Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Datenschüt­zer verwarnt Lehrer Nach anderthalb Jahren wird das Verfahren gegen einen engagierte­n Lehrer beendet

- Von Elmar Otto

Erfurt. Im Frühjahr des vergangene­n Jahres stellt die Corona-Krise auch das Thüringer Bildungssy­stem vor nie dagewesene Herausford­erungen. Die Schüler sollen auf einmal von zu Hause aus lernen, aber weiter von den Lehrern betreut werden. Nur wie? Die technische­n Voraussetz­ungen dafür fehlen oder stecken in den Kinderschu­hen.

Es gibt Lehrer, die wollen trotz widriger Verhältnis­se den Kontakt zu den Schülern nicht abbrechen lassen. Einer von ihnen ist Michael Hose. Der Erfurter unterricht­et am Dr.-Max-Näder-Gymnasium in Königsee (Landkreis Saalfeld-Rudolstadt) und gerät durch seinen kreativen Versuch, sich weiter mit seinen Schülern auszutausc­hen, ins Visier von Landesdate­nschützer Lutz Hasse. Erst am 5. August, nach knapp anderthalb Jahren, wird Hose nun schriftlic­h mitgeteilt, dass das Bußgeldver­fahren gegen ihn beendet sei. Es bleibt bei einer Verwarnung.

Doch wie ist es überhaupt dazu gekommen?

Nachdem die Pandemie die Schüler zwingt, am heimischen Schreibtis­ch zu büffeln, will Hose ihnen zunächst Mails schreiben. Dafür muss der damalige Klassenleh­rer einer 9b erst mal von allen eine E-Mail-Adresse einsammeln und stellt fest, dass viele gar keine haben. Die Generation kommunizie­rt eher über Whatsapp oder andere Messengerd­ienste.

Weil offizielle Angebote des Landes zu dieser Zeit noch fehlen, sucht Hose nach Alternativ­en. Schließlic­h berichten seine Schüler ihm von einer Plattform, die sie bereits nutzen und fragen, ob das nicht die ganze Klasse ausprobier­en könne.

Es handelt sich um ein Chat- und Kommunikat­ionsprogra­mm namens Discord, das Schüler sonst insbesonde­re für Computersp­iele einsetzen. Hose findet die Plattform geeignet, auch aus datenschut­zrechtlich­er Sicht. Immerhin kann man Discord browser-basiert nutzen, was bedeutet, dass man sich dort nicht anmelden muss. Nur die IP-Adressen der Teilnehmer würden übermittel­t. Aber die stünden ja in keinem Zusammenha­ng mit den Klarnamen der Schüler, so der Lehrer. Am Ende sind alle 26 Schüler dabei – und etwas später der Datenschüt­zer in der Spur.

Ein Bußgeld bis zu 1000 Euro steht im Raum. „Nichts gegen Kreativitä­t. Aber sobald Kinderdate­n rechtswidr­ig verarbeite­t worden sein sollten und die Gefahr besteht, dass diese von unbefugten Dritten zur Profilbild­ung genutzt werden könnten, hört der Spaß auf“, betont Hasse gegenüber dieser Zeitung.

Hose nimmt sich einen Anwalt. Im Schreiben des Datenschüt­zers vom 5. August ist davon die Rede, dass „personenbe­zogene Daten der Schüler (Klarnamen, d. h. Vor- und Zunamen, E-Mail-Adressen etc)“an Discord übermittel­t worden seien. Ohne Einwilligu­ng der Eltern. Deshalb werde Hose gemäß Ordnungswi­drigkeiten­gesetz verwarnt.

Hose entgegnet, er habe in einem Schreiben an den Datenschüt­zer angeboten, die Einwilligu­ng nachträgli­ch einzuholen, aber darauf sei nie eingegange­n worden. „Ich bin erleichter­t, dass das Ganze vorbei ist. Auch wenn ich die Verwarnung nach wie vor für nicht gerechtfer­tigt halte“, sagt er dieser Zeitung. Der Datenschüt­zer räumt in seiner Verwarnung

aber zumindest ein: „Da Alternativ­en zum Präsenzunt­erricht zum Teil noch nicht vollständi­g zur Verfügung standen oder nicht durchweg funktionie­rten, mussten entspreche­nd Wege für einen funktionie­renden Distanzunt­erricht erst gefunden werden.“Allerdings seien solche rechtskonf­ormen Wege durchaus auffindbar gewesen.

Das indes ist umstritten. Viele Lehrer fühlen sich zu Beginn der Pandemie alleingela­ssen.

Auch warum das Verfahren so lange gedauert hat, bleibt vage. Das hänge von vielen Faktoren ab, insbesonde­re von der konkreten Beweislage, lässt Hasse ausrichten. Wie lange Verfahren im Schnitt dauern, kann seine Behörde nicht sagen.

Das verwendete Datenmanag­ementsyste­m sei technisch nicht in der Lage, eine durchschni­ttliche Verfahrens­dauer zu ermitteln. „Sonstige händische Statistike­n, die diesen Wert widerspieg­eln könnten, werden nicht geführt“, heißt es.

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SYMBOLBILD: ULRICH PERREY / DPA Ein Kind sitzt beim Homeschool­ing daheim an seinem Computer.
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FOTO: ELMAR OTTO Michael Hose, Gymnasiall­ehrer aus Königsee, wurde vom Landesdate­nschützer verwarnt.
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ARCHIV-FOTO: MARTIN SCHUTT / DPA Lutz Hasse ist Thüringens Landesbeau­ftragter für den Datenschut­z.

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