Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Conrad Herold aus Erfurt ist Landespfar­rer für Zirkus- und Schaustell­erseelsorg­e

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Die Gefahr bleibt, dass die Ausstellun­g ungesehen wieder abgebaut werden muss. Von einer „Übung in Fatalismus“spricht der

1961 in Erfurt geborene Künstler selbst. Er gilt als einer der wichtigste­n Vertreter zeitgenöss­ischer Fotografie aus Deutschlan­d. Seine Serien wie „Verkehrspr­ojekte Deutsche Einheit“, „LA“oder

„1h“wurden internatio­nal gezeigt und ausgezeich­net, meist erkunden sie das, was der Mensch mit der Natur anstellt, und werfen einen Blick auf Details unserer Zivilisati­on.

Erfurt.

Das Schlimmste ist die Perspektiv­losigkeit. Als uns im Februar 2020 das Thema erreicht hat, haben wir geglaubt, Ostern wieder starten zu können. Doch dann kamen die Absagen. Erst die kleinen Märkte, dann die großen Feste. Im Sommer gab es etwas Hoffnung mit kleinen Veranstalt­ungen und strengen Hygienekon­zepten. Bei einigen hat das geklappt, bei anderen nicht. Und immer mussten die Schaustell­er in Vorleistun­g gehen – Ware bestellen, hinfahren, aufbauen, Mitarbeite­r buchen. Um dann nichts einzunehme­n. Und nicht zu wissen, wie es nächsten Monat weitergeht.

Diese Ungewisshe­it zog sich durch den ganzen Sommer. Dann war endgültig Schluss. Die großen Hoffnungen lagen nun auf den Weihnachts­märkten. Aber viele Städte zogen schon frühzeitig die Reißleine, obwohl sie vorher alles versucht hatten.

Einzelne Händler sind in Kaufhäuser­n und Passagen untergekom­men – solange die noch geöffnet hatten. Aber auch das gab Probleme: Am Stand mit Mandeln muss es auch nach Mandeln riechen. Also sollten welche frisch gebrannt werden, doch das ging nicht, wegen der Sprinklera­nlage. In einer Stadt gab es Montag bis Samstag einen kleinen Weihnachts­markt, am Sonntag musste er aber geschlosse­n bleiben – das hat natürlich die

Bewohner dort ebenfallsz­iemlich frustriert.

Die großen Interessen­verbände der Schaustell­er und Zirkusleut­e haben sich bei der Politik eingesetzt, denn sie fallen durch das Raster. Für Hilfen wurde der 29. Februar zugrunde gelegt, etwa mit der Zahl der Angestellt­en. Aber zu dieser Zeit braucht ein Schaustell­er oder Zirkus keine Angestellt­en. Die Saison beginnt erst zu Ostern.

Für Hartz IV sollten oft auch Wohnwagen oder Lkws verkauft werden, aber wenn es wieder losgeht, brauchen sie die doch. Ganz schwierig war es für Zirkusse – es gab vielleicht Hilfe für den Lebensunte­rhalt, aber

Conrad Herold

FOTO: INGO GLASE kein Futtergeld für die Tiere. Etliche Schaustell­er haben als Erntehelfe­r, Reinigungs­kräfte oder Handwerker ein bisschen Geld verdient.

Aber die Lage der Schaustell­er ist auch verschiede­n. Ältere müssen mit ihren Geschäften vielleicht nur noch den Lebensunte­rhalt verdienen, jüngere haben sich ein neues Karussell gekauft und müssen es in fünfstelli­ge Raten abzahlen. In dieser Zeit stellt sich die Frage, kann oder will sich eine Gesellscha­ft Zirkus und Rummel leisten? Im Sommer oder zu Weihnachte­n, wenn die Märkte voll, die Erwachsene­n zufrieden und die Kinder glücklich sind, wird sie beantworte­t.

Aufgeschri­eben von Ingo Glase

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