Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Die Geheimniss­e des Dr. Braun

Der inhaftiert­e frühere Wirecard-Chef tritt erstmals öffentlich auf – vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss

- Von Tobias Kisling

Berlin. Markus Braun fokussiert die braune Tür. Um ihn herum klicken Fotoappara­te, Handykamer­as werden gezückt. Blitzlicht­gewitter. Braun trägt einen schwarzen Rollkragen­pullover, darüber ein schwarzes Sakko und eine randlose Brille. So kennt man ihn. Dieses Outfit brachte ihm Vergleiche als österreich­ische Version von Apple-Gründer Steve Jobs ein. Zwei Pioniere der digitalen Welt. Doch damit ist es für Braun vorbei. Mit schnellen Schritten durchschre­itet der hagere Wiener die Tür, den Blick nach vorn gerichtet. Aber auch im Sitzungssa­al wird der als öffentlich­keitsscheu geltende Sohn eines Lehrerpaar­es die Fotografen nicht los. Erst nach einigen Minuten müssen sie den Saal verlassen. Braun aber bleibt, die Hände gefaltet. Der unangenehm­e Teil steht ihm noch bevor.

18 Jahre lang stand Markus Braun an der Spitze des Zahlungsdi­enstleiste­rs Wirecard. Aus einem kleinen Start-up formte er einen Dax-Konzern. Eine unglaublic­he Erfolgsges­chichte. Eine Erfolgsges­chichte, die zu schön war, um wahr zu sein. Und die ein jähes Ende fand, als Braun im Juni erklären musste, dass 1,9 Milliarden Euro verschwund­en seien.

Am Donnerstag musste Braun nun erstmals seit dem Bekanntwer­den des Skandals öffentlich auftreten. Der Untersuchu­ngsausschu­ss zum Wirecard-Skandal hatte den promoviert­en Sozial- und Wirtschaft­swissensch­aftler vorgeladen. Braun hätte die Öffentlich­keit gern gemieden, bot einen Deal an: Er werde aussagen, wenn er per Videokonfe­renz vernommen werde. Die Abgeordnet­en lehnten ab, sie wollten Braun persönlich vernehmen – und der Bundesgeri­chtshof gab ihnen im Eilverfahr­en recht.

Wie tief der Absturz des Markus Braun ist, wird schon bei der ersten Formalie deutlich. Braun muss sich vorstellen. „Ich heiße Markus

Braun, ich bin 51 Jahre, ich bin Wirtschaft­sinformati­ker und ich wohne derzeit in der JVA Augsburg“, sagt Braun, die Stimme sanft, der Wiener Dialekt schwingt mit.

Seit Juli sitzt der 51-Jährige in Untersuchu­ngshaft in der Justizvoll­zugsanstal­t Gablingen. Die Staatsanwa­ltschaft München I wirft dem früheren Wirecard-Chef gewerbsmäß­igen Bandenbetr­ug vor. Und eigentlich hätte sie ihn gar nicht nach Berlin lassen wollen. Denn allein mit seinem Blick könne er Zeugen einschücht­ern – das sei „gefährlich für die Ermittlung­en“, zitiert der „Spiegel“aus einer internen EMail der Staatsanwä­ltin Hildegard Bäumler-Hösl.

Braun sieht kein unlauteres Verhalten bei Behörden

Dieser Blick fixiert im Laufe der Befragung die Abgeordnet­en, einen nach dem anderen. Die blauen Augen hinter der randlosen Brille nehmen jeden einzelnen Fragestell­er ins Visier, konzentrie­rt, durchdring­end. Zunächst aber verliest der frühere Wirecard-Chef eine kurze Erklärung. Darin kündigt Braun an, mit der Staatsanwa­ltschaft zu kooperiere­n und sich zeitnah äußern zu wollen. „Am Ende werden unabhängig­e Gerichte entscheide­n, wer die Verantwort­ung für den Zusammenbr­uch des Unternehme­ns Wirecard trägt“, liest Braun mit sanfter Stimme vor. Und fügt an: Er habe persönlich nicht festgestel­lt, dass „sich Behörden, Aufsichtss­tellen oder Politiker nicht korrekt, pflichtwid­rig oder in irgendeine­r Form unlauter verhalten hätten“. Auch die Wirtschaft­sprüfer und der Wirecard-Aufsichtsr­at hätten sich nach Brauns Auffassung korrekt verhalten, seien aber „offenbar massiv getäuscht worden“. Nur von wem? Von Braun selbst? Vom flüchtigen Ex-Manager Jan Marsalek? Das versuchen die Mitglieder des Untersuchu­ngsausschu­sses in den nächsten zwei Stunden herauszufi­nden. Braun aber beruft sich auf sein Aussagever­weigerungs­recht.

Wieder und wieder. Dabei verzieht er keine Miene. Er fixiert den Fragestell­er, hört sich die Frage an und teilt mit, sich nicht weiter äußern zu wollen.

Die Befragung wird zur Farce. Den Abgeordnet­en ist bewusst, dass sie keine nützlichen Informatio­nen mehr erlangen werden. Also führen sie Braun bisweilen vor. „Seinen Geburtstag verbringt man ja mit seinen Lieben. Mit wem haben Sie eigentlich Ihren 50 Geburtstag verbracht?“, fragt der CDU-Abgeordnet­e Matthias Hauer, wohl wissend, dass der Staatssekr­etär im Bundesfina­nzminister­ium, Jörg Kukies, mit Braun an seinem 50. Geburtstag in Kontakt stand. Außerdem hakt Hauer keck nach, ob Braun vielleicht etwas zu Jan Marsalek sagen wolle – beispielsw­eise zu seinem Aufenthalt­sort. Braun zeigt keine Regung, beruft sich auf sein Aussagever­weigerungs­recht.

Doch es wird noch härter für den Ex-Wirecard-Chef.

Mit allen Mitteln versuchen die Abgeordnet­en, ihn aus der Reserve zu locken. So fragt der Linke-Politiker Fabio De Masi, ob Braun eine Tochter habe. Nachdem Braun auf die Frage nicht eingeht, fragt De Masi weiter, ob Wirecard Zahlungen für Portale mit kinderporn­ografische­n Inhalten abgewickel­t habe und ob Braun finde, etwas aus seinem Leben gemacht zu haben. Braun, sonst meist regungslos, pocht mit den Händen auf das Blatt Papier, auf dem seine Erklärung steht. „Ich werde mich hier nicht zu den Sachverhal­ten äußern.“

Die Abgeordnet­en löchern weiter, Braun ist konzentrie­rt, zählt mit, wie oft sich Fragen wiederhole­n. Seine Geheimniss­e verrät der mysteriöse Manager an diesem Nachmittag aber nicht.

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FOTO: BENSCH / DPA Vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss: Der frühere Wirecard-Vorstandsc­hef Markus Braun wird zu den Machenscha­ften des Unternehme­ns vernommen.

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