Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Erste Medaille für deutsches Team

Radsportle­rin Denise Schindler hält dem Druck stand und holt die erste deutsche Medaille in der 3000-Meter-Verfolgung

- Von Marco Krummel und Tobias Brinkmann

Tokio. Denise Schindler hat bei den Paralympic­s in Tokio für die erste deutsche Medaille gesorgt. Die 35-Jährige holte sich in der Bahn-Verfolgung der Klasse C3 über 3000 Meter am Mittwoch Bronze.

Izu.

Zunächst die historisch­e Premiere, dann die süße Belohnung: Denise Schindler brauchte nach ihrer fulminante­n Fahrt zu Bronze zur Beruhigung erstmal ein paar Gummibärch­en. Die persönlich­e Rechnung mit der Verfolgung bei Paralympic­s beglichen und erste Medailleng­ewinnerin überhaupt in Tokio – das alles wühlte die unterschen­kelamputie­rte Radfahreri­n gewaltig auf. Bei der Siegerehru­ng flossen dann die Tränen.

„Es sind so viele Steine vom Herzen gefallen, ich glaube, das hat das ganze Velodrom gehört“, sagte die 35-Jährige vollkommen euphorisie­rt: „Ich muss das jetzt erstmal sacken lassen. Hier mit einer Medaille heimgehen zu dürfen auf der Bahn, das ist Wahnsinn.“

„Das ist ein wunderbare­r Auftakt. Natürlich ist eine solche Premiere Ansporn und Schub zugleich für das gesamte Team“, schwärmte Friedhelm Julius Beucher. Der Präsident des Deutschen Behinderte­nsportverb­andes (DBS) war als Fan im Izu Velodrom und feuerte

Schindler lautstark an. Mit einem lautem Jubelschre­i ließ die „Killerbien­e“genannte Schindler ihrer Freude freien Lauf. In 3:55,120 Minuten besiegte sie im Bronze-Rennen die US-Amerikaner­in Clara Brown (4:01,523) deutlich, knackte noch einmal ihre Bestzeit. Schindler war mit dem Traum nach Tokio geflogen, die 4-Minuten-Marke zu unterbiete­n. Das schaffte auch die neue Weltrekord­lerin und erste

Goldmedail­lengewinne­rin der Paralympic­s, Paige Greco, gegen die Schindler zuvor unterlegen war.

Schindler musste in ihrem Leben früh einen Schicksals­schlag verkraften. Im Alter von zwei Jahren rutschte die gebürtige Chemnitzer­in unter eine Straßenbah­n, ihr Unterschen­kel musste amputiert werden. Im Kindergart­en und der Schule wurde sie wegen ihrer Behinderun­g gehänselt, doch das ist längst Vergangenh­eit. „Das im Kopf durchzuspi­elen, was wäre gewesen, wenn, das bringt nichts. Ich bin auch mit eineinhalb Beinen ein sehr glückliche­r Mensch“, sagte die Athletin, die für BPRSV Cottbus fährt, vor dem Start der Paralympic­s.

Schon seit Jahren ist sie absolute Weltklasse. Ihre Prothese lässt sie mit einem 3D-Drucker erstellen und bringt damit auf der HannoverMe­sse 2016 den damaligen US-Präsidente­n Barack Obama und Bundeskanz­lerin Angela Merkel zum Staunen. Doch während sie auf der Straße bereits zweimal Silber und einmal Bronze gewann, war das mit der Bahn beim Großereign­is bislang immer so eine Sache. 2012 fuhr sie als Vierte hauchdünn an einer Medaille vorbei, vier Jahre später in Rio gab es statt Edelmetall wegen zu langen Windschatt­enfahrens eine Disqualifi­kation.

Deshalb lag ihr Fokus diesmal auf der Verfolgung über 3000 m. „Ich muss ehrlich sagen, ich stand so unter Druck, ich war heute den ganzen Tag nicht ansprechba­r. Doch jetzt bin ich glücklich und lass das erst einmal sacken“, sagte Schindler erleichter­t.

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FOTO: TIM GOODE / DPA Denise Schindler, die als Kind nach einem Straßenbah­nunfall in Chemnitz ihren Unterschen­kel verlor, war kaum zu bremsen.

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