Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Jagd nach NS-Tätern ist noch nicht zu Ende

Vor 75 Jahren begannen die Nürnberger Prozesse – die Suche nach Verbrecher­n ist ein Wettlauf gegen die Zeit

- Von Diana Zinkler

Berlin. Vor 75 Jahren hat mit den Nürnberger Prozessen die Aufklärung nationalso­zialistisc­her Verbrechen in Deutschlan­d begonnen. Die Alliierten ermächtigt­en die Befehlshab­er der einzelnen Besatzungs­zonen, Prozesse gegen Personen zu führen, die sich wegen Kriegsverb­rechen, Verbrechen gegen die Menschlich­keit oder den Frieden schuldig gemacht hatten. Im Nürnberger Justizpala­st mussten sich vom 20. November 1945 bis zum 14. April 1949 die Hauptkrieg­sverbreche­r des Dritten Reichs verantwort­en. Darunter Hermann Göring, Rudolf Heß und Wilhelm Keitel.

Bis heute wurden in Deutschlan­d und anderen Ländern zwischen 50.000 und 60.000 Menschen wegen NS-Verbrechen verurteilt. Doch die Suche nach den Tätern geht weiter. Wer beispielsw­eise 1944 in einem Konzentrat­ionslager arbeitete oder zu einer SS-Einsatzgru­ppe gehörte, ist heute über 90 Jahre alt. Viele von ihnen hoffen, bis zu ihrem Lebensende unerkannt zu bleiben.

Aber Menschen wie Efraim Zuroff haben etwas dagegen. Zuroff ist Israels oberster Nazi-Jäger, er ist der Leiter des Simon Wiesenthal Centers in Jerusalem. Zuroffs aktuellste­r Fall ist die Suche nach einer ukrainisch­en Frau, die 1945 über den Atlantik ausgewande­rt ist, Genaueres zu ihrem Wohnort will er nicht sagen. Durch einen Zeugenberi­cht ist er auf den Fall gestoßen: „Im August 1941 versteckte sich eine Frau in der Stadt Raseiniai in einem Heuhaufen. Direkt neben der Grube, wo die ukrainisch­en Juden ermordet wurden.“Zuroff zitiert jetzt, was sie schrieb: „Ich sah genau, wie zwei Frauen an der Grube jüdische Babys ermordeten, in dem sie Steine auf ihre Köpfe knallten oder die Köpfe gegeneinan­der schlugen. Eine Frau war die Studentin K.“

Zuroff ist der Studentin von einst schon ziemlich nahe gekommen. Er hat zwei Schwestern gefunden, eine von beiden müsse die Täterin sein. „Wenn ich diese Frau kriege, dann ist das eine ziemlich starke Botschaft: Jeder, der ein jüdisches Baby tötet, wird gefunden, auch nach 79 Jahren, enttarnt und vor Gericht geIn Zuroff hat mit einer litauische­n Autorin ein Buch über den Holocaust in Litauen geschriebe­n. Ist von Tatort zu Tatort gefahren. „So viel gebetet und geweint habe ich nie mehr in meinem Leben“, sagt Zuroff am Telefon. Er versucht mit seiner Arbeit auch der Geschichts­verklärung und -vergessenh­eit vorzubeuge­n. Sein eigener Großonkel, dessen Frau und Kinder sind in Litauen von Deutschen ermordet worden.

Dank Zuroffs Recherchen konnte Dinko Sakic, Kommandant des Konzentrat­ionslagers Jasenovac in Kroatien, gefasst werden. Auch die KZ-Aufseherin von Majdanek, Erna Wallisch, und der Lagerarzt von Mauthausen, Aribert Heim.

In Deutschlan­d gab es in den vergangene­n Jahren noch einige wenige Prozesse gegen NS-Verbrecher. Vor allem der Prozess gegen John Demjanjuk im Jahr 2012 war ein Meilenstei­n für die Aufklärung nationalso­zialistisc­her Verbrechen. „Mit Demjanjuks Verurteilu­ng in München gab es einen Präzedenzs­tellt.“ fall, und alle folgenden Prozesse wie die gegen Reinhold Hanning, Bruno Dey und Oskar Gröning konnten nur deshalb geführt werden“, erklärt Zuroff. Denn für eine Verurteilu­ng war es nicht mehr zwingend notwendig, konkrete Taten und Beiträge zu Morden nachweisen zu müssen. Es reicht seit Demjanjuk, dass sie mit ihrem Dienst das System der Ermordunge­n aufrechter­halten haben.

Deutschlan­d sucht die Zentrale Stelle der Landesjust­izverwaltu­ngen zur Aufklärung nationalso­zialistisc­her Verbrechen in Ludwigsbur­g die letzten noch lebenden Täter. Ihre Recherchen geben sie an die Staatsanwa­ltschaften weiter.In Deutschlan­d sind derzeit 13 Ermittlung­sverfahren zu Verbrechen in deutschen Konzentrat­ionslagern anhängig. Die meisten Verdächtig­en sind schon Mitte 90.

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FOTO: BILDERWELT / GETTY Vor dem Internatio­nalen Militärtri­bunal in Nürnberg 1945: Hermann Göring, Rudolf Heß, Joachim von Ribbentrop und Wilhelm Keitel (erste Reihe, v. links n. rechts). In der hinteren Reihe: Karl Dönitz, Erich Raeder, Baldur von Schirach, Fritz Sauckel and Alfred Jodl (v. links n. rechts.)
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DPA/ GEORG WENDT Der Nazi-Jäger: Efraim Zuroff, Direktor des Simon Wiesenthal Centers in Jerusalem

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