neue Pop-up-Zone birgt mehr Gefahr als Schutz
Münster. Jeder Fahrradfahrer – und auch jeder Autofahrer – kennt den Schreckmoment. Man radelt an parkenden Autos vorbei, und plötzlich wird eine Wagentür aufgerissen. Bestenfalls kann der Radfahrer noch abbremsen und ausweichen. Es bleibt dann bei vorwurfsvollen Blicken auf beiden Seiten. „Warum fährt der so dicht an mir vorbei?“, denkt der Autofahrer. „Wieso guckt der nicht?“, denkt der Radfahrer.
Doch kommt es zum sogenannten Dooring, sind die Folgen für Radfahrer oder auch Fußgänger oft gravierend: Ende Juni wich eine 69jährige Radfahrerin in Berlin einem Lieferwagen aus, der auf dem Radweg hielt. Als sich dann noch die Fahrertür öffnete, geriet sie mit den Reifen in Straßenbahnschienen, stürzte und verletzte sich schwer. Der Lieferwagenfahrer beging Fahrerflucht.
Insgesamt verunglückten im vergangenen Jahr 117.528 Radfahrer und Fußgänger. Rund 18 Prozent dieser Unfälle stehen laut Gesamtverband
Vorsicht, parkende Autos: Fahrertüren sind eine Gefahr.
der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) im Zusammenhang mit – entweder legal oder ordnungswidrig – geparkten Fahrzeugen. Davon wiederum hänge jeder zweite Unfall mit einer aufgerissenen Fahrertür zusammen. „Dieses Problem ist bisher kaum erforscht und wird unterschätzt“, sagte GDV-Unfallforscher Siegfried Brockmann, der die Studie am Dienstag in Münster vorstellte.
Ergebnis eines Crashtests: Tritt ein Biker mit der durchschnittlichen Geschwindigkeit von knapp 20 Stundenkilometern in die Pedale, bräuchte er elf Meter Distanz zum Fahrzeug, um rechtzeitig bremsen zu können und einer Kollision zu entgehen. Die sind aber im Realverkehr selten vorhanden. „Der Radfahrer kann an diesem Schicksal fast nichts ändern“, stellte Brockmann zum „Dooring“fest.
Mögliche Lösungen wären breitere Radwege und härteres Vorgehen gegen Parksünder. Autofahrer müssten sensibilisiert werden, sich im Rückspiegel und mit 160-GradDrehung zu vergewissern, ob kein Radfahrer heranrauscht. Auch eine automatische Türblockade sei „kein Hexenwerk“, sagte Brockmann. Aber: „Hersteller mögen die Idee nicht, weil sie den Autofahrer kurz einsperren würde.“
Gerichte meist auf Seite der Radfahrer
Laut Fahrradclub ADFC nehmen derartige Unfälle durch eine Maßnahme zu, die eigentlich Radfahrer schützen soll: Aufgemalte Abtrennungen auf Straßen (Pop-up-Zone) würden Radfahrer in trügerische Sicherheit wiegen. Doch solche halbherzigen Radspuren quetschten den Radfahrer ein zwischen fließendem Verkehr und parkenden Autos – das sei gefährlicher als eine Mischnutzung der Fahrbahn.
Immerhin: Gerichte entscheiden fast immer zugunsten des Radfahrers. Versicherer dagegen suchen oft eine Mitschuld beim Radfahrer. Gemäß bisheriger Urteile kann der Radfahrer mitverantwortlich gemacht werden, wenn er weniger als 90 Zentimeter an dem parkenden Auto vorbeifährt – oder wenn eine Tür schon länger sichtbar offen steht.