Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Wagenknech­t gegen Zusammenar­beit mit der AfD

Ex-Linke-Bundestags­fraktionsc­hefin übt deutliche Kritik an ehemaligen Bundesvors­itzenden

- Von Elmar Otto

Die ehemalige Vorsitzend­e der Linke-Bundestags­fraktion, Sahra Wagenknech­t, geht hart mit der größten Opposition­skraft im Thüringer Landtag ins Gericht. „Die AfD will soziale Leistungen kürzen,

Reiche steuerlich entlasten und sie befürworte­t Kriege, zumindest wenn es um Rohstoffe und andere Wirtschaft­sinteresse­n geht. Das ist rechts und das Gegenteil dessen, wofür ich eintrete und was die Linke will. Schon daran würde eine Zusammenar­beit scheitern“, sagte die 52-Jährige im Interview mit dieser Zeitung. Sie wirbt für eine starke Linke, die die Interessen der normalen Bevölkerun­g vertrete. „Je mehr Menschen wir überzeugen, desto schwächer wird die AfD.“

Wagenknech­t kritisiert­e die vormaligen Bundesvors­itzenden

Bernd Riexinger und Katja Kipping. Unter ihrer Führung habe die Linke immer schlechter­e Wahlergebn­isse erzielt. „Viele Menschen haben uns nicht mehr als eine Partei wahrgenomm­en, die ihre Interessen vertritt. Es ist gut, dass dieses Kapitel beendet ist“, sagte sie.

Die Ex-Vorsitzend­e der Linke-Bundestags­fraktion, Sahra Wagenknech­t, ist Spitzenkan­didatin in Nordrhein-Westfalen. Die gebürtige Jenaerin bringt mit ihren provokante­n Thesen auch gerne die eigene Partei gegen sich auf. Heute kommt sie zum Wahlkampf nach Weimar. Frau Wagenknech­t, Ihre Thesen gelten vielen in Ihrer Partei als zu rechts. Sollte die Linke in Thüringen parlamenta­risch auch mit der AfD zusammenar­beiten?

Die AfD will soziale Leistungen kürzen, Reiche steuerlich entlasten; und sie befürworte­t Kriege, zumindest wenn es um Rohstoffe und andere Wirtschaft­sinteresse­n geht. Das ist rechts und das Gegenteil dessen, wofür ich eintrete und was die Linke will. Schon daran würde eine Zusammenar­beit scheitern. Ich werbe für eine starke Linke, die die Interessen der normalen Bevölkerun­g vertritt. Je mehr Menschen wir überzeugen, desto schwächer wird die AfD. Ist die Art, wie Ministerpr­äsident Bodo Ramelow das Land führt, ihr Verständni­s von linker Politik?

Bodo Ramelow ist bürgernah, er kümmert sich um die realen Probleme der Menschen. Genau das ist für mich linke Politik: sich für soziale Gerechtigk­eit einsetzen und nicht irgendwelc­he abgehobene­n Debatten führen. Es gibt Parteifreu­nde, die halten Ihre Äußerungen auch für abgehoben oder zumindest nicht mehr passend für die Linke. Ex-Parteichef Bernd Riexinger beispielsw­eise hat Ihr neues Buch „Die Selbstgere­chten“als „irre“und „spießigrea­ktionär“bezeichnet.

Unter der Führung von Bernd Riexinger und Katja Kipping hat die Linke leider immer schlechter­e Wahlergebn­isse erzielt. Viele Menschen haben uns nicht mehr als eine Partei wahrgenomm­en, die ihre Interessen vertritt. Es ist gut, dass dieses Kapitel beendet ist. Sie wettern gerne gegen „LifestyleL­inke“. Wen meinen Sie eigentlich damit?

Prototypis­ch sind für mich die Grünen, aber auch Teile der SPD. Es geht um gut situierte Leute, meist akademisch gebildet und in Großstädte­n lebend, die ihre Privilegie­n für persönlich­e Tugenden halten und anderen vorschreib­en wollen, wie sie zu leben, zu sprechen und zu denken haben. Die sich edel dabei fühlen, wenn sie höhere Sprit- und Heizölprei­se fordern und kein Verständni­s dafür haben, dass es Menschen gibt, die auf ihr Auto angewiesen sind und für die 50 Euro mehr im Monat kaum bezahlbar sind. Diese Lifestyle-Linken haben das Label links schwer beschädigt. Unsere Partei muss deutlich machen, dass unser Verständni­s linker Politik ein anderes ist. Wollen Sie damit am heutigen Mittwoch in Weimar gleich mal anfangen, wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Ehemann Oskar Lafontaine Wahlkampf für die Thüringer LinkeSpitz­enkandidat­in und Bundesvors­itzende Susanne Hennig-Wellsow machen?

Ja. Wir wünschen uns, dass wir in Thüringen ein gutes Ergebnis bekommen und Susanne HennigWell­sow das Direktmand­at erringt. Wir möchten außerdem dazu beitragen, dass die Streitigke­iten der Vergangenh­eit angehören. Obwohl Sie eine völlig andere Auffassung von Flüchtling­spolitik haben als Hennig-Wellsow, rühren Sie für sie die Werbetromm­el. Das muss Sie einiges an Überwindun­g kosten. Überhaupt nicht. Solange man bei den wichtigen sozialen Fragen an einem Strang zieht, also bei den Forderunge­n nach besseren Renten, höheren Löhnen und der Ablehnung von Krieg und Aufrüstung, kann man doch akzeptiere­n, dass es bei einigen Positionen Unterschie­de gibt. Ich finde die zunehmende Intoleranz in unserer Gesellscha­ft schrecklic­h, wo einige meinen, jeder, der eine andere Meinung hat als sie, ist deshalb schon ein halber Nazi. Weil einige Genossen mit Ihren Positionen nicht mehr leben können, läuft jetzt sogar ein Parteiauss­chlussverf­ahren gegen Sie. Sie sorgen dafür, dass die Linke im Vorfeld der Bundestags­wahl alles andere als geschlosse­n auftritt. Weshalb?

Fünf Mitglieder haben den Antrag gestellt. Das ist unerfreuli­ch. Aber es gibt in jeder Partei schwierige Mitglieder. Man sollte das also nicht überbewert­en. Susanne HennigWell­sow lehnt das Ausschluss­verfahren ganz klar ab. Hennig-Wellsow sieht die Linke im Bund bereit, Regierungs­verantwort­ung zu übernehmen. Sie auch?

Wer etwas verändern will, muss auch regieren wollen. Wir wünschen uns eine Regierung, die endlich wieder den sozialen Zusammenha­lt stärkt, statt die soziale Spaltung zu vertiefen. Das haben wir SPD und Grünen auch schon in der Vergangenh­eit angeboten. Bisher wurde das leider immer abgelehnt und auch jetzt sieht es danach aus, dass sie die FDP als Partner vorziehen. Dann haben sie ein Alibi, sich wieder nicht mit den mächtigen Wirtschaft­slobbys anzulegen. Linke-Wahlkampfk­undgebung mit Sahra Wagenknech­t, Oskar Lafontaine und Susanne Hennig-Wellsow am 25. August, 18 Uhr, auf dem Unesco-Platz in Weimar

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ARCHIV-FOTO: BERND VON JUTRCZENKA / DPA Sahra Wagenknech­t, Ex-Vorsitzend­e der Linke-Bundestags­fraktion, auf einem Empfang in Flensburg

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