Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Die Angst vor der nächsten Welle

In China gibt es so viele Neuinfekti­onen wie seit Monaten nicht. Unbemerkte Ansteckung­en in den Dörfern bereiten Sorge

- Von Fabian Kretschmer

Mit einem Absperrban­d lässt der Sicherheit­spförtner die anlaufende­n Passanten vor der IFCMall abblitzen: Wer das luxuriöse Einkaufsze­ntrum gegenüber dem ikonischen Oriental Pearl Tower in Schanghai betreten möchte, muss zunächst einen gültigen Gesundheit­scode auf seinem Smartphone präsentier­en und danach eine Kamera passieren, die die Körpertemp­eratur misst. Was in vielen Städten wie Peking fester Bestandtei­l des Alltags ist, ist für die Bewohner der liberalen Metropole am JangtseFlu­ss ungewohnte­s Neuland.

Das neuartige Coronaviru­s SarsCoV-2

wütet derzeit vor allem in der Provinz Hebei. In deren Hauptstadt Shijiazhua­ng hat sich der größte Infektions­cluster Chinas seit Langem gebildet, 115 Neuansteck­ungen meldeten die Gesundheit­sbehörden am Mittwoch – so viele wie seit fünf Monaten nicht mehr. Die bisher knapp 1000 Fälle seit Neujahr fallen in kleineren Teilen zusätzlich auf mehrere Städte im Nordosten des Landes, was das Risiko einer unkontroll­ierten Verbreitun­g steigen lässt. Im internatio­nalen Vergleich mögen die Zahlen niedrig erscheinen, doch im zwischenze­itlich nahezu virenfreie­n Reich der Mitte sorgen sie für Entrüstung: Landesweit sind mittlerwei­le über 28 Milschwind­igkeitszüg­e

Bewohner in häuslicher Quarantäne.

Extrem rasch und vor allem drastisch reagieren die Behörden. Shijiazhua­ng war bereits am Freitag im „Kriegsmodu­s“und ging in einen vollständi­gen Lockdown, Hochge

durch die umliegende Provinz nehmen zudem keine Passagiere mehr auf.

Vor allem in Peking sind die Behörden alarmiert: In der Hauptstadt wurde die Zwangsquar­antäne bei Einreisen aus dem Ausland oder aus heimischen Hochrisiko­gebieten von zwei auf drei Wochen in einem staatlich zugewiesen­en Hotelzimme­r erhöht. In der Parteizeit­ung „Global Times“heißt es, dass in den nächsten Tagen „höchstwahr­scheinlich neue Ausbrüche ausgelöst“werden. Das habe zum einen damit zu tun, dass die aktuellen Fälle durch einen neueren Virusstran­g verursacht werden, der im Vergleich zur ursprüngli­chen Valionen riante aus Wuhan deutlich infektiöse­r ist. Ob es sich dabei um die aus Großbritan­nien stammende Mutation handelt, ist unklar.

In der aktuellen Situation lauert eine neue Gefahr: die unbemerkte­n Ansteckung­en in den Dörfern, die von den Behörden wohl nur mit Verspätung erkannt werden können. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das chinesisch­e Neujahr 2021 ausfallen wird. Am 12. Februar beginnen die Feiertage, bei denen die Hälfte der 1,4 Milliarden Chinesen auf Reisen zu ihren Familien ist. Dieses Jahr hat die Regierung eine freiwillig­e Reisewarnu­ng herausgege­ben, die bald zum verpflicht­enden Verbot werden könnte.

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FOTO: DPA Mitarbeite­r in Shijiazhua­ng legen die Hände zusammen, bevor sie Corona-Tests starten.

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