Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Sportmediziner Peter Ullmann über sportlichen Rhythmusverlust und das Präventionsmittel Training
Erfurt.
In der Corona-Zwangspause hat Fußball-Oberligist FC Rot-Weiß Erfurt zwei Abgänge verkündet. Felix Schwerdt, der im Sommer vom Ligarivalen Wacker Nordhausen gekommen war, bat um Auflösung des bis zum Juni
2021 laufenden Vertrages. Im Gespräch ist eine Rückkehr des
24-Jährigen zu seinem Stammverein, bei dem er in den zurückliegenden vier Spielzeiten auch zu neun Regionalliga-Einsätzen gekommen war. Beim FC Rot-Weiß war er in fünf Oberliga-Punktspielen dabei.
Ebenfalls nicht mehr zum Erfurter Kader gehört Hans Oeftger, der noch im Januar in die USA zurückkehrt und dort wie geplant sein Studium fortsetzt. Der 21-Jährige wurde in dieser Saison in fünf Spielen eingewechselt. Im Sommer kam Oeftger, einst im RWE-Nachwuchs groß geworden, vorübergehend nach Deutschland zurück. In Amerika kickte er zuvor bei den Vermont Catamounts, einer Mannschaft der Universität Vermont.
Erfurt.
Angeführt vom WM-Achten Joel Dufter haben sich vier Eisschnellläufer gegen die Ausbootung des aus Erfurt stammenden Sprint-Bundestrainers Danny Leger gewehrt. In einem Offenen Brief kritisieren Dufter, Stefan Emele, Jeremias Marx und Hendrik Dombek mangelnde Kommunikation im Verband. „Ich kann mich nicht erinnern, dass sich Fußball-Profis in der Bundesliga in derartiger Form schon mal öffentlich darüber beschwert hätten, als ihnen ein Trainer weggenommen wurde“, entgegnete Präsident Große.
Von Steffen Eß
Herr Doktor Ullmann, Sportwissenschaftler Ingo Froböse von der Sporthochschule Köln rechnet aufgrund der kurzen Winterpause in der Fußball-Bundesliga mit mehr Verletzungen. Er erwartet eine Zunahme von 30 Prozent. Teilen Sie seine Befürchtungen?
Es ist nicht nur die kurze Winterpause für die Bundesliga-Vereine neu, sondern auch der enge Spielplan. Das gilt in ganz Europa. Zum Teil hohe Niederlagen von Spitzenteams sind auch darauf zurückzuführen, dass rotiert werden muss, dass Spieler geschont werden müssen. Die kurze Pause und der verdichtete Spielplan werden zu Wettbewerbsverzerrung führen oder aufgrund von Verletzungen zu langfristigen Schwächungen der Mannschaften.
Ist im Freizeitsportbereich eine Zunahme von Verletzungen zu erwarten?
Grundsätzlich muss man den Profibereich scharf vom Freizeitbereich trennen. Aber eines haben Profi- und Amateurfußball gemein. Verliert ein Spieler den Rhythmus, den Bewegungs- und den Spielrhythmus, dann häufen sich Verletzungen.
Inwieweit hat sich die Coronapause aus sportmedizinischer Sicht ausgewirkt?
Wir haben hier in der Sportklinik Erfurt die meiste Arbeit, wenn normaler Spielbetrieb stattfindet. Ohne Punktspiele muss die Fußball-Klientel nicht versorgt werden. Während der ersten Lockdown-Phase haben wir aber gesehen, dass Verletzungen abseits des Fußballs zugenommen haben.
Weshalb?
Die Menschen griffen zu Alternativtrainingsprogrammen, die sie nicht gewöhnt waren. Extrem viele Trampolinunfälle gab es. Alternativ wurden Wanderaktivitäten gesucht, mit Stürzen als Folge.
Ingo Froböse führt die Verletzungen im Profifußball auf Ermüdung durch die Spieldichte zurück. Ließe sich das auch für den Hobbybereich ableiten?
Grundsätzlich ist das die richtige Überschrift. Ermüdung ist ein ganz wichtiger Faktor. Sie ist aber zu differenzieren. Erstens: die physische Müdigkeit – Arbeit, Anreise zum
Training, welche Maßnahmen zur Regeneration werden angewendet, wie wird das Training vorbereitet. Diese physische Ermüdung resultiert in der Coronazeit aus dem dichten Terminplan. Daneben die psychische Müdigkeit, die ist für Profis und Amateure gleich. Hat ein Spieler Stress, mit dem Trainer, mit seiner Situation, neigt er zu Verletzungen. Am häufigsten treten diese bei Spielern auf, die drei, vier, fünf Wochen vorher Stress mit Aufstellungen, Trainern oder Vertragsveränderungen hatten.
Können Sie den Hobby-Fußballern eine Orientierung geben, wie sie ihr Training für den Wiedereinstieg gestalten sollten?
Zwei Aspekte sind entscheidend: Wie sehr habe ich als Trainer während der Coronapause meine Spieler im Griff und schaffe die athletischen Voraussetzungen durch individuelles Training. Habe ich das erledigt, fange ich wie sonst auch nach der Winterpause an und gehe in die Fußball-Spezifik über. Erfolgte keine allgemeine Ertüchtigung während dieser Pause, müssen in den ersten Trainingseinheiten danach die Schwerpunkte auf Athletik und Koordination gelegt werden.
Inwieweit müssen Gelenke auf die Belastung vorbereitet werden?
Der gesamte Körper muss vorbereitet werden. Viele Vereine nutzen die Online-Möglichkeiten. Der DFB gibt sich in dem Bereich viel Mühe, gestaltet unter anderem Livetrainingseinheiten. Da werden viele Komponenten hineingebracht, die sonst im normalen Fußballer-Alltag zu kurz kommen. Deswegen hat Corona auch eine kleine positive Auswirkung. Im Amateurbereich bestehen bei vielen Spielern Defizite im Bereich der Rumpfstabilisation. Viele Alternativtrainingsprogramme drehen sich eben um solche Stabilisationseinheiten. Auch Yoga zum Beispiel wird zur Kräftigung mit eingebaut. Man kann sich jetzt ein bisschen mehr als zuvor um seine Problemzonen kümmern.
Froböse hat ins Gespräch gebracht, die Winterpause komplett zu sparen und dafür die englischen Wochen zu reduzieren. Wäre das auch für den Freizeitbereich eine Anregung?
Das würde ich unterstützen. Ein Rhythmusverlust ist für Spieler gefährlich. Er bedeutet eine höhere Verletzungsrate. Bedingung wäre dafür natürlich die Bespielbarkeit der Plätze. Das wäre vor 20 Jahren nicht möglich gewesen.
Mit baldigen Lockerungen ist im Moment nicht zu rechnen. Was können Sportler tun, um nicht einzurosten?
Es ist eine sehr anstrengende und gefährliche Situation. Das Verständnis dafür muss man im Kopf klar abarbeiten. Das gibt primär Kraft, um dort rauszukommen. Der Mensch, der regelmäßig Training und Spiele gewohnt war und nun aus dem Rhythmus gerissen wird, der bekommt Probleme. Sein gesundheitlicher Zustand wird schlechter. Und seine Leistungsfähigkeit wird es auch.
Was leitet sich daraus ab?
FOTO: DPA
Was wir machen können und müssen, ist, dass wir die Bedeutung des Sports als ganz wichtiges Präventionsmittel mehr herausstellen. Für mich ist unbegreiflich, wieso Kinder in die Schule gehen dürfen und sollen, aber der Trainingsbetrieb eingestellt wird. Solch eine politische Entscheidung fällt jemand, der die Bedeutung des Sports nicht erkannt hat. Immunabwehr ist nicht im Home-Schooling herstellbar. Und das Immunsystem wird in den Kinderjahren entwickelt.