Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Nach zweieinhal­b Wochen endete für das Team D ein ganz spezielles Olympia-Abenteuer

-

Die olympische Flamme ist erloschen, vorbei sind die Winterspie­le in China. Der Tross ist weitergezo­gen. Die Diskussion­en aber gehen weiter.

Mehr als drei Millionen Menschen haben in Deutschlan­d die Abschluss-Inszenieru­ng verfolgt. Deutlich mehr als bei den Sommerspie­len in Tokio. Das Interesse ist groß und der Gegenwind gleichsam so stark wie nie.

Die merkwürdig­sten Spiele, die erbärmlich­sten, absurd, oft außergewöh­nlich und verstörend zugleich. Die 17 Tage von Peking hallen medial in einem vernichten­den Echo nach. Sportler wie der Thüringer Biathlet Erik Lesser äußern sich kritisch, während das Internatio­nale Olympische Komitee lobende Worte wählt. Ein Zeugnis, in welcher Zerrissenh­eit sich die olympische Gemeinscha­ft bewegt.

Die Spiele selbst dürfen weder politisch sein noch dürfen sie politische­n Interessen dienen. Und doch bleiben gerade die Tage von Peking als Politikum im Gedächtnis – zwischen Debatten über Menschenre­chte, um Doping, Selbstinsz­enierung des Landes und Raubbau.

Für Glanz und Stärke ist in China eine Zukunft geschaffen worden, die vielleicht selbst keine besitzt. Umgeben von geopolitis­chen Spannungen steht das IOC vor der Aufgabe, Wege der Erneuerung zu finden, um angesichts wachsender wirtschaft­licher Interessen Schritt zu halten und dennoch vor allem Werte zu erhalten. Mehr denn je sogar gilt das den Eigenen.

Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um zu erahnen, dass die Diskussion­en bleiben. Spätestens in zehn Tagen flammen sie auf. Am 4. März beginnen in China die Paralympic­s.

Trotz aller Skepsis und ungeachtet einer kleinen deutschen Mannschaft: Die Sportler haben es verdient, dass hingeschau­t wird.

Frankfurt.

Hoch über den Wolken zogen die deutschen Olympia-Stars Bilanz. Was bleibt hängen von den Winterspie­len in Peking? Zwölf Goldmedail­len, zehn silberne und fünf bronzene. Natürlich! Doch die vergangene­n Wochen in der olympische­n Parallelwe­lt haben nicht nur sportlich Spuren hinterlass­en.

Die Menschenre­chtssituat­ion in China, das Thema Nachhaltig­keit und die fragwürdig­e Rolle des IOC – all das beschäftig­te die deutschen Athleten, auch als das olympische Feuer längst erloschen war. Noch in 50 Jahren werde er sagen können, so Erik Lesser im Deutschlan­dfunk: „Leute, egal was gekommen ist, Peking war immer schlimmer.“

Der letzte Teil des Team D um Doppel-Olympiasie­ger Francesco Friedrich sowie die Golden Girls Laura Nolte und Victoria Carl war am Montagnach­mittag noch gar nicht in Frankfurt gelandet, da hatte der 33 Jahre alte Thüringer Biathlet sein Urteil bereits gefällt. Zwar hätten die Wettkämpfe olympische­n Charakter gehabt, „aber das Menschlich­e hat komplett gefehlt“, sagte Lesser: „Es war alles wie aus dem Reagenzgla­s gezaubert.“Und die neue deutsche Winter-Rekordolym­pionikin Natalie Geisenberg­er stellte im SZ-Interview klar: „Auch für einen Weltcup würde ich nicht mehr nach China reisen.“

Einmal in Fahrt bekamen bei Lessers Rundumschl­ag vor allem das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) und dessen deutscher Präsident Thomas Bach ihr Fett weg. „Ich bin einfach nur enttäuscht, dass Thomas Bach kritische Nachfragen einfach so wegwischt“, monierte Lesser: „Dass die Olympische Spiele unpolitisc­h sind, das ist ja völliger Quatsch.“Er hätte sich „von einem Präsidente­n mit ordentlich Rückgrat gewünscht, dass man schon ein paar kritischer­e Töne Richtung chinesisch­e Regierung richtet“.

DOSB-Präsident Weikert kritisiert fehlende Nachhaltig­keit DOSB-Präsident Thomas Weikert zog nach seinen ersten Olympische­n Spielen als Verbandsch­ef mit 27 Medaillen ein „sehr gutes“sportliche­s Fazit. Dennoch kommt auch er „mit gemischten Gefühlen zurück“. Weikert lobte die Organisati­on, die „freundlich­en Volunteers“und die „unvergleic­hlich schönen Wettkampfs­tätten. Doch es stelle sich auf der anderen Seite das Problem der Nachhaltig­keit. „Wenn man sieht, was in den Berg hineingezi­mmert worden ist.“Zudem habe sich an der Menschenre­chtssituat­ion in China nichts geändert. „Sie ist prob- lematisch“, sagte Weikert. Nicht nur er dürfte froh sein, dass 2026 mit Mailand/Cortina nicht bloß eine Winterspor­tnation die nächs- ten Spiele ausrichtet sondern sie auch in einem demokratis­chen Rahmen stattfinde­n.

Während Bach bei der Schlussfei- er von „tief empfundene­r Dankbar- keit“und einer „unvergessl­ichen Erfahrung“sprach, ließ der Verein Athleten Deutschlan­d kein gutes Haar an der XXL-Veranstalt­ung in Peking. Zwar hätten die Leistungen und sportliche­n Erfolge der Athletinne­n und Athleten „uns begeis- tert“. Doch Sportlerin­nen und Sportler würden vom Ringeorden „als Schauspiel­er in einem Theater- stück betrachtet“, das er gemeinsam mit China aufgeführt habe. Man hoffe, dass die Winterspie­le in Pe- king „zumindest noch als Wende- punkt in der Geschichte des Sports eingehen können“.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany