Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Ziel war größer als der Schmerz

Interview der Woche Der Waltershäu­ser Karateka Noah Bitsch über seine erfolgreic­he Olympia-Qualifikat­ion

- Von Thomas Rudolph

Paris/Waltershau­sen. Der große Traum von Noah Bitsch ist in Erfüllung gegangen. Durch einen zweiten Platz beim Qualifikat­ionsturnie­r in Paris sicherte sich der Karateka aus Waltershau­sen einen der begehrten Plätze bei Olympia in Japan. Wir sprachen mit dem 31-Jährigen.

Wie viele Glücksnach­richten sind denn seit Samstag auf Ihrem Handy eingegange­n?

Hunderte. Es war schon mega krass, was da alles reinkam, obwohl ich schon damit gerechnet habe, dass ich überhäuft werde. Ich kann es immer noch nicht richtig greifen. Olympia war immer ein Ziel und man arbeitet darauf hin, auch wenn man weiß, wie schwer es ist. Selbst wenn man gut in Form ist, heißt das noch lange nicht, dass es klappt.

Wer Großes schaffen will, lässt auch den Schmerz außen vor. Wie geht es Ihrem Knie, welches sich bemerkbar machte?

Ein Start bei Olympia ist wohl nicht gefährdet. Dennoch hat die Verletzung alles über den Haufen geworfen, ein Schock und bitterer Beigeschma­ck bleibt nach dem MRT. Ich hatte mir im vierten Kampf eine Innenbandv­erletzung zugezogen und dennoch die restlichen Kämpfe durchgezog­en, obwohl ich die Verletzung sofort bemerkte. Mir war klar, dass da was kaputt ist und nicht nur eine Zerrung. Jetzt wäre eigentlich die absolute Vorbereitu­ng losgegange­n. Erst ein Trainingsl­ager auf Fuertevent­ura, dann eines in Japan. Das fällt alles flach, nächste Woche reise ich zur Reha nach Donaustauf. Dort wird alles daran gesetzt, dass das Knie hält. Natürlich werde ich in dieser Zeit das Karate nicht verlernen und mich versuchen, körperlich auf dem besten Level zu halten. Man muss es nehmen, wie es kommt. Im Leben geht nicht alles glatt. Mein Ziel bleibt trotzdem, nicht nur dabei zu sein, sondern meine beste Leistung abzurufen. Noch bleibt Zeit, das hinzukrieg­en. Dann sehen wir weiter.

Haben Sie mit ein paar Tagen Abstand realisiert, was ihnen in Paris gelungen ist?

Ein wenig, aber es wird noch ein bisschen dauern. Wenn die Einkleidun­g kommt, alles konkretisi­ert wird, dann wird es „klick“machen. Momentan liegt der Fokus ganz klar darauf, dass wir das Knie in den Griff bekommen. Ist die Teilnahme höher als mancher Titel zu bewerten?

Auf jeden Fall. Es ist nicht der größte Sieg, denn der ist mir bei der Heim-WM 2014 vor 14.000 Zuschauern in Bremen gelungen. Dort eine Medaille zu holen, war sensatione­ll, zumal alle dabei waren, die mich immer unterstütz­t haben. Aber groß ist er auf jeden Fall, denn die Teilnahme ist ein Fall für die Geschichte. Keiner weiß, wann Karate danach wieder bei Olympia zurückkomm­t.

Sie mussten acht Kämpfe absolviere­n, um den großen Traum zu erreichen. Gab es irgendwann Zweifel, es nicht zu schaffen?

Zweifel nicht. Aber im angesproch­enen vierten Kampf dachte ich kurz, es geht nicht weiter. Erst als der Mattenarzt gesagt hat – wenn du weiterkämp­fen willst, ist das ok – war ich erleichter­t. Er hätte auch entscheide­n können, dass ich aufgeben muss. Danach habe ich mich einfach nur noch durchgekäm­pft. Vor dem Finale hatten wir fast drei Stunden Zeit, da haben mir die Ärzte das Knie bandagiert und ‚totgesprit­zt‘. Ich war so gut ins Turnier gestartet, da wollte ich unter keinen Umständen aufgeben. Ich habe immer gesagt: ich ziehe das durch, nur der Gegner kann mich schlagen, der Körper nicht.

Ihre Szene erinnerte an den Film Karate Kid, als der Held des Films sich trotz böser Angriffe durchbiss und ein Turnier gewann…

Ich hatte brutale Schmerzen. Aber mein Ziel war greifbar nah, das Finale am Abend. Da hieß es, auf die Zähne zu beißen. Das Ziel ist größer als der Schmerz.

Welchen Stellenwer­t wird Olympia in Ihrer langen Karriere einnehmen?

Es ist ein absoluter Traum, dabei zu sein. Persönlich bin ich aber noch stolzer darauf, dass ich wieder auf das Leistungsn­iveau gekommen bin, dass ich vor drei, vier Jahren hatte. Erst das Tief, dann Corona – das waren Zeiten, in denen gar nichts mehr ging, wo ich angefangen habe, zu zweifeln. Oft habe ich mir ins Gewissen geredet, ob das alles noch Sinn macht. Aber innerlich habe ich nie aufgehört, daran zu glauben. Dass ich nun dabei bin, ist der größte Triumph, denn ich habe mir das mit harter Disziplin erarbeitet. Die Qualifikat­ion war kein Glück, sondern das Ergebnis konsequent­er Arbeit. Dass nun das Ticket rauskommt, ist überragend.

 ?? FOTO: FEDERICO PESTELLINI / IMAGO ?? Noah Bitsch (links) ließ dem Kasachen Nurkanat Azhikanov im Finalturni­er keine Chance und gewann mit 4:1 – der Grundstein für das Olympiatic­ket war gelegt.
FOTO: FEDERICO PESTELLINI / IMAGO Noah Bitsch (links) ließ dem Kasachen Nurkanat Azhikanov im Finalturni­er keine Chance und gewann mit 4:1 – der Grundstein für das Olympiatic­ket war gelegt.

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