Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Das Corona-Virus in Deutschland
Was wissen wir über die Ungeimpften?
Knapp 60 Prozent der Deutschen sind nach Angaben des RobertKoch-Instituts (RKI) vollständig geimpft, die Zahl der Menschen mit immerhin einer Impfung liegt demnach bei knapp 65 Prozent. Nachdem in Umfragen deutlich mehr Menschen angaben, bereits einmal geimpft zu sein, ist allerdings unklar, ob die tatsächliche Quote nicht bereits höher liegt. Mit anderen Worten: Sicher ist, dass höchstens 35 Prozent der Bevölkerung noch komplett ungeimpft sind.
Doch was heißt das für die Impfkampagne? Rund zehn Millionen Menschen in der Gruppe der Ungeimpften können gar nicht geimpft werden – weil sie jünger als zwölf Jahre sind und es noch keinen zugelassenen Impfstoff für sie gibt. Hinzu kommen diejenigen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können. Und die Übrigen?
Teilnehmer einer Corona-Demo in Berlin, die von der Querdenker-Bewegung initiiert wurde.
Wer ist Impfgegner, wer bloß Impfskeptiker oder allenfalls Impfmuffel? Wer ist noch erreichbar – und wenn ja, wie?
Was sagen Psychologen?
Eine der wichtigsten Studien zu dieser Frage ist die Cosmo-Langzeitstudie der Universität Erfurt, die unter anderem vom RKI und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung getragen wird. Die jüngsten Daten sind bemerkenswert: Sollten sich alle, die dazu bereit sind, auch tatsächlich impfen lassen, so ergäbe sich aus den Geimpften und den Impfbereiten eine Impfquote unter Erwachsenen zwischen 18 und 74 Jahren von 83 Prozent. Heißt im Umkehrschluss: Knapp 20 Prozent in dieser Gruppe sind eher nicht bereit, sich impfen zu lassen.
Die wichtigsten Gründe für die Impfverweigerer sind demnach erstens Zweifel an der Sicherheit der Impfung, zweitens die Annahme, man müsse sich nicht impfen lassen, wenn die anderen das tun, drittens die Annahme, dass Impfen überflüssig sei, und viertens der Eindruck, es gebe praktische Barrieren. Zehn Prozent aller Befragten wollen sich laut Studie auf keinen Fall impfen lassen, unter den Ungeimpften macht diese Gruppe in der jüngsten gungswelle 41 P zent aus. Beson ders in der Gruppe der älteren Befragten über 60 sind demnach fast alle Impfwilligen bereits geimpft; wer jetzt noch un geimpft ist, wolle auch eher nicht, ben die Studienautoren.
Sind also viele Ungeimpfte für das Projekt Herdenimmunität verloren? „Wir müssen in einer freien Gesellschaft damit leben, dass sich ein gewisser Prozentsatz der Bürgerinnen und Bürger freiwillig gegen eine Impfung entscheidet“, sagt
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer.
Die Forscher empfehlen, vor allem praktische Barrieren abzubauen und die Impfungen zu den Menschen zu bringen, statt umgekehrt darauf zu warten, ie von selbst komn. Konkret heißt s in der Studie: „Die folgenden Gruppen empfinden besonders Barrieren und werden vom aufsuchenden Impfen protieren: Jüngere, nner, Menschen indern, niedrigerer Bildung, Migrationshintergrund, Menschen, in deren Haushalt eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird, Menschen in Ostdeutschland.“
Wie es sich verbreitet, die aktuellen Todeszahlen, wo es die meisten Fälle gibt – auf unserer interaktiven Karte: tlz.de/klinik-monitor
Gibt es im Osten mehr Ungeimpfte? Ja. Vergleicht man die Impfquoten in den alten und den neuen Bundesländern, wird sichtbar: Der Osten liegt weit zurück. Während in Bremen Ende der Woche 68,7 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft waren, galt das in Sachsen nur für 50,4 Prozent. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), sieht einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen niedrigen Impfquoten und dem hohen Zuspruch für die AfD in diesen Regionen. Viele AfD-Funktionäre rieten vom Impfen ab.
Wo lassen sich die Unentschlossenen am besten erreichen?
„Wenn jetzt die meisten Impfzentren schließen, sollten als Ersatz mehr Pop-up-Impfstellen in den Fußgängerzonen, vor Kirchen und Moschen oder auch Freizeiteinrichtungen geschaffen werden“, so Ärztepräsident Reinhardt. „Wir sollten auch Sportvereine, Kulturvereine und die unterschiedlichen Glaubenseinrichtungen bei der Impfkampagne mit ins Boot holen.“