Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Nachtfalter haben die feinste Nase
Schwedischer Biologieprofessor aus Jena schreibt Buch über die Welt der Gerüche
Jena.
Bill Hansson, einer der Leiter des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena, veröffentlicht heute sein faszinierendes populärwissenschaftliches Buch „Die Nase vorn: Eine Reise in die Welt des Geruchssinns“.
Welches Tier hat die feinste Nase?
Betrachtet man nur, wie empfindlich ein Tier auf Gerüche reagiert, dann sind es die Insekten. Die Nachtfalter, die sich gegenseitig aufgrund von Sexualpheromonen aussuchen, reagieren wohl schon auf Einzelmoleküle. Wir Menschen dagegen benötigen etwa 200 Millionen Moleküle pro Kubikzentimeter, um etwas zu riechen. Wir haben also eine sehr schlechte Nase?
Das würde ich nicht sagen. Ein Molekül ist ja wirklich eine winzige Menge. Aber die Hunde sind natürlich besser als wir Menschen. In der Ankündigung zu Ihrem Buch heißt es, ein Hund kann auf einem Gassigang die Nachrichten der vergangenen Tage erschnuppern. Wie kann man sich das vorstellen?
Wenn er schnüffelt, ist es im Prinzip nichts anderes, als wenn wir uns umgucken. Ein Hund sieht jedoch mit der Nase auch in die Vergangenheit. Er riecht zum Beispiel, ob vor ein paar Tagen eine läufige Hündin vorbeigekommen ist oder ein Alphamännchen, ein Reh oder ein Dachs. Das macht sich die Polizei zunutze, wenn sie Spürhunde einsetzt.
Genau. Es gibt inzwischen sogar Diabetes-Hunde, Borkenkäfer- und Covid-19-Hunde. Sie können auf alles Mögliche trainiert werden und erschnüffeln mittlerweile auch Krankheiten oder eben den Borkenkäferbefall von Bäumen. Sie haben auch zum Geruch von Neugeborenen geforscht, der von Frauen und Männern unterschiedlich wahrgenommen wird.
Neugeborene verströmen einen starken Geruch, da ihre Duftdrüsen eine starke Aktivität aufweisen. Nach einem halben Jahr werden die Drüsen jedoch runtergefahren, bis sie in der Pubertät dann wieder aktiviert werden. Wir stellten uns die Fragen, warum riechen Neugeborene, Zweijährige aber viel weniger.
Warum ist das so?
Wir haben herausgefunden, dass Männer diesen Geruchsunterschied sehr gut wahrnehmen können, Frauen dagegen nicht. Männer beschreiben den Geruch von neugeborenen Babys als süß und beruhigend. Möglicherweise hat der Duft, die Männer in der Steinzeit beruhigt, wenn sie von der Jagd heimkamen und aggressiv aufgeladen waren. Aber das ist nur eine persönliche Spekulation. Frauen können hingegen unglaublich gut den Geruch von Neugeborenen erlernen. Bekommt eine Frau ein Kind in den Arm gelegt, kann sie das Baby nach wenigen Minuten unter zwanzig anderen am Geruch erkennen. Wie haben eigentlich unsere Vorfahren einst gerochen?
Es kommt darauf an, wie weit man zurückgeht. Aber sie haben sicherlich einen stärkeren Eigengeruch ausgestrahlt. Unsere heutigen Gepflogenheiten sind ziemlich unnatürlich. Im Mittelalter dagegen war Wasser noch gefährlich. Von Wasser wurde man krank. Man wusch sich weniger, trank es nicht, sondern stattdessen Bier und Wein. Eigentlich gehört der Mensch zu den Tieren, die am meisten riechen. In unserer Haut sitzen überall apokrine Hautdrüsen, besonders unter den Achseln oder im Bereich der Geschlechtsorgane. Seit wann versuchen wir, unseren natürlichen Geruch zu unterdrücken?
Die Auffassung, arme oder primitive Leute riechen, entstand im 17. Jahrhundert in Frankreich. Der Adel grenzte sich so mit Parfüm und häufigerem Waschen von Volk ab. Aber wir empfinden ja wirklich einen Widerwillen, wenn jemand sehr stark ausdünstet.
Das ist aber meistens erlernt. Haben Sie Ihr Buch auf Deutsch oder auf Schwedisch geschrieben?
Weder noch. Auf Englisch. Es wurde danach von einem Übersetzer ins Deutsche übertragen.