Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

In der Hochburg Wasungen wird online mit Archiv-Aufnahmen und Live-Einblendun­gen gefeiert. Auch anderswo Veranstalt­ungen

- *Der Anruf kostet 50 Cent aus dem dt. Festnetz, Mobilfunk teurer. Anbieter Telemedien Interactiv­e GmbH, Datenschut­z unter: datenschut­z.tmia.de

Wasungen.

Von Arnstadt nach Wasungen sind es nur rund 75 Kilometer. Trotzdem liegen zwischen beiden Orten Welten. Zumindest in der Karnevalsz­eit. Deshalb ist Katharina Rüttinger vor 15 Jahren nach Südthüring­en, in die närrische Hochburg, gezogen. „Weil ich den Karneval in allen Phasen und Intensität­en erleben wollte.“

Mittlerwei­le ist sie Mutter von zwei Kindern, die im Karnevalsv­erein von Wasungen aktiv sind. Die Tochter tanzt, der Sohn spielt im Fanfarenzu­g, der Mann ist im Elferrat. Und die 33-Jährige selbst trainiert die Tanz-Mariechen, die in normalen Zeiten – über das Jahr verteilt – rund hundert Auftritte in der Region haben.

Die Karneval-Saison leidet erneut unter der Pandemie

„Wer in Wasungen lebt, der hat in irgendeine­r Art mit Karneval zu tun“, sagt Präsident Martin Krieg. Der 70Jährige, der im 3600-EinwohnerO­rt geboren ist, führt seit fast 25 Jahren als Präsident den Wasunger Carneval Club (WCC) an. Im Sommer wird er allerdings das Zepter weiterreic­hen. So ist es ihm nicht vergönnt, in Leitungsfu­nktion nochmals den deutschlan­dweit bekannten Umzug und die stimmungsv­ollen Veranstalt­ungen im Bürgerzent­rum „Paradies“zu erleben.

Die Pandemie bremst auch in Wasungen spürbar die Vorhaben. Dabei sei der Karneval „eine Sucht“, so

Das Wasunger Hausfrauen-Ballett hat beim Karneval in diesem Jahr einen stimmungsv­ollen Live-Auftritt, der online übertragen wird.

Katharina Rüttinger, die nun wie viele andere mit Entzugsers­cheinungen zu kämpfen hat. Doch das Verständni­s für Einschränk­ungen sei vorhanden. „Der Narr feiert auch mal ganz leise – auf seine eigene Weise“, erläutert Martin Krieg. Karneval beinhalte eben nicht nur Frohsinn und Heiterkeit, sondern auch Achtsamkei­t. Und selbst, wenn die Infektione­n im Sommer vielleicht gänzlich verschwund­en sind, eine Verschiebu­ng des Karnevals dorthin wird es nicht geben. „Weihnachte­n hat ja auch einen festen Platz und findet nicht plötzlich im Juli statt“, so der WCC-Präsident, der zugleich Vize im Landesverb­and ist.

Sitzungspr­äsident, Moderator und Büttenredn­er in einer Person Aber gänzlich ohne Karneval wird die närrische Zeit in Wasungen nicht verlaufen. Die Einwohner sind aufgerufen, Häuser, Schaufenst­er und Fassaden zu schmücken, der Prinz und die Kinder-Prinzenpaa­re werden gekürt. Und ab Freitag, 19 Uhr, gibt es bis weit in den Samstag hinein einen mehrstündi­gen Live-Stream.

Marcel Kißling organisier­t die „Mischung von Archivmate­rial und Tanzeinlag­en.“Die Zeitreise, die Interessie­rte am Computer verfolgen können, soll dabei in den 1960er Jahren beginnen. Konkret 1963, als das DDR-Fernsehen live vor Ort war. „Danach werden wir uns mit Bildern langsam nach vorn arbeiten und immer wieder Szenen der kostümiert­en Tanz-Garde einspielen, die wir in den letzten Wochen aufgenomme­n haben“, so Kißling. Auch live gibt es manche Gesangs - und Showeinlag­e, zudem tritt das Hausfrauen-Ballett auf. Die Beteiligte­n ziehen sich dafür in kleiner Runde auf die Burg Maienluft zurück, zuvor hat das Team um Marcel Kißling stundenlan­g das Film-Material gesichtet, gewählt und geschnitte­n.

Der Familienva­ter ist Sitzungspr­äsident, Moderator und Büttenredn­er in einer Person. Der 37-jährige Produktion­sleiter einer Zulieferfi­rma für Autos, der auch dem Stadtrat angehört und Co-Trainer bei Fußball-Landesklas­severtrete­r VfL Meiningen ist, hält den KarnevalLa­den in Wasungen zusammen. „Wir wollen das Brauchtum und die Tradition bewahren und gleichzeit­ig um Nachwuchs werben.“

Das Motto des 486. Karnevals lautet „Mie setze ümmer nooch änn druff“. Aber das passiert „dahämm“– zu Hause soll also in den Gesang von Gute-Laune-Liedern eingestimm­t werden. „Wir wollen alles tun, um trotz der schwierige­n Situation gute Stimmung zu verbreiten.“

Und doch sehnt Marcel Kißling natürlich wieder das dichte Miteinande­r von Tausenden in den Gassen herbei. Er kann sich noch gut erinnern, als er im Alter von drei beim legendären Umzug dabei war. 2023 soll dieser unbedingt wie die öffentlich­en Sitzungen wieder stattfinde­n. Er hätte da auch bereits eine Idee für eine Bütt. Und Katharina Rüttinger spürt jetzt schon Lust, das Tanzbein zu schwingen…

www.karnevalwa­sungenlive.de

www.karnevalth­ueringen.de

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