Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
„Dieser Schmerz bleibt bis zum Tod“
Emotionaler Prozessauftakt nach Gardasee-Unfall, bei dem ein junges italienisches Pärchen im Segelboot getötet wurde. Deutscher bittet vor Gericht um Entschuldigung
Brescia.
Mit leiser Stimme bittet der Angeklagte um Verzeihung. Es ist still im Palazzo di Giustizia von Brescia, wo der Deutsche zu den Eltern von Greta Nedrotti spricht, vor denen ein Strauß mit 25 weißen Rosen liegt. 25 Jahre alt war Greta, als sie in einer Juninacht auf dem Gardasee zusammen mit ihrem Freund Umberto Garzarella (37) von einem Motorboot überfahren wurde und starb. „Es tut mir von Herzen leid“, sagt der wegen fahrlässiger Tötung angeklagte Mann. Seine Frau steht daneben und weint.
Die Hinterbliebenen in Italien trauern seit fast fünf Monaten. In diesem Moment überwiegt bei ihnen die Empörung. „Haben Sie kein Gewissen?“, fragt jemand der mehr als zwei Dutzend Familienangehörigen und Freunde, die zum Prozessauftakt nach Brescia gekommen ind. Er selbst könne nicht mehr schlafen, erzählt der Deutsche, der in Italien unter Hausarrest steht, vorsichtig. „Meinen Sie denn, wir können schlafen?“, ruft jemand. „Und wo ist eigentlich Ihr Freund?“Einige Anwesende klatschen. Der zweite deutsche Angeklagte ist zum Prozessauftakt nicht erschienen.
Der romantische Bootsausflug eines frisch verliebten jungen Paares ging in einer warmen Juninacht auf tragischste Weise zu Ende. Nach einem besonderen Festtag am 19. Juni wollten Unternehmer Umberto Garzarella (37) und seine Freundin Greta Nedrotti (25) mit ihrem kleinen Segelboot auf die andere Seite des Sees. Dort kamen die beiden aber nie an.
Das Drama dürfte sich auf der Strecke zwischen den Urlaubsortschaften Saló und San Felice del Benaco ereignet haben: Die mächtige Riva-Yacht „Orso“mit zwei Münchnern an Bord raste bei hoher Geschwindigkeit über das Holzboot der beiden Verlobten hinweg, überrollte es buchstäblich. Die beiden Männer fuhren weiter – ohne zu helfen. Auf Überwachungsvideos ist zu sehen, wie das Motorboot regelrecht über das Holzboot springt. Die Deutschen gaben bei der Befragung der Polizei an, dass sie von Treibholz ausgegangen seien. Umbertos Vater erzählte, dass er am Sonntagmorgen das Holzboot seines Sohnes bei einem Spaziergang am See gesehen, sich aber nichts dabei gedacht habe.
Mit Versicherung auf
Entschädigung geeinigt
Einige Details dieses furchtbaren Samstagabends waren zuletzt bereits an Medien durchgesickert. Nun werden sie im Strafprozess in Brescia verhandelt. Dem Angeklagten droht eine Haftstrafe von fünf Jahren. Nach der kurzen Auftaktsitzung soll es am 16. Dezember die ersten Zeugenbefragungen geben. Zunächst sind neun Verhandlungstage
bis März anberaumt. Der Richter kündigte an, dass in dem Verfahren möglicherweise nicht alle Termine benötigt werden.
„Wir haben nichts mehr“, weint Gretas Mutter, die ihre einzige Tochter verloren hat. Ein Unfall könne passieren, räumt daraufhin Enzo Garzarella, Umbertos Vater, ein. Unfassbar sei aber, dass die beiden Motorboot-Insassen kurz nach dem Unfall und ersten Polizeibefragungen kommentarlos und ohne persönliches Treffen nach Deutschland zurückgekehrt seien. „Dann einfach abzuhauen ...“, schimpft Garzarella. „Hier geht es um Demut.“
Als kurze Zeit später ein europäischer Haftbefehl ausgestellt wurde, stellte sich einer der beiden Deutschen – der mutmaßliche Bootslenker an jenem Abend – der Polizei in einer Nacht-und-Nebel-Aktion am Brenner. Er kam in U-Haft.
Die Hinterbliebenen hatten sich zuvor als Nebenkläger zurückgezogen, nachdem sie sich mit einer deutschen Versicherung auf die Zahlung einer Entschädigungssumme geeinigt hatten. „Das Geld bringt uns Greta nicht zurück“, sagt ihre Mutter. „Dieser Schmerz bleibt mir bis zum Tod“, fügt Enzo Garzarella hinzu.