Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Kunstsammlung Jena zeigt Arbeiten von 17 Mitgliedern des Verbandes Bildender Künstler
Gera.
Das mache erst einmal einer oder eine nach: traumhaft sicher und mit zu Herzen gehendem, seelenvollem Ton durch unbekanntes, klippenreiches Terrain zu steuern. Das Kunststück gelang in dieser Woche der Solistin beim 3. Abonnementskonzert des Philharmonischen Orchesters Altenburg-Gera, als Mieczyslaw Weinbergs 1948 komponiertes Cellokonzert in cMoll auf dem Programm stand.
Das ist aber noch nicht alles: Die reich mit Beifall bedachte Südkoreanerin Seo Young Lee – zweifellos eine Musikerin von außerordentlichem Rang – kommt auch noch aus den eigenen Reihen, ist seit 2020 in Ostthüringen als Solocellistin verpflichtet. Die Zugabe – ein vor Raffinesse strotzender Sonatensatz des Bach-Zeitgenossen Francesco Xaverio Geminiani – bestritt sie gemeinsam mit ihrem Cello-Kollegen Friedemann Herfurth.
Mit der Sinfonietta Nr. 2 op. 74 war im Geraer Konzertsaal ein weiteres Werk Weinbergs zu hören, der 1939 aus seiner polnischen Heimat in die Sowjetunion floh und später auch dort blieb. Außerdem erklangen noch die seinerzeit für ein Komponisten-Schulwerk geschaffenen fünf Stücke für Streichorchester von Paul Hindemith. In beiden Fällen war es wie im Cellokonzert: Die Interpreten gingen unter einem so entfesselt wie präzise agierenden Chefdirigenten Ruben Gazarian so vehement zur Sache, dass es schwerfiel, zu einem klaren Urteil über die Noten zu kommen, die auf den Pulten lagen. So manche behäbig hin und her gewendete Passage bei Hindemith, manche etwas skizzenhaft oder leicht ausrechenbar anmutende Wegstrecke bei Weinberg bekamen dank des an den Tag gelegten Temperaments und des wunderbar fließenden Streichertons ungeahnten Schwung und Glanz.
Jena.
Das aktuelle Ausstellungsprojekt des Jenaer Kunstvereins widmet sich ab heute und bis zum 16. Januar der Rolle des Formats im künstlerischen Schaffensprozess. Denn ob ein Kunstwerk kleine oder große Abmessungen haben soll, ist anfangs vom Künstler genauso zu beantworten, wie die Frage nach Form, Material und Technik. Der Betrachter nimmt zwar Vorlieben wahr, stellt sich aber selten die Fragen nach dem Warum und was sie über den Schaffenden verraten. Doch immer betont die Form auch den Inhalt.
Zwischen Miniatur und monumentalem Werk spannt sich ein breites Feld. Darauf will die Ausstellung „Alles eine Frage des Formats?!“nun explizit eingehen. Die alljährlich organisierte Mitgliederausstellung des Verbandes Bildender Künstler Thüringen findet zum Thema Format diesmal als Doppelausstellung statt. Von den gut 330 Verbandsmitgliedern hatten sich 70 beworben und wurden 54 ausgewählt. Davon präsentiert das Kunstforum Gotha seit dem 8. Oktober 37 Thüringer Kunstschaffende, im Stadtspeicher in Jena kommen nun 17 weitere hinzu.
Die Aufteilung der Orte war eine kuratorische Entscheidung. „Im über 600 Jahre alten Stadtspeicher in Jena können keine übergroßen Arbeiten gezeigt werden. Das ist im Kunstforum Gotha mit seinen mobilen Stellwänden zwar möglich, dort gibt es aber durch das Schienensystem Einschränkungen bei der Hängung von Kleinformaten“, erklärt Kuratorin Conny Dietrich, die deshalb empfiehlt, beide Ausstellungsorte zu besuchen.
Bunt und vielfältig präsentiert sich die Schau auf den zwei Etagen in Jena. Reinhard Mietzger (1958) beispielsweise zeigt vier von 1300 Blättern seines Zehn-Jahres-Projekt „Tag aus“. An jedem Tag entsteht eine Grafik – Zeichnungen, Texte, Worte, Zahlen, ein individuelles Kalendarium. Die feste Größe dabei ist das Format A4, das ihn zur Komprimierung der Informationen zwingt.
Axel H. Betram (1942) wiederum stellt einer kleinformatigen Kaltnadelradierung eine großformatige Kohlezeichnung gegenüber – nahezu ähnliches Motiv, aber anderes Format und andere Wirkung.
Auch Ute Herre (1955) experimentiert mit Größen und zeigt in der Ausstellung „Rhytisma Acerinum“, 24 Ahornblätter und deren Fragmente, die in handgeschöpftem Papier auf ein Vlies angeordnet hat – eine Variation der Einzelelemente in einer Reihung. Dazu zeigt sie in einer zweiten Arbeit ein überdimensionales Ahornblatt, so dass beides auf den Betrachter wirken kann.
Auch Stefan Böhm (1975) ist mit drei Steinskulpturen vertreten. Er sammelt sein Material in Brüchen in Thüringen, die nicht mehr bedient werden. Sein Format gibt also der Stein vor. Klein und zart wirken dagegen die Buntstiftzeichnungen von Regina Aschenbach (1951), auf denen sie im Format 21 mal 21 Zentimeter vergrößerte Pollen von Veilchen, Ingwer, Zitrone und Wegwarte zeigt.
Wegen ihres Ausmaßes von 280 mal 370 Zentimeter fallen Katrin König (1968) mit ihrer installativen Druckgrafik ins Auge, aber auch Nadine Jacobi (1977), deren 22 A3Zeichnungen von einem mikroskopierten
Zwei Farbholzschnitte der Erfurter Künstlerin Monika Matthes.
Bleistiftstrich sich durch den halben Raum ziehen.
Die Fragen nach Format und Normierungen beschäftigen Thomas Prochnow (1978) schon seit seinem Studium. „Ich entwickelte den Ehrgeiz, das Standardformat DIN A4 aus dem Papier heraus in etwas Skulpturales zu übersetzen.“Über die Jahre kamen noch andere Größen hinzu. In Jena präsentiert er „DIN Holzbilder“zwischen A3 und A6, zusammengesetzt aus Fundstücken zu einem unregelmäßigen bunten Wandteppich aus Holzresten.
Daneben stellt Thomas Offhaus (1967) seine neun jeweils 50 mal 50 Zentimeter großen Platten aus, die jedes Material und Motiv zulassen und keiner formalen Stilistik untergeordnet sind. 140 Platten hat Offhaus schon geschaffen – in jeweils unterschiedlicher Hängung bilden sie einen immer anderen Kontext und denkbaren Zusammenhang.