Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Der Tod, ein Bürokrat?
Am Thüringen-Tag für Philosophie wird über das schwierige Thema des assistierten Suizids diskutiert
Spätestens seitdem das Bundesverfassungsgericht eine neue gesetzliche Regelung zum assistierten Suizid zu Fall gebracht hat, steht das Thema wieder auf der Agenda. Der Thüringen-Tag für Philosophie widmet sich ihm daher diesen Montag aus multiperspektivischer Sicht unter der Überschrift „,Mein Tod gehört mir’ – Zur Debatte um die Hilfe zur Selbsttötung“. Wir sprachen mit Professor Nikolaus Knoepffler, dem Leiter des Jenaer Ethik-Zentrums.
Folgt man dem Bundesverfassungsgericht, das sich in seinem Urteil auf das Grundgesetz bezieht, so gilt: Ja, dann ist es Ausdruck der Würde eines Menschen, selbstbestimmt – sogar unter Zuhilfenahme eines Dritten – aus dem Leben gehen zu können.
Wer durch eine der großen Weltreligionen geprägt ist, wird es als eine aus seiner Würde abgeleitete Pflicht ansehen, das eigene Leben so lange wie möglich zu bewahren. Im Christentum, gleich welcher Konfession, besteht die Lehrmeinung, dass das Leben nicht dem Menschen selbst, sondern Gott gehört. Aus der Philosophie Kants kennen wir eine Argumentation, dass der Suizid mit dem Leben auch dessen Würde zerstöre und deshalb illegitim sei.
Gegner ziehen exakt diese Schlussfolgerung. Das Bundesverfassungsgericht hingegen hat das Gesetz gekippt, das zwar die Möglichkeit eines assistierten Suizids prinzipiell einräumt, die Bedingungen aber derart definiert, dass diese Möglichkeit faktisch kaum besteht.
Man wird tatsächlich versuchen müssen, für unterschiedliche Fälle präzise Regelungen zu treffen. Ob es sich um den Suizidwunsch eines Menschen handelt, der bei vollem Bewusstsein Bilanz seines Lebens zieht und angesichts einer schweren, unheilbaren Erkrankung scheiden möchte. Ob eine Patientenverfügung vorliegt, die das Stadium etwa einer Demenz als Zeitpunkt benennt, zu dem der Betroffene sich aber nicht mehr aktiv äußern kann. Nikolaus Knoepffler leitet in Jena das Ethik-Zentrum.
Oder ob einem jungen Menschen – wie in den „Leiden des jungen Werther“– eine Lebenssituation nach einer gescheiterten Liebesbeziehung ausweglos scheint. Oder ob der Todeswunsch aus einer psychischen Erkrankung, etwa einer Depression herrührt, die mit medizinischen Mitteln heilbar wäre.
Wir sehen in Staaten, in denen die Suizidassistenz erlaubt ist, genau diese kleinteiligen Debatten. Darf einem 15-Jährigen, der wegen einer unheilbaren Krebserkrankung nicht linderbare, schwere Schmerzen erleidet, dabei geholfen werden, aus dem Leben scheiden? Wäre dies für einen 80-Jährigen legitimer? Wie schützt man Menschen davor, sich von Dritten – Angehörigen etwa – zum Austritt aus dem Leben drängen zu lassen? All dies ist tatsächlich sehr kompliziert.
Das vermag ich nicht im Detail zu beurteilen, weiß aber, dass auch eine Sterbehilfe-Organisation wie Dignitas viele Rechtsanwälte beschäftigt.
Sie selbst danach wohl nicht mehr; jemand, der Suizidassistenz geleistet hat, möglicherweise. Montag, 15. November, 10-17.30 Uhr, Friedrich-Schiller-Uni, Fürstengraben