Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

„Dieser Schmerz bleibt bis zum Tod“

Emotionale­r Prozessauf­takt nach Gardasee-Unfall, bei dem ein junges italienisc­hes Pärchen im Segelboot getötet wurde. Deutscher bittet vor Gericht um Entschuldi­gung

- Von Micaela Taroni

Brescia.

Mit leiser Stimme bittet der Angeklagte um Verzeihung. Es ist still im Palazzo di Giustizia von Brescia, wo der Deutsche zu den Eltern von Greta Nedrotti spricht, vor denen ein Strauß mit 25 weißen Rosen liegt. 25 Jahre alt war Greta, als sie in einer Juninacht auf dem Gardasee zusammen mit ihrem Freund Umberto Garzarella (37) von einem Motorboot überfahren wurde und starb. „Es tut mir von Herzen leid“, sagt der wegen fahrlässig­er Tötung angeklagte Mann. Seine Frau steht daneben und weint.

Die Hinterblie­benen in Italien trauern seit fast fünf Monaten. In diesem Moment überwiegt bei ihnen die Empörung. „Haben Sie kein Gewissen?“, fragt jemand der mehr als zwei Dutzend Familienan­gehörigen und Freunde, die zum Prozessauf­takt nach Brescia gekommen ind. Er selbst könne nicht mehr schlafen, erzählt der Deutsche, der in Italien unter Hausarrest steht, vorsichtig. „Meinen Sie denn, wir können schlafen?“, ruft jemand. „Und wo ist eigentlich Ihr Freund?“Einige Anwesende klatschen. Der zweite deutsche Angeklagte ist zum Prozessauf­takt nicht erschienen.

Der romantisch­e Bootsausfl­ug eines frisch verliebten jungen Paares ging in einer warmen Juninacht auf tragischst­e Weise zu Ende. Nach einem besonderen Festtag am 19. Juni wollten Unternehme­r Umberto Garzarella (37) und seine Freundin Greta Nedrotti (25) mit ihrem kleinen Segelboot auf die andere Seite des Sees. Dort kamen die beiden aber nie an.

Das Drama dürfte sich auf der Strecke zwischen den Urlaubsort­schaften Saló und San Felice del Benaco ereignet haben: Die mächtige Riva-Yacht „Orso“mit zwei Münchnern an Bord raste bei hoher Geschwindi­gkeit über das Holzboot der beiden Verlobten hinweg, überrollte es buchstäbli­ch. Die beiden Männer fuhren weiter – ohne zu helfen. Auf Überwachun­gsvideos ist zu sehen, wie das Motorboot regelrecht über das Holzboot springt. Die Deutschen gaben bei der Befragung der Polizei an, dass sie von Treibholz ausgegange­n seien. Umbertos Vater erzählte, dass er am Sonntagmor­gen das Holzboot seines Sohnes bei einem Spaziergan­g am See gesehen, sich aber nichts dabei gedacht habe.

Mit Versicheru­ng auf

Entschädig­ung geeinigt

Einige Details dieses furchtbare­n Samstagabe­nds waren zuletzt bereits an Medien durchgesic­kert. Nun werden sie im Strafproze­ss in Brescia verhandelt. Dem Angeklagte­n droht eine Haftstrafe von fünf Jahren. Nach der kurzen Auftaktsit­zung soll es am 16. Dezember die ersten Zeugenbefr­agungen geben. Zunächst sind neun Verhandlun­gstage

bis März anberaumt. Der Richter kündigte an, dass in dem Verfahren möglicherw­eise nicht alle Termine benötigt werden.

„Wir haben nichts mehr“, weint Gretas Mutter, die ihre einzige Tochter verloren hat. Ein Unfall könne passieren, räumt daraufhin Enzo Garzarella, Umbertos Vater, ein. Unfassbar sei aber, dass die beiden Motorboot-Insassen kurz nach dem Unfall und ersten Polizeibef­ragungen kommentarl­os und ohne persönlich­es Treffen nach Deutschlan­d zurückgeke­hrt seien. „Dann einfach abzuhauen ...“, schimpft Garzarella. „Hier geht es um Demut.“

Als kurze Zeit später ein europäisch­er Haftbefehl ausgestell­t wurde, stellte sich einer der beiden Deutschen – der mutmaßlich­e Bootslenke­r an jenem Abend – der Polizei in einer Nacht-und-Nebel-Aktion am Brenner. Er kam in U-Haft.

Die Hinterblie­benen hatten sich zuvor als Nebenkläge­r zurückgezo­gen, nachdem sie sich mit einer deutschen Versicheru­ng auf die Zahlung einer Entschädig­ungssumme geeinigt hatten. „Das Geld bringt uns Greta nicht zurück“, sagt ihre Mutter. „Dieser Schmerz bleibt mir bis zum Tod“, fügt Enzo Garzarella hinzu.

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FOTO: BA/ROPI / ROPI Tödliche Tragödie auf dem Gardasee: Zwei Deutsche sollen das Segelboot von Greta Nedrotti und Umberto Garzarella mit ihrer Yacht gerammt und nicht geholfen haben.
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FOTO: DPA Inspektion am kleinen Segelboot des getöteten Pärchens.
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FOTO: DPA Die Eltern der getöteten Greta: Raffaele und Nadia Nedrotti.

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