Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
In Treffurt wird am Volkstrauertag eine Gedenktafel enthüllt, die an ein Unglück an der Werrabrücke erinnert
Treffurt.
War es die Fahrt zu Fleischer und Bäcker auf dem holprigen Treffurter Pflaster, die am 12. Mai 1988, an Christi Himmelfahrt, das Schicksal zweier Familien auf tragische Weise wendete?
Zwei junge Grenzsoldaten, Jens Förderung, geboren in Bad Langensalza, und Olaf Kurz, vermutlich aus Eisenhüttenstadt, sterben an diesem Tag, als an der alten Werrabrücke in Treffurt ein Lkw-Kipper das Brückengeländer durchbricht und ins Wasser stürzt. Nach 12 Minuten können sie nur tot aus dem Führerhaus geborgen werden.
Noch heute – 32 Jahre nach dem Mauerfall – ist dieser Unfall vielen Menschen schlicht unbekannt, natürlich wurden solche Vorfälle im Grenzgebiet der DDR so gut es ging geheimgehalten.
Andreas Göllner aus Eisenach besitzt zwei Fotografien von diesem Unfall, mit denen er sich vor gut einem Jahr auf den Weg zu Treffurts Bürgermeister Michael Reinz (parteilos) macht. Göllner kennt zu der Zeit keine Details. Aber er will eines erreichen: die Erinnerung an Menschen aufrecht erhalten, die durch die innerdeutsche Grenze gestorben sind. „Es sind so viele gewesen, die individuell oder direkt, aber nicht nur bei Republikflucht ums Leben kamen.“
Dazu gehören auch diese zwei Grenzsoldaten, erzählt er im Büro des Bürgermeisters, ihm gegenüber sitzt Erich Petke aus Treffurt.
Erinnern an Opfer der Weltkriege und des Kalten Krieges
Gemeinsam haben sich die drei Männer auf den Weg gemacht, Licht ins Dunkel dieses Unglücks zu bringen, um an das Schicksal der jungen Soldaten im Alter von 23 und 20 Jahren erinnern. Zum Volkstrauertag an diesem Sonntag wird eine Tafel mit ihren Namen enthüllt. In Treffurt gedenkt man nicht nur der Opfer beider Weltkriege, sondern auch derer, die im Kalten Krieg ihr Leben lassen mussten.
Petke, von 1983 bis zur Auflösung der Grenztruppen Kompaniechef und nach der Umbenennung Leiter der Grenzwache in Treffurt, hat aufgrund seiner privaten Aufzeichnungen und Erinnerungen Details zu dem Unfall zusammengetragen.
Am 12. Mai 1988 sollten Pionierarbeiten zur Teilerneuerung von Elementen der Grenzanlagen im damaligen Grenzabschnitt 3 erfolgen. Da es sich, berichtet der damalige Kompaniechef, um kleinere Arbeiten von geringerer Dimension
Die zwei jungen Soldaten können sich aus dem Führerhaus nicht selbstständig befreien.
handelte, seien nur Kräfte des Pionierzuges der sogenannten Kompanie zur Sicherstellung der Grenzsicherung des ersten Grenzbataillons mit Stationierung in Hildebrandshausen eingesetzt worden. Im Bereich des Badelachenwegs in Treffurt zirka 450 Meter linksseitig der Werra und zirka 900 Meter vor der Grenzlinie zur Bundesrepublik war geplant, ein moderneres Tor im Grenzsperrzaun zu bauen.
Für die neuen Torpfosten wurde Fertigbeton benötigt, der aus dem Betonwerk des Eisenacher Baustoffkombinates geholt werden musste. Diesen Auftrag bekamen Jens Förderung als Militärkraftfahrer und Unteroffizier Olaf Kurz. Beide fuhren dorthin, hatten aber auf der Rückfahrt deutlich mehr Beton geladen, als für das Fahrzeug zugelassen war.
Die zwei Soldaten bogen nach einer problemlosen Rückfahrt bis Treffurt aber nicht in Richtung Baustelle ab, sondern fuhren in die Stadt, hielten beim Fleischer in der Ecke Schulstraße/Puschkinstraße und beim Bäcker am Marktplatz an. Dann wollten sie zurückkehren.
Die damalige zur Brücke führende Eisenacher Straße war etwas abschüssig und unmittelbar am rechten Straßenrand vor der Brückenauffahrt befand sich eine Delle. Es folgte eine Verkettung unglücklicher Umstände. Das rechte Vorderrad brach, der Lkw war in der Folge steuerungslos und durchbrach das
Das Wrack des Lkw wird geborgen. An die darin verunglückten jungen Soldaten soll nun erinnert werden.
Brückengelände. Erich Petke geht davon aus, dass das Zusammenwirken der Delle, das notwendige Abbremsen vor der Auffahrt auf die Brücke und die daraus resultierende Lastenverschiebung des Betons zum Bruch der vorderen Radaufhängung geführt haben, auch ein Bruch des Schwenklagergehäuses der Vorderachse könnte in Betracht kommen.
Nachdem der Lkw das Brückengeländer durchbrochen hatte, blieb das Fahrzeug mit dem Heck auf einem Brückenpfeiler hängen, wogegen das Fahrerhaus in das gut 1,50 Meter tiefe Wasser der Werra eintauchte.
Für die Soldaten gab es keine Rettung. „Sie sind ertrunken“, erzählt
Erich Petke, der den Obduktionsbericht kennt. Der bedauerliche Tod sei als Dienstunfall ohne eigenes Verschulden gewertet worden.
Zum Gedenken am Sonntag kommen Geschwister von Jens Förderung, die ebenso wie der Vater, der noch vor seinem Tod von der Idee der Gedenktafel erfahren hat, froh sind, dass die drei Männer helfen, dass der Tod des Sohnes und Bruders nicht vergessen wird. Zu Angehörigen von Olaf Kurz haben sie bisher leider keinen Aufschluss bekommen.