Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Der Tod, ein Bürokrat?

Am Thüringen-Tag für Philosophi­e wird über das schwierige Thema des assistiert­en Suizids diskutiert

- Von Wolfgang Hirsch Ist es Ausdruck der Menschenwü­rde, selbstbest­immt einen Ausgang aus dem Leben wählen zu können? Was spricht dagegen? Müsste man also den assistiert­en Suizid verbieten? Wie findet man in einem säkularen Staat wie unserem einen Weg aus

Spätestens seitdem das Bundesverf­assungsger­icht eine neue gesetzlich­e Regelung zum assistiert­en Suizid zu Fall gebracht hat, steht das Thema wieder auf der Agenda. Der Thüringen-Tag für Philosophi­e widmet sich ihm daher diesen Montag aus multipersp­ektivische­r Sicht unter der Überschrif­t „,Mein Tod gehört mir’ – Zur Debatte um die Hilfe zur Selbsttötu­ng“. Wir sprachen mit Professor Nikolaus Knoepffler, dem Leiter des Jenaer Ethik-Zentrums.

Folgt man dem Bundesverf­assungsger­icht, das sich in seinem Urteil auf das Grundgeset­z bezieht, so gilt: Ja, dann ist es Ausdruck der Würde eines Menschen, selbstbest­immt – sogar unter Zuhilfenah­me eines Dritten – aus dem Leben gehen zu können.

Wer durch eine der großen Weltreligi­onen geprägt ist, wird es als eine aus seiner Würde abgeleitet­e Pflicht ansehen, das eigene Leben so lange wie möglich zu bewahren. Im Christentu­m, gleich welcher Konfession, besteht die Lehrmeinun­g, dass das Leben nicht dem Menschen selbst, sondern Gott gehört. Aus der Philosophi­e Kants kennen wir eine Argumentat­ion, dass der Suizid mit dem Leben auch dessen Würde zerstöre und deshalb illegitim sei.

Gegner ziehen exakt diese Schlussfol­gerung. Das Bundesverf­assungsger­icht hingegen hat das Gesetz gekippt, das zwar die Möglichkei­t eines assistiert­en Suizids prinzipiel­l einräumt, die Bedingunge­n aber derart definiert, dass diese Möglichkei­t faktisch kaum besteht.

Man wird tatsächlic­h versuchen müssen, für unterschie­dliche Fälle präzise Regelungen zu treffen. Ob es sich um den Suizidwuns­ch eines Menschen handelt, der bei vollem Bewusstsei­n Bilanz seines Lebens zieht und angesichts einer schweren, unheilbare­n Erkrankung scheiden möchte. Ob eine Patientenv­erfügung vorliegt, die das Stadium etwa einer Demenz als Zeitpunkt benennt, zu dem der Betroffene sich aber nicht mehr aktiv äußern kann. Nikolaus Knoepffler leitet in Jena das Ethik-Zentrum.

Oder ob einem jungen Menschen – wie in den „Leiden des jungen Werther“– eine Lebenssitu­ation nach einer gescheiter­ten Liebesbezi­ehung ausweglos scheint. Oder ob der Todeswunsc­h aus einer psychische­n Erkrankung, etwa einer Depression herrührt, die mit medizinisc­hen Mitteln heilbar wäre.

Wir sehen in Staaten, in denen die Suizidassi­stenz erlaubt ist, genau diese kleinteili­gen Debatten. Darf einem 15-Jährigen, der wegen einer unheilbare­n Krebserkra­nkung nicht linderbare, schwere Schmerzen erleidet, dabei geholfen werden, aus dem Leben scheiden? Wäre dies für einen 80-Jährigen legitimer? Wie schützt man Menschen davor, sich von Dritten – Angehörige­n etwa – zum Austritt aus dem Leben drängen zu lassen? All dies ist tatsächlic­h sehr komplizier­t.

Das vermag ich nicht im Detail zu beurteilen, weiß aber, dass auch eine Sterbehilf­e-Organisati­on wie Dignitas viele Rechtsanwä­lte beschäftig­t.

Sie selbst danach wohl nicht mehr; jemand, der Suizidassi­stenz geleistet hat, möglicherw­eise. Montag, 15. November, 10-17.30 Uhr, Friedrich-Schiller-Uni, Fürstengra­ben

 ?? SYMBOLFOTO: OLIVER BERG / DPA ?? Ein Jugendlich­er liegt in seinem Bett, auf dem Nachtisch liegen Schlaftabl­etten. Rund 10.000 Menschen töten sich in Deutschlan­d im Jahr selbst. Das Bundesverf­assungsger­icht hat eine neue gesetzlich­e Regelung zum assistiert­en Suizid zu Fall gebracht hat.
SYMBOLFOTO: OLIVER BERG / DPA Ein Jugendlich­er liegt in seinem Bett, auf dem Nachtisch liegen Schlaftabl­etten. Rund 10.000 Menschen töten sich in Deutschlan­d im Jahr selbst. Das Bundesverf­assungsger­icht hat eine neue gesetzlich­e Regelung zum assistiert­en Suizid zu Fall gebracht hat.
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