Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Staatsanwaltschaft sieht rechtes Tatmotiv als nicht geklärt an. Das stößt auf Widerspruch
Erfurt. Am Dienstag endete die Verhandlung gegen den untersetzten Mann in Lederjacke und mit Brille am Landgericht Erfurt bereits nach wenigen Minuten. Seine Anwältin hatte sich krank gemeldet und der zweite Verteidiger fehlte entschuldigt. Der Prozesstag musste ausfallen.
Der Angeklagte muss sich wegen bewaffneten Handeltreibens mit Amphetamin und Marihuana verantworten. Es geht um mehr als 24 Kilo Drogen, die der Mann in der Wohnung seiner Freundin laut Anklage für den Verkauf versteckt haben soll. Offenbar griffbereit fanden die Ermittler dort unter anderem auch eine Maschinenpistole und eine Schreckschusswaffe.
Das Verfahren ist eines von
19 Drogenprozessen, die laut Presseliste allein im Januar am Landgericht Erfurt geführt werden. Fünf dieser Prozesse sind Berufungsverfahren, müssen also teilweise oder gänzlich neu aufgerollt werden. In den übrigen
14 Strafverfahren sind 27 Frauen oder Männer angeklagt. Bei Schuldsprüchen erwarten sie teils lange Haftstrafen. Die Vorwürfe reichen vom unerlaubten Handeltreiben mit Rauschgift bis hin zum bandenmäßigen Begehen der Rauschgiftdeals und in einem Fall eben auch bewaffnetes Handeltreiben mit Drogen. kmu
Von Fabian Klaus
Erfurt.
„Brutaler, gezielter Angriff durch 20 Rechtsextreme.“Unter dieser Überschrift führt die Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen „Ezra“in ihrer online geführten „Chronik rechter Vorfälle“einen Angriff auf eine Personengruppe im Hirschgarten vor der Erfurter Staatskanzlei im Juli 2020. Dabei wurden mehrere Personen verletzt.
Dazu hat die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelt. Behördensprecher Hannes Grünseisen erklärte auf Anfrage, dass im Ergebnis der Ermittlungen „ein politischer Hintergrund oder ein rechtes Tatmotiv nicht hinreichend sicher festgestellt werden“konnte.
Identifiziert wurden 15 Beschuldigte, die im Verdacht stünden, sich der gefährlichen Körperverletzung, des Landfriedensbruchs, des Widerstands gegen sowie des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht zu haben, berichtet die dpa unter Berufung auf den Sprecher. Unmittelbar nach dem Angriff, an dem mehrere Personen aus der rechtsextremen Kampfsportszene beteiligt gewesen sein sollen, waren die Ermittler noch von zwölf Angreifern ausgegangen.
Dass die Staatsanwaltschaft ein rechtsextremes oder politisches Tatmotiv nicht zweifelsfrei feststellen kann, stößt auf Kritik. „Die mutmaßlichen Täter beim
Vor der Staatskanzlei am Erfurter Hirschgarten kam es im Juli 2020 zu einem Angriff auf eine Personengruppe. Mehrere Menschen waren dabei verletzt worden.
Übergriff auf die Staatskanzlei sind teilweise seit Jahren durch ihre Aktivitäten in der extrem rechten Szene bekannt“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Mobilen Beratung in Thüringen (Mobit), Sandro Witt, auf Anfrage. Er nannte es „ein katastrophales Signal an die Betroffenen“, dass der Tathintergrund nicht anerkannt werde. Das verschleiere zudem das Problem extrem rechter Gewalt. Witt macht klar, dass Personen aus dem Angreifer-Umfeld
vom Juli 2020 schon an dem Überfall auf das linke Jugendzentrum AJZ in Erfurt am Himmelfahrtstag 2016 beteiligt gewesen seien. Hier wurden mehrere Verfahren eingestellt und im November blieb eine Hauptverhandlung am Amtsgericht Erfurt zu dem Übergriff für zwei Angeklagte strafrechtlich fast folgenlos.
Das Ergebnis der Ermittlungen zum Hirschgarten-Übergriff im vergangenen Juli kritisiert auch die Linke-Bundestagsabgeordnete
Martina Renner aus Erfurt. „Obwohl die Angreifer szenetypische Kleidung trugen, die auf ihre Zugehörigkeit zur extrem rechten Kampfsportszene hinweist, wurde die Tat schon kurz danach durch die Bezeichnung ‚Massenschlägerei‘ entpolitisiert“, macht sie auf Anfrage deutlich. Neonazis würden durch ihre Taten bestimmen, wer Opfer rechter und rechtsextremer Gewalt werde. Das sei auch hier so gewesen. Ein solches Tatmotiv nicht anzuerkennen
ARCHIV-FOTO: MARCUS SCHEIDEL
führe dazu, dass Täter ermutigt würden, weiterzumachen.
Madeleine Henfling, Fraktionssprecherin für Demokratie und Antifaschismus der Grünen im Landtag, twitterte: „Die bisherigen Erkenntnisse sprachen aus unserer Sicht sehr eindeutig dafür, dass ein rechtsextremes Tatmotiv zugrunde liegt.“Sie kündigte deshalb an, dass das Thema im Innenausschuss erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden soll.