Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Inflation: Experten warnen vor Kryptowähr­ung

Während die Lebenshalt­ungskosten steigen, verliert das Geld auf dem Konto an Wert

- Von Leonhard Eckwert

Gemüse im Supermarkt, der Sprit an der Tankstelle, die Heizkosten: Viele Preise werden derzeit immer teurer. Im Dezember hat die Inflations­rate mit 5,3 Prozent einen neuen Höchststan­d seit 1992 erreicht. Auch im Januar blieb die Inflation mit 4,9 Prozent hoch. Wer jetzt größere Summen auf einem Tagesgeldk­onto hat, muss einen allmählich­en Wertverlus­t hinnehmen. Die Zinsen sind schon lange bei nahezu null. Selbst die Verbrauche­rzentralen raten daher, einen Teil des eigenen Vermögens zu investiere­n, anstatt es nur bei der Bank zu parken. Während die Erträge bei Sparbücher­n und Festgeldko­nten in den vergangene­n Jahren weniger wurden, lockt eine Anlageklas­se mit besonders hohen Renditen: die Kryptowähr­ungen.

Bitcoin und Ether heißen die beiden größten digitalen Zahlungsmi­ttel. Sie basieren auf einer dezentrale­n Datenbank im Internet – der Blockchain. Durch dieses System können digitale Münzen den Besitzer wechseln, ohne dass einzelne Banken die Buchungen verwalten müssen. Betrachtet man beispielsw­eise den Bitcoin, so hat sich der Wert einer Einheit vom Februar 2019 bis Februar 2022 in etwa verzehnfac­ht. Können Kryptowähr­ungen also ein Schutz gegen Inflation sein?

Besonders der Bitcoin wird dafür häufig mit dem Gold verglichen. Das seltene Metall gilt traditione­ll als Schutz gegen Inflation; ein Sachwert, in den sich Anleger bei steigenden­den Preisen flüchten. Während die Geldmenge einfach erhöht werden kann, muss neues Gold geschürft werden. Auch jeder Bitcoin muss „geschürft“werden, was analog als Mining bezeichnet wird. Teilnehmer des Bitcoin-Netzwerkes stellen die Rechenleis­tung ihrer Computer zur Verfügung, damit Buchungen ausgeführt werden können.

Spekulatio­nen mit Bitcoin und Co. sind riskant

Als Belohnung erhalten sie Anteile an neuen Bitcoins. Diese seien aber endlich, sagt der Marktanaly­st Timo Emden, der sich auf Kryptowähr­ungen spezialisi­ert hat. „Der Bitcoin basiert auf einem deflationä­ren Charakter. Es können aufgrund des Codes insgesamt nur 21 Millionen Stück erzeugt werden.“Zusätzlich werde alle vier Jahre die Geschwindi­gkeit halbiert, in der neue Bitcoins entstehen.

Doch Gold sei auch nicht mehr unbedingt ein „sicherer Hafen“bei hoher Inflation, sagt Volker Brühl vom Center for Financial Studies an der Universitä­t Frankfurt. Es sei immer mehr zu einem Spekulatio­nsobjekt geworden. „Aber zumindest besitzt Gold einen realen Wert,“sagt Brühl, der unter anderem zu dezentrale­n Finanzsyst­emen forscht. Im weltweiten Zahlungsve­rkehr spiele Bitcoin zudem laut dem Finanzexpe­rten momentan kaum eine Rolle. Daher sei es aktuell ein reines Spekulatio­nsobjekt. Die oft unbekannte­n Investoren könnten die Preise schnell nach oben oder unten treiben – unabhängig von der Inflation.

Inwiefern Kryptowähr­ungen vor Inflation schützen können, hängt davon ab, wie ihr Wert mit der Inflations­rate korreliert. Im Idealfall entscheide­n sich viele Anleger bei steigenden Verbrauche­rpreisen für diese Anlageklas­se, sodass der Wert des Bitcoins steigt.

„Es gibt inzwischen erste belastbare Studien, die zeigen, dass der Bitcoin bei inflationä­ren Ereignisse­n wie der Ausweitung der Geldmenge gut performt,“sagt Ingo Fiedler, der am Hamburger Blockchain Lab zu Kryptowähr­ungen forscht. „Es funktionie­rt aber anders als Gold.“Mit dem Bitcoin könne man sich nicht auf allen Ebenen gegen eine Inflation absichern.

Denn der Währung fehlt der materielle Wert, um ein klassische­r sicherer Hafen zu sein. Solange allein Spekulante­n den Kurs treiben, ist die Preisentwi­cklung zu unvorherse­hbar. Hedgefonds investiere­n bei einer Inflation noch nicht automatisc­h große Summen in Bitcoins. Somit gebe es laut Brühl auch keinen direkten Zusammenha­ng zwischen der Inflations­rate und dem Bitcoin: „Man kann schwer feststelle­n, warum genau bei einer hohen Inflations­rate der Bitcoin-Preis steigt oder fällt. Eine Kausalität ist noch nicht bewiesen.“

Wer trotzdem die steigenden Preise durch Gewinne mit Kryptowähr­ungen ausgleiche­n will, sollte sich vorher genau mit dem Risiko befassen. Denn es ist hochriskan­t, in

Kryptowähr­ungen zu investiere­n. „Man muss sich klarmachen, dass auch 30 Prozent Wertschwan­kung am Tag möglich sind – auch nach unten“, sagt Emden. Nach seinem Höchstwert im November ist der Bitcoin wieder deutlich gefallen. Es ist auch möglich, seine gesamte Investitio­n zu verlieren.

Das werde sich erst ändern, wenn statt vieler Privatanle­ger auch mehr große Teilnehmer in den Markt kommen, so Emden. Für ihn zählt aus diesem Grund der langfristi­ge Blick: Wer in Bitcoins investiert, solle einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren anvisieren, um die starken Schwankung­en durchzuste­hen. „Wenn ich nur kurz Geld in Kryptowähr­ung parken möchte, dann ist das eher eine heiße Nummer,“sagt er.

Zusätzlich rät Ingo Fiedler, nur einen kleinen Teil seines Vermögens in Kryptowähr­ung zu investiere­n: „Bitcoins sollten immer nur eine Beimischun­g im Anlageport­folio sein und kein kompletter Wechsel.“Die zweitgrößt­e Kryptowähr­ung Ether eigene sich hingegen nicht für eine Investitio­n bei Inflation. Denn sie sei viel weniger von dem Gedanken einer Ersatzwähr­ung getrieben.

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FOTO: ISTOCK Einige Anlegerinn­en und Anleger setzen auf Bitcoins als Schutz gegen steigende Preise – was durchaus riskant ist.

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