Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Russland marschiert in der Ost-Ukraine ein
Putin erkennt Donezk und Luhansk als Volksrepubliken an. Westen kündigt Sanktionen an
Ungeachtet aller Warnungen des Westens hat Russlands Präsident Wladimir Putin die Unabhängigkeit der pro-russischen Separatisten-Gebiete in der Ostukraine anerkannt. Nach einer Ansprache an die Nation unterzeichnete Putin am Montagabend Freundschaftsabkommen mit den selbsterklärten „Volksrepubliken“, schickte dann die russische Armee zum „Friedenserhalt“in die Ostukraine und sorgte damit für eine weitere, dramatische Eskalation des Ukraine-Konflikts. Die EU und die USA kündigten umgehend Sanktionen an.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilte die Anerkennung der Separatisten-Regionen als „eklatanten Bruch des Völkerrechts“und warnte Moskau vor „weiterer militärischer Eskalation“.
„Ich halte es für notwendig, eine längst überfällige Entscheidung zu treffen, nämlich die Unabhängigkeit und Souveränität der Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Luhansk unverzüglich anzuerkennen“, sagte Putin. Die pro-russischen Separatistenführer in Donezk und Luhansk hatten Moskau wenige Stunden zuvor aufgerufen, die Unabhängigkeit der beiden Regionen von der Ukraine anzuerkennen.
Putin forderte das Parlament auf, „diese Entscheidung zu bestätigen und anschließend die Freundschaftsund Hilfsabkommen mit den beiden Republiken zu ratifizieren“. Eine Abstimmung im Parlament wurde für Dienstag erwartet. Von der Ukraine forderte Putin die „sofortige“Einstellung aller militärischen Aktivitäten im Osten des Landes. Andernfalls werde Kiew „die gesamte Verantwortung für die mögliche Fortdauer des Blutvergießens“tragen.
Putin befahl noch am Abend zudem den russischen Streitkräften, in den Separatisten-Regionen in der Ostukraine für die Aufrechterhaltung des „Friedens“zu sorgen. Nähere Angaben zum Zeitpunkt oder zum Umfang der Truppenstationierung in der Ostukraine wurden zunächst nicht gemacht.
Die UkraineKrise ist jetzt wie befürchtet zum Krieg geworden: Der russische Präsident Wladimir Putin hat am Montagabend die Entsendung von Truppen in die Ostukraine angeordnet. Kurz zuvor hatte er mit der offiziellen Anerkennung der prorussischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten die nächste Eskalationsstufe gezündet. Zugleich stellte Putin in einer Fernsehansprache die Staatlichkeit der Ukraine als Ganzes in Frage.
Die Nato warf Putin das Anheizen des Konflikts vor. Die EU protestierte gegen einen „Bruch des Völkerrechts“und kündigte ebenso wie die USA umgehend erste Sanktionen an. Auch die Bundesregierung zeigte sich empört und forderte eine Rücknahme der Entscheidung. Die Sorge, dass daraus ein militärischer Konflikt entstehen könnte, bewahrheitete sich Stunden später: Der Kremlchef unterzeichnete ein Dekret, nach dem russische Einheiten in den nun als unabhängig anerkannten „Volksrepubliken“für Frieden sorgen sollten. Die US-Regierung warnte, ein Einmarsch russischer Truppen mit einer ungewöhnlich brutalen Offensive stehe kurz bevor – die gesamte Entwicklung entspreche genau den Vorhersagen der Geheimdienste, hieß es in der US-Regierung.
Putin hielt am Abend eine Fernsehansprache, die als verdeckte Kriegserklärung an die Ukraine verstanden werden konnte: Die Ukraine sei ein Staat, den Russland unter dem kommunistischen Revolutionsführer Lenin geschaffen habe. Die Denkmäler Lenins seien dort zerstört worden als Zeichen der „Dekommunisierung“, sagte Putin und drohte unverhohlen: „Wir sind bereit, der Ukraine zu zeigen, was eine echte Dekommunisierung ist.“Die Ukraine habe nie eine „echte Staatlichkeit“gehabt, sondern vielmehr Modelle kopiert, sagte Putin weiter. Dort hätten heute Radikale und Nationalisten das Sagen - unter den Kuratoren des Westens, die das Land in die Sackgasse geführt hätten. Korruption und Machtkämpfe von Oligarchen würden verhinmen dern, dass es den Menschen in der Ex-Sowjetrepublik besser gehe.
Ungewöhnlich harsche Worte richtete Putin auch an die Adresse der Nato: Moskau sei von der Allianz jahrelang getäuscht worden. Russland sei zu Sowjetzeiten bei der Wiedervereinigung Deutschlands versprochen worden, dass die Nato sich kein bisschen nach Osten ausdehne, wiederholte Putin einen alten, aber im Westen fast durchweg bestrittenen Vorwurf. „Sie haben uns betrogen“, sagte Putin. In fünf Wellen habe die Nato sich nach Osten ausgedehnt und behandele Russland dabei wie einen Feind, den es schwächen wolle „Warum das alles? Wozu?“, fragte Putin. Die Nato habe auf Moskaus Sorgen „gespuckt“und gemacht, was es wolle, beklagte er weiter. Die Entscheidung zur Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken hatte sich im Lauf des Montags abgezeichnet Nachdem die nungen im D bass zugenom hatten, berief Putin eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates ein. Parallel riefen die prorussischen Separatistenführer in den beiden Regionen Putin um Beistand im Kampf gegen die ukrainischen Regierungstruppen auf und Anerkennung ihrer staatlichen Unabhängigkeit auf. „Ich bitte Sie, die Souveränität und Unabhängigkeit der Volksrepublik Luhansk anzuerkennen“, sagte der Rebellenchef in Luhansk, Leonid Pasetschnik.
Der Separatistenführer im Donezk, Denis Puschilin, forderte Russland zudem zu einem Vertrag über Freundschaft und militärischen Beistand auf. Dies war ein Hinweis darauf, das nun bald auch militärische Aktionen folgen. In der Sitzung des Sicherheitsrates erklärte der Putin die beiden Minsker Abkommen von 2014 und 2015 für gescheitert – sie hatten eine Friedenslösung für die Ostukraine vorbereiten sollen, waren aber nie vollumgesetzt worden. ind zu der Überzeug gelangt, dass es keiAussichten für das Abkommen gibt“, sagte der Präsident.
Putin erklärte weiter, die UkraineKrise sei eine „ernste, sehr große Bedrohung“für sein Land. Vergeblich versuchten noch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, den Kremlherrscher von seinem Kurs abzubringen.
Putin telefonierte mit Scholz
Putin informierte in Telefongesprächen beide aber nur noch über seine Entscheidung. Scholz beklagte, dies bedeute einen einseitigen Bruch des Minsker Abkommens. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warf Putin eine eklante Verletzung des Völkerrechts vor und sprach von einem „schweren Schlag für alle diplomatischen Bemühungen zur friedlichen Beilegung und politischen Lösung des aktuellen Konflikts“. Jahrelange Anstrengungen würden damit willentlich und ohne nachvollziehbaren Grund zunichte gemacht. Russlands Bekenntnis zu einer diplomatischen Lösung der Krise nehme massiv Schaden, warnte Baerbock. Dabei hatte es vorübergehend Anzeichen für neue Gespräche zwischen Moskau und Washington gegeben: Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein US-Kollege Antony Blinken wollten sich am Donnerstag in Genf treffen, im Gespräch war sogar ein möglicher neuen Gipfel zwischen Putin und USPräsident Joe Biden. Allerdings dämpfte der Kreml später von sich aus die Hoffnung auf ein solches Gipfel-Treffen.
Biden kam am Abend wegen der Eskalation erneut mit seinen Sicherheitsberatern zusammen. Bidens enger Berater Jake Sullivan warf Moskau vor, einen „extrem gewalttätigen“Einmarsch vorzubereiten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verurteilte die Entscheidung Putins und warnte, damit werde die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine weiter untergraben. „Moskau heizt den Konflikt in der Ostukraine weiter an, indem es die Separatisten finanziell und militärisch unterstützt“, sagte Stoltenberg. Die russische Regierung versuche auch, „einen Vorwand für einen erneuten Einmarsch in die Ukraine zu inszenieren.“EUKommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel warfen Putin einen „eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht“vor und kündigten Sanktionen an: „Die Union wird mit Sanktionen gegen diejenigen reagieren, die an dieser rechtswidrigen Tat beteiligt sind“, erklärten sie.
In Washington erklärte die USRegierung, Biden werde per Exekutivorder erste Maßnahmen ergreifen: Investitionen in den Separatistengebiete, der Handel mit ihnen und die Finanzierung werde für USBürger unter Strafe gestellt.
„Wir sind der Überzeugung, dass es keine Aussichten für die Minsker Abkommen gibt.“
Russlands Präsident Wladimir Putin