Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Schnelle Hilfen für den Notfall
Im Januar wird in Gotha die 20. Kinderschutzgruppe Thüringens gegründet. 271 Hinweise auf Gefährdung
Anzeichen eines Schütteltraumas, Verletzungen, die nicht zum geschilderten Hergang passen: Manchmal hat ein Arzt einen Verdacht, der kleine Patient könnte Opfer einer Misshandlung sein. Doch um sicher zu gehen und um zu wissen, welche Schritte zum Schutz des Kindes nötig sind, fehlt Medizinern oft die Erfahrung im Umgang mit diesem schwierigen Thema. In den Kliniken, in denen es Kinderschutzgruppen gibt, übernehmen diese Teams die Beratung. In einem bundesweiten Treffen am Erfurter Helios-Klinikum tauschen Vertreter am Samstag ihre Erfahrungen aus.
Thüringen kann dazu einiges beisteuern. Wenn sich im Januar in Gotha die 20. Kinderschutzgruppe gründet, wird es an allen Krankenhäusern mit Kinderfachabteilungen ein solches Gremium geben. Ein Selbsthilfeinstrument der Häuser, wo Fachleute wie Sozialarbeiter, Fachärzte und Psychologen Fälle beraten, auf sehr kurzem Dienstweg: So beschreibt Franziska Müller von der Thüringer Fachstelle für medizinischen Kinderschutz die Arbeitsweise dieser Gremien.
Ihre Fachstelle koordiniert und vernetzt die Arbeit der Akteure. Vor allem für Kliniken im ländlichen Bereich mit schmalen Personalressourcen sei das wichtig. 2020 gingen bei der Fachstelle 271 Meldungen
von Kindeswohlgefährdung ein, 144 wurden bestätigt. Die meisten betroffenen Kinder, so Franziska Müller, waren sechs Jahre und jünger. Mit den Kinderschutzgruppen und drei Kinderschutzambulanzen in Jena, Erfurt und Eisenach seien die Strukturen in Thüringen gut aufgestellt. Doch sie müssen auch erhalten werden, bemerkt sie mit Blick auf häufige personelle Wechsel in den Kliniken. Es gebe ja kein Gesetz, das eine Kinderschutzgruppe in einem Krankenhaus vorschreibt, ein weiterer Grund, weshalb eine koordinierende Instanz wie die Fachstelle wichtig sei. Thüringen ist eines von nur drei Bundesländern mit einem solchen Gremium, ein Projekt, das im kommenden Jahr ausläuft. Man setze drauf, dass es verstetigt wird.
Das sieht auch der Suhler Mediziner Carsten Wurst nicht anders, der die Projektgruppe Kinderschutz der Landesärztekammer leitet. Die Sensibilisierung für Kindeswohlgefährdung ist ein konstantes Thema. Im Juni erst hatte die Landesärztekammer gemeinsam mit der Techniker Krankenkasse die App „Hans & Gretel“vorgestellt, auf der Ärzte alle Informationen zum Thema finden, bis hin zu Hilfsstrukturen und lokalen Ansprechpartnern. Die muss jetzt in die Fläche auch mit den Kinderschutzgruppen. Und nächstens werde man allen künftigen Fachärzte im Rahmen ihrer Prüfung App-Zugang anbieten.