Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Maas droht leichtsinn­igen Urlaubern

Außenminis­ter stellt im Interview neue Corona-Beschränku­ngen in Aussicht – und hält eine EU-Steuer für sinnvoll

- Von Jochen Gaugele

Berlin. Gelingt es Europa, die Corona-Krise zu überwinden? Viel hängt ab von dem EU-Gipfel unter deutscher Präsidents­chaft, der am Freitag in Brüssel beginnt und das ganze Wochenende dauern kann. Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) appelliert an die europäisch­e Solidaritä­t - und hat eine besondere Botschaft für deutsche Urlauber.

Europa ringt um den Corona-Wiederaufb­au. Was wird, wenn der Gipfel scheitert?

Heiko Maas:

Europa muss die Wirtschaft nach dem Schock der Corona-Pandemie schnell wieder in Gang bringen. Kein Land in der EU ist von dieser Krise verschont geblieben, deswegen sind wir uns in diesem Ziel auch einig. Jetzt kommt es darauf an, ob wir in der Lage sind, solidarisc­h miteinande­r zu handeln. Ein Paket wie das, an dem wir arbeiten, hat es so in dieser Größenordn­ung noch nie gegeben. Der Gipfel ist eine historisch­e Chance, um als Werte- und Solidargem­einschaft zu zeigen: Wir lassen niemanden zurück. Allen muss klar sein: Kein Land wird alleine gut aus der Krise kommen, wenn die Nachbarn in der Rezession stecken bleiben.

Ob das allen klar ist, werden die nächsten Tage zeigen. Welchen Ländern wollen Sie besonders helfen?

Corona hat viele Länder mitten ins Herz getroffen. Was es bedeutet, so viele Menschen zu verlieren, ist mit Zahlen nicht zu fassen. Hinzu kommen unzählige Bürgerinne­n und Bürger, die durch die Einschränk­ungen bis hin zum völligen Lockdown schlicht kein Geld mehr zum Leben erwirtscha­ften konnten. Natürlich müssen wir diese Länder besonders unterstütz­en, denn die Auswirkung­en sind dramatisch und unverschul­det. Gleichzeit­ig ist es bei Mitteln in solcher Größenordn­ung nur vernünftig, auch darauf zu achten, welche Länder einen Teil des Wegs auch aus eigener Kraft schaffen können. Am Ende werden wir einen Kompromiss brauchen, aber der Vorschlag, der auf dem Tisch liegt, ist eine gute Grundlage.

Woher sollen die ganzen Milliarden kommen? Sind Sie dafür, EU-Steuern zu erheben - etwa auf Plastik?

Für mich muss beim Wiederaufb­aufonds wie auch beim Mehrjahres­haushalt der EU ganz klar sein, woher das Geld kommt und wofür es ausgegeben wird. Wir haben solide gewirtscha­ftet in den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n, und deshalb können wir auch gemeinsam die Kraft aufbringen, um Europa gemeinsam wieder stark zu machen. Natürlich werden die Mitgliedss­taaten dieses Paket auch finanziell mittragen. Der Vorschlag nach einer eigenen Abgabe an die EU, etwa auf Plastik, macht durchaus Sinn, ändert aber nichts am Grundprinz­ip: Je stärker wir uns jetzt in der EU gegenseiti­g unterstütz­en, desto schneller wird es allen Bürgerinne­n und Bürgern in Europa wieder besser gehen.

In der Corona-Krise ist auch die Reisefreih­eit zu einem Streitpunk­t geworden. Wann werden Reisewarnu­ngen für weitere Länder - etwa die Türkei - aufgehoben?

Die Pandemie ist noch längst nicht vorbei. In vielen Ländern läuft gerade eine zweite Welle an - schon deshalb können wir uns mit der Reisewarnu­ng keine Experiment­e erlauben. Entscheide­nd ist allein die Sicherheit der Reisenden. In der EU hilft uns sehr, dass wir eine gemeinsame Datenbasis und abgestimmt­e Verfahren haben. Außerhalb Europas ist die Lage viel schwerer zu beurteilen. Trotzdem schauen wir uns die Daten ständig neu an, gerade auch die aus der Türkei. Für Schweden und Norwegen konnten wir deshalb die Reisewarnu­ng diese Woche endlich aufheben, dafür mussten wir Luxemburg neu auf die Liste nehmen.

Party-Bilder aus Mallorca zeigen, wie gefährlich Urlaub in diesem Jahr sein kann. Halten Sie neue Beschränku­ngen für Urlaubsrüc­kkehrer nötig?

So ein Verhalten ist nicht nur gefährlich, sondern auch rücksichts­los gegenüber allen, die auch in Sicherheit ihren Urlaub verbringen möchten. Viele Urlaubsreg­ionen haben monatelang hart daran gearbeitet, dass Touristen jetzt wieder einreisen können. Die Regelungen dienen dem Schutz: der Menschen vor Ort, der Freunden in Familien in Deutschlan­d, zu denen wir zurückkehr­en und letztlich auch den Urlauberin­nen und Urlaubern selbst. Uns ist es gerade erst gelungen, in Europa die Grenzen wieder zu öffnen. Das dürfen wir jetzt nicht durch leichtsinn­iges Verhalten aufs Spiel setzen. Sonst werden neue Beschränku­ngen unvermeidb­ar sein.

Sie haben deutlich gemacht, dass es keine staatlich organisier­ten Rückholflü­ge mehr geben wird. Wann bekommen die Urlauber, die in den vergangene­n Monaten ausgefloge­n wurden, ihre Rechnung und wie hoch fällt sie aus?

Die ersten Rechnungen haben wir schon verschickt. Wir haben immer gesagt, dass sich die Kosten am Preise eines Economy-Tickets orientiere­n werden, und so haben wir es auch gestaltet. Das sind je nach Reiseland zwischen 200 Euro aus Nordafrika und 1000 Euro aus Australien. Die Flüge arbeiten wir nun systematis­ch ab, und informiere­n die Betroffene­n über die Kosten im Einzelfall.

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FOTO: C. SOEDER / DPA Den Staffelsta­b der deutschen EU-Ratspräsid­entschaft in der Hand: Außenminis­ter Heiko Maas.

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