Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Notenbonus für Corona-Jahrgang?
Schulabgänger 2021 fürchten Nachteile wegen Unterrichtsausfalls. Bildungsministerin appelliert an Betriebe und Hochschulen, die Abschlüsse als gleichwertig anzuerkennen
Es ist ein höflich formulierter Hilferuf. Sehr sachlich zählen zwei Abiturientinnen in ihrer Onlinepetition auf, wie ihre Vorbereitung aufs Abitur bislang lief: wochenlang kein Präsenzunterricht, ausfallende Lernplattformen, schlechte Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schülern. „Zu erwarten, dass die Schüler in der Lage sind, ein reguläres Abitur zu schreiben, wäre nicht angemessen“, bilanzieren Henriette Bochmann und Ema Fenikova aus Sachsen. Sie fordern deshalb eine Verschiebung der Prüfungen und mehr Wahlmöglichkeiten bei den Aufgaben. „Machen Sie uns nicht zu den Verlierern dieser Pandemie“, bitten die Schülerinnen das sächsische Kultusministerium in ihrem Petitionstext. Fast 12.000 Menschen haben schon unterschrieben.
Die Sorgen von Bochmann und Fenikova teilen derzeit viele Jugendliche, auch in anderen Bundesländern. Schon der Jahrgang, der 2020 seinen Schulabschluss gemacht hat, kämpfte mit Unsicherheit und erschwerten Bedingungen. Doch während diese Abschlussklassen immerhin bis März Präsenzunterricht hatten, hat die Pandemie für den Jahrgang, der jetzt die Schulen verlassen wird, mehr als ein ganzes Jahr durcheinandergeworfen: Auf den Schulausfall durch den ersten Lockdown folgte ein Herbst, in dem der Betrieb nicht nur durch frischluftkalte Klassenzimmer, sondern auch zahlreiche Quarantänefälle beeinträchtigt wurde. Kurz vor Weihnachten waren die Schulen dann wieder ganz zu, obwohl genau das eigentlich verhindert werden sollte. Auch die Bundesschülerkonferenz fordert deshalb Abschlussprüfungen, die den Bedingungen des Jahres angepasst sind.
Bundesbildungsministerin Anja
Karliczek (CDU) weiß, dass viele Schülerinnen und Schüler verunsichert sind. „Sie wissen nicht, ob sie sich ausreichend auf die Prüfungen vorbereiten können und ob ihre Abschlüsse als vergleichbar mit denen ihrer Vorgänger angesehen werden“, sagte Karliczek unserer Redaktion. „Wir müssen dafür sorgen, dass auch im Schuljahr 2020/21 die Bildungsziele so weit wie möglich erreicht werden“, so die CDU-Politikerin. „Und wir müssen – ebenfalls im Interesse der jungen Leute – sicherstellen, dass die Prüfungen in diesem Jahr in der Bewertung durch Betriebe und Hochschulen gleichwertig zu allen anderen Jahren anerkannt werden.“Mit der Forderung nach einem „Corona-Bonus“in den Noten sollte man aber vorsichtig umgehen, findet Karliczek. Das sei eine Frage, die letztlich die Länder beantworten müssten.
Sollten die diesjährigen Abiturienten bessere Noten bekommen, um die Härten der Pandemie auszugleichen? Den Vorschlag gab es schon im vergangenen Jahr, auch jetzt wird er wieder diskutiert. Unter den Ländern herrscht Uneinigkeit: Während man sich zum Beispiel im Bildungsministerium in Thüringen leichtere Prüfungen vorstellen kann, lehnt Sachsen-Anhalt das eindeutig ab. Niemand könne ein Interesse haben, Schulabschlüsse
zu entwerten, sagte der dortige Bildungsminister Marco Tullner (CDU).
Vor allem bei Abiturienten können Nachkommastellen in der Abschlussnote über Karrieren entscheiden: Die Studienplätze sind begrenzt, gerade in den begehrten Fächern sortieren Hochschulen häufig über den Notenschnitt aus. Das wird auch in diesem Jahr nicht anders sein, sagt Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Notenboni wegen Corona dürfe es deshalb nur geben, wenn alle Länder sie umsetzen, sagt Alt: „Wir müssen aufpassen, dass nicht einzelne Länder vorpreschen und Notenboni verteilen, das wäre unfair“, so der HRK-Präsident.
Bei der Kultusministerkonferenz (KMK) geht man derzeit noch davon aus, dass die Abiturprüfungen wie geplant stattfinden können. „Wir haben im letzten Jahr bei geschlossenen Schulen das Abitur durchgeführt und die Abstände und Hygieneregeln gewahrt“, sagte Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), die am Donnerstag offiziell den Vorsitz im Gremium übernimmt. Man werde auch in diesem Jahr alles dafür tun, dass es stattfinde.
Doch neben Plan A erörtere die KMK auch B und C. „Wenn das Infektionsgeschehen uns im Februar, März und vielleicht April noch so im Griff hält, dass der Präsenzunterricht sehr eingeschränkt ist, werden wir über Modifikationen nachdenken“, sagt Ernst. So sei etwa in Berlin und Brandenburg bereits entschieden worden, dass Schulen für die Abiturprüfungen eine Aufgabe mehr bekommen – um auswählen zu können, was auch behandelt wurde. Die Standards des Abiturs würden aber nicht infrage gestellt. Ende des Monats wollen die Kultusminister beraten, wie die Prüfungen in diesem Jahr ablaufen sollen.
„Wir müssen dafür sorgen, dass auch im Schuljahr 2020/21 die Bildungsziele so weit wie möglich erreicht werden.“
Anja Karliczek,
Bildungsministerin