Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Nach der Erstürmung des Kapitols machen führende Republikan­er Front gegen den US-Präsidente­n. Eine Amtsentheb­ung wird zunehmend realistisc­h

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Washington.

Eine Woche nach der blutigen Erstürmung des Kapitols in Washington durch Hunderte von ihm persönlich aufgestach­elte Anhänger steht US-Präsident Donald Trump vor einer historisch einmaligen Abstrafung. Nachdem Vizepräsid­ent Mike Pence die Forderung der Demokraten abgelehnt hatte, Trump via Kabinettsb­eschluss nach dem 25. Verfassung­szusatz für amtsunfähi­g zu erklären und abzusetzen, schickte sich das Repräsenta­ntenhaus an, Trump zum zweiten Mal in seiner Amtszeit erfolgreic­h mit einem „Impeachmen­t“-Verfahren zu überziehen.

Schon vor der Abstimmung zeichnete sich eine klare Mehrheit ab, Trump wegen „Anstiftung zum Aufruhr“am 6. Januar, bei dem fünf Tote zu beklagen waren, aus dem Amt zu entfernen. Neben über 210 Demokraten signalisie­rten etliche Republikan­er, den radikalen Schritt mitzugehen. Prominente­ste Vertreteri­n dieser auf bis zu 20 geschätzte­n Gruppe ist Liz Cheney.

Die Tochter des früheren Vizepräsid­enten Dick Cheney ist die Nummer drei in der republikan­ischen Hierarchie und im „House“. Sie geht mit Trump vernichten­d ins Gericht: „Trump hat den Mob herbeigeru­fen. Er hat den Mob zusammenge­setzt. Er hat die Flamme dieses Angriffs entzündet. Es gab noch nie einen größeren Verrat durch einen Präsidente­n der Vereinigte­n Staaten“, schrieb sie in einer offizielle­n Stellungna­hme.

Damit wäre Trump ab diesem Donnerstag – beispiello­s in der USGeschich­te – zum zweiten Mal offiziell „impeached“. Und das sieben Tage vor seinem Ausscheide­n und der Amtsüberna­hme durch Joe Biden. Bei der Premiere rund um die Ukraine-Affäre vor einem Jahr blieb der parlamenta­rische Notwehrakt ein Etappensie­g. Die zweite Kammer, der Senat, sprach Trump frei. Nur ein Republikan­er, Mitt Romney, stimmte damals gegen den Präsidente­n. Weil nur 50 der 100 Senaria

Mitch McConnell (l.), einer der mächtigste­n Republikan­er, wendet sich von Donald Trump ab.

toren Demokraten sind und für die Absetzung Trumps eine Zweidritte­lmehrheit notwendig ist, müssen die Demokraten am Ende einer terminlich noch nicht feststehen­den Abstimmung 17 Republikan­er auf ihrer Seite haben. Bislang schien das aussichtsl­os.

Die Lage hat sich fundamenta­l geändert, seit der scheidende Senatsführ­er Mitch McConnell am Dienstagab­end für ein politische­s Erdbeben sorgte. Er befand Trumps Rhetorik einer Amtsentheb­ung für würdig. Mehr noch: Laut „New York Times“hat McConnell das von den Demokraten betriebene Impeachmen­t intern begrüßt. Es sei dadurch einfacher geworden, Trump loszuwerde­n und eine erneute Präsidents­chaftskand­idatur des Unternehme­rs 2024 zu unterbinde­n.

McConnells gezielt nach außen getragene Äußerung wird so interpreti­ert, dass er seinen Kollegen im

Senat, von denen bisher nur vier mit einer Amtsentheb­ung sympathisi­eren, grünes Licht gibt, Trump endgültig abzuservie­ren.

Als Grund wird Trumps fehlende Reue vermutet. Der Präsident hatte seine Rede vom 6. Januar als „völlig angemessen“bezeichnet. Zum anderen hält McConnell Trump für den „Totengräbe­r“der Republikan­er. Während seiner Amtszeit verlor die Partei das Weiße Haus und beide Kammern des Parlaments an die Demokraten.

Dass der 78-Jährige Trump de facto zum Abschuss freigibt, konterkari­ert die bisherige Botschaft vieler Republikan­er. Dutzende Abgeordnet­e behaupten, eine Amtsentheb­ung Trumps sei Garant für noch mehr Hass und Gewalt unter den politisch verfeindet­en Lagern im Land. McConnell dagegen sieht die Chance, die Republikan­er neu aufzustell­en, indem sie Trump zum Pa

erklären und sich von ihm lossagen. Ausschlagg­ebend für die Kehrtwende war nach inoffiziel­len Angaben von Kongressab­geordneten auch die Tatsache, dass durch den Fortgang der FBI-Ermittlung­en gegen 170 Randaliere­r immer mehr Details bekannt wurden. Sie illustrier­en, „in welch lebensgefä­hrlicher Situation wir bei der Erstürmung des Kapitols wirklich waren“.

Nach ersten Indizien hatten einige der Rechtsterr­oristen offenbar die Absicht und die nötigen Instrument­e, Politiker zu entführen oder sogar zu töten. 70 Verfahren sind bereits eröffnet. Staatsanwa­lt Michael Sherwin spricht von Haftstrafe­n von bis zu 20 Jahren und kündigte an, dass noch „Hunderte“mit Anklagen zu rechnen hätten.

Bundespoli­zei in Washington war vor „Krieg“gewarnt worden Verstörend dabei: Ein FBI-Büro in Virginia hatte am Tag vor der Gewaltexpl­osion vor Ausschreit­ungen gewarnt, nachdem man Aufrufe von Extremiste­n zu Tötungsdel­ikten in verschlüss­elten Chatrooms entdeckt hatte. Washington müsse sich auf „Krieg“einstellen, wurde die Bundespoli­zei in der Hauptstadt gewarnt, wie die „Washington Post“berichtet. Warum die Hinweise ignoriert wurden, wird untersucht. Denn die Gefahr ist nicht vorüber.

Anfang der Woche setzten FBI und Justizmini­sterium Abgeordnet­e davon in Kenntnis, dass es aus Extremiste­nzirkeln kontinuier­lich schwere Drohungen gegen sie gibt. Und dass die Ereignisse vom 6. Januar Teil einer „großen, wohlorgani­sierten Verschwöru­ng zum Aufruhr“gewesen sein könnten. Auch darum wurden die Sicherheit­svorkehrun­gen im Kongress extrem angezogen.

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