Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Viele Azubis bekommen weniger Geld
Umfrage legt Missstände während der Pandemie in der Ausbildung offen. Gewerkschaft befürchtet Fachkräftemangel
Die Corona-Krise hat in manchen Branchen offenbar zu einer Verschlechterung der beruflichen Ausbildung geführt. Da Ausbildungsinhalte während des Homeoffice nur teilweise vermittelt wurden, befürchtet mehr als jeder dritte Azubi (34,6 Prozent), seine Ausbildung nicht erfolgreich abschließen zu können. Am größten ist die Angst des Scheiterns in kleinen Betrieben. Dies hat eine Umfrage unter 1035 Auszubildenden im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ergeben.
Zudem kam es während der Pandemie zu deutlich mehr Verstößen der Arbeitgeber gegen Mindeststandards in der Ausbildung. So berichten 24,3 Prozent der Befragten, dass ihnen die Ausbildungsvergütung während der Pandemie gekürzt wurde. In kleineren Betrieben bis zu zehn Mitarbeitern waren sogar 37,9 Prozent davon betroffen. Zudem wurde jedem fünften Auszubildendem mindestens einmal der Urlaub gekürzt, obwohl dies nicht erlaubt ist.
Dass Azubis für ausbildungsfremde Tätigkeiten eingesetzt werden, darüber berichten in der Umfrage 26,3 Prozent. So mussten manche Auszubildende im Eventmanagement kellnern, andere zupften Unkraut, statt an der Hotelrezeption die Kunden zu bedienen. Zu Vor-Corona-Zeiten erzählten nur
12,1 Prozent von solchen fremden Einsätzen.
Gut jeder Zweite (52,9 Prozent) bemängelt die digitale Ausstattung der Berufsschulen. Im Homeoffice erhielten nur 35 Prozent der Auszubildenden alle Materialien und Geräte, die sie für ihre Ausbildung brauchten, jeder Fünfte bekam sogar gar keine Materialien zur Verfügung gestellt. Immerhin klappte die Zusammenarbeit mit den Berufsschullehrkräften. 70 Prozent berichteten, dass sie „immer“oder „häufig“als Ansprechpartner zur Verfügung standen.
Der DGB-Jugendreferent Joscha Wagner bezeichnete die Umfrageergebnisse als „alarmierend“. Er fordert mehr Kontrollen in den Ausbildungsbetrieben sowie eine unbefristete Übernahme nach der Ausbildung. 2020 wurden erstmals seit 40 Jahren weniger als
500.000 Azubi-Verträge abgeschlossen. Die DGB-Vizevorsitzende Elke Hannack fordert deshalb eine gesetzliche Ausbildungsgarantie: „Nach der Pandemie droht ein eklatanter Fachkräftemangel, wenn nicht mehr ausgebildet wird.“