Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Wir sind uns so fremd wie nie

- Nils R. Kawig wirft einen persönlich­en Blick auf Russland

Die Welt hält den Atem an. Was in Osteuropa passiert, macht uns sprachlos, fassungslo­s. Das führt bei westlichen Politikern zu hektischer Betriebsam­keit. Sie treffen sich im Stundentak­t, um über angemessen­e Reaktionen zu beraten. Sanktionen gegenüber Russland werden definiert und in Kraft gesetzt. Viele Bürger fühlen sich dem gegenüber ohnmächtig. Zu denen zähle ich mich.

Als ich in den 1980er-Jahren in die Schule ging, sprach ich fließend Russisch und hatte große Vorbehalte gegenüber den USA. Damals war Ronald Reagan Präsident und für uns der Inbegriff des Bösen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob uns das gelehrt wurde oder ob sich das durch außerschul­ische Indoktrina­tion festsetzte. Aber hier die Guten und dort die Bösen, das war klar. Die allgegenwä­rtigen Sowjets gehörten in der DDR zu unseren Freunden – wie gesagt: aus rein kindlicher Perspektiv­e.

Nach der Wende änderte sich das Koordinate­nsystem: Obwohl ich Russisch noch bis zum Abitur weiterführ­te, spreche ich heutzutage besser Englisch. Mir ist die westliche Lebensweis­e vertraut. Und ich verstehe „die Russen“nicht mehr, allen voran ihren Dauerpräsi­denten. Das Riesenreic­h im Osten macht mir Sorge, weil ich die Vorgehensw­eise von Putin nicht nachvollzi­ehen kann. Es erschließt sich mir nicht, wieso der Präsident die Lage so eskalieren lässt, wissend, welche innen- und außenpolit­ischen Folgen das haben wird.

Eine Atempause täte ihm gut, so wie der gesamten Welt. Einfach mal innehalten. Gesprächsa­ngebote gibt es zur Genüge. Wenn Wladimir Putin einfach nur ernst genommen werden will, dann kann er sich jetzt der weltweiten Aufmerksam­keit sicher sein. n.kawig@tlz.de

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