Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Die Sturheit des Carsten Schneider

Der Schlössers­treit spitzt sich zu einem Kampf mit harten Bandagen zu

- Von Wolfgang Hirsch

Erfurt/Berlin. Eine Woche vor der entscheide­nden Sitzung des Bundeshaus­haltsaussc­husses sind die Nerven bis zum Äußersten strapazier­t. Gibt es die je 100 Millionen Euro für die Schlösserl­andschafte­n in Sachsen-Anhalt und Thüringen vom Bund? Was wird aus den avisierten 210 Millionen Euro Betriebsko­stenzuschu­ss? – Top oder Flop: Bis zum letzten Moment ist beides möglich; die Schlüsself­igur in dem Spiel gibt der SPD-Protagonis­t Carsten Schneider (MdB).

Schneider will partout den Bund dauerhaft und institutio­nell für die hiesigen Schlösser einspannen – wie es der gültige Beschluss von 2018/19 auch vorsieht. Auf die Maßgabe allerdings, dass beide Länder dazu eine gemeinsame Stiftung – in Halle – gründen, wollte man hierzuland­e nicht eingehen, zuletzt nicht einmal mehr Staatskanz­leiministe­r Benjamin Hoff (Linke). Damit wäre all das viele Fördergeld eigentlich hinfällig, es sei denn, der Bundesauss­chuss ändert den Maßgabebes­chluss.

Am Montag hat CDU-Landesvors­itzender Christian Hirte (MdB) in einem Exklusiv-Interview mit dieser Zeitung einen Kompromiss skizziert, wonach die Investivmi­ttel flössen und Betriebsko­stenhilfen zu Fördermitt­eln umzuwidmen wären. Darüber sei man sich in Berlin, Magdeburg und Erfurt einig, allein Carsten Schneider blockiere die Lösung. Nach einer ersten, polemische­n Reaktion schlägt Hoff inzwischen moderatere Töne an. Denn am Mittwoch haben wir (fast) identische E-Mails mit Fragen an vier Adressen gesandt. Und da heißt es zur Antwort aus Hoffs Staatskanz­lei, der Hirte-Kompromiss sei „eine der Optionen, über die verhandelt wurde“. Allerdings setze Hoff sich „für ein nachhaltig­es Engagement des Bundes ein“, und „insoweit sind wir froh, dass wir durch Carsten Schneider Unterstütz­ung für eine institutio­nelle Förderung des Bundes erhalten“.

Aus der CDU-geführten Staatskanz­lei in Magdeburg bestätigt ein Sprecher klar, dass dreiseitig­e Einmütigke­it auf Exekutiv-Ebene – zwischen den Landesregi­erungen und der BKM – über den Hirte-Vorschlag besteht. Es seien auch keine Fragen mehr offen; man gehe von einer Änderung des Maßgabebes­chlusses nächsten Donnerstag aus.

Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) – die BKM – lässt diplomatis­ch antworten, man warte auf diese Entscheidu­ng. Davon sei eine „Vereinbaru­ng zu den mitteldeut­schen Schlössers­tiftungen“abhängig. Grütters weiß hier die Legislativ­e – das Parlament – am Zuge und hält sich zurück; nur verrät der Plural, dass sie wohl nicht mehr von einer einzigen, länderüber­greifenden Stiftung ausgeht.

Viele Förderpake­te hat Schneider für die hiesige Kultur akquiriert

Daran hält allein Carsten Schneider hartnäckig fest. Lange lässt er sich Zeit mit der Antwort, dann gibt er zu Protokoll, Thüringen sei zu klein und finanzschw­ach, um allein für seine Schlösser zu sorgen. Doch die CDU habe die Idee einer länderüber­greifenden Stiftung diskrediti­ert. – Sollte Schneider den Stimmungsu­mschwung im Lande gegen die Hallenser Stiftung und gegen den verkorkste­n Staatsvert­ragsentwur­f gar nicht bemerkt haben? Zumindest ist er in die alte Idee, die er als seinen politische­n Erfolg verbucht hat, noch immer vernarrt.

Klar hat Schneider sich als Millionenb­eschaffer für Thüringens Kultur über Jahre Meriten verdient: für die Klassik in Weimar, für Gothas Friedenste­in, fürs Lindenau-Museum Altenburg und 2019 fürs DNT Weimar und wieder die Klassik-Stiftung. Doch eine institutio­nelle Trägerscha­ft des Bundes ist etwas anderes als so ein Füllhorn aus Förderpake­ten. Kultur, argumentie­rt der Jurist Hirte mit Blick auf die föderale Grundordnu­ng unserer Republik, ist Sache der Länder. Der Bund steht ihnen nur dann institutio­nell zur Seite, wenn übergeordn­etes Interesse besteht.

Für die Thüringer Residenzen indes ist der Beweis einer solchen nationalen Bedeutung erst noch zu führen, etwa kraft eines erfolgreic­hen Unesco-Welterbe-Antrags. Dass man den Bund für eine Ko-Trägerscha­ft der Schlössers­tiftung in Rudolstadt gewinnt, ist vorerst also eher unwahrsche­inlich. In Magdeburg sieht man die Dinge gelassen pragmatisc­h. Auf die Frage, ob man den Bund zum Eintritt in die Kulturstif­tung Sachsen-Anhalt bringen wolle, heißt es schlicht: „Nein.“

In Erfurt hingegen wähnt man eine solche Chance und unternimmt klandestin alles, um die hiesige Schlösserw­elt samt ihren Museen in Rudolstadt zu zentralisi­eren. Da werden längst Leitbild, Organigram­m und Stellenpla­n eines solch molochhaft­en Gebildes vorbereite­t, ohne dass eine Debatte im Landtag, gar ein öffentlich­er Diskurs stattgefun­den hätte.

Schneider ficht das nicht an. Er würde sich – unfreiwill­ig oder absichtsvo­ll – zum Vorkämpfer einer Strategie machen, die lauten könnte: Votiert der Bundeshaus­haltsaussc­huss für den Eintritt des Bundes in eine Rudolstädt­er Großstiftu­ng, so könnten die Thüringer sich das vielstimmi­g-föderale Gezänk über ihre Schlösserw­elt sparen. Denn dann muss fusioniert und zentralisi­ert werden, sonst gibt’s kein Geld!

Auch dazu schweigt Carsten Schneider beredt. Es wäre ihm offenbar recht.

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FOTO: C. BEYER Blick ins Spiegelgem­ach der Heidecksbu­rg Rudolstadt. Sie soll Thüringens Schlösserz­entrale werden.
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FOTO: BRITTA PEDERSEN / DPA Carsten Schneider, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der SPD-Bundestags­fraktion.

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