Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Ein brisantes Verhältnis
Russlands Einfluss im Sport ist vor allem wegen des Staatsunternehmens Gazprom groß
Clemens Tönnies erzählte diese Geschichte gerne und ganz freimütig. Der Fleisch-Großunternehmer, bis 2020 viele Jahre Vorsitzender des Aufsichtsrates des FC Schalke 04, hatte seine Firmenkontakte nach Russland auch für den Verein genutzt und einen ab 2007 geltenden lukrativen Hauptsponsoren-Deal mit dem russischen Staatskonzern Gazprom eingefädelt. Seit ihn der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder mit Wladimir Putin zusammengebracht hatte, pflegte Tönnies ein gutes Verhältnis zum russischen Präsidenten, Tönnies hatte sogar Putins Handynummer gespeichert. Wenn sie sich trafen, brachte Tönnies nicht nur ein neues Trikot mit, sondern auch ein persönliches Geschenk: „Er freut sich jedes Mal, wenn ich mit unseren Taschen voller Fleisch ankomme.“Und als ihm Sicherheitsbeamte diese Taschen einmal abgenommen hatten, habe Putin gespielt entrüstet gefragt: „Wo ist mein Fleisch?“Andere Zeiten waren das. Schon damals und über die gesamte Zeit gab es kritische Geister, die argwöhnisch auf diese Verbindung schauten. Aber als Schalke 04 den Vertrag mit dem als äußerst zuverlässigen Partner empfundenen Unternehmen später mehrmals verlängerte, war dies schon fast zur Normalität geworden. Und jetzt, in Zeiten der Eskalation des UkraineKonflikts? Hat Schalke ein großes Problem wegen seiner Russland-Beziehung.
Auf die hitzigen Diskussionen um den Geldgeber reagierte der Club am Dienstagmittag mit einem kurzen Statement. Die jüngsten Entwicklungen in Osteuropa verfolge man „mit großer Sorge“. Der Verein sei sich „in diesem Kontext seiner besonderen Rolle unter den deutschen Sportvereinen bewusst“. Aber er steckt auch in einem Dilemma. Nicht nur finanziell sind Klub und Konzern verwoben: Matthias Warnig, Vorsitzender der Geschäftsleitung des gestoppten GasPipeline-Projekts „Nord Stream 2“, sitzt im Schalker Aufsichtsrat.
Marketing-Experte Raphael Brinkert fordert ein sofortiges Ende der Schalker Geschäftsbeziehungen mit Russland. „Ein mutiger Sponsor, der nun einspringen würde, hätte nicht nur einen PR-Coup, sondern auch extrem viele Sympathien von Millionen Fußballfans sicher“, findet Brinkert. „Die Folgeschäden dieses Sponsorings sind bereits jetzt weitaus größer als die Einnahmen durch das russische Staatsunternehmen“, behauptet Brinkert.
Die Verbindungen zwischen dem Gaslieferanten, dem russischen Staat und dem Fußball gehen weit über Schalke 04 hinaus. Alexander Djukow, Chef einer Gazprom-Tochterfirma, ist gleichzeitig Vorsitzender des russischen Fußball-Verbandes. Gazprom ist Premiumpartner der Uefa und Hauptsponsor der Champions League. Das Finale der Königsklasse soll am 28. Mai in St. Petersburg ausgespielt werden. Laut Uefa gebe es „keine Pläne, den Austragungsort zu ändern.“
Der Sport und Russland – es ist ein brisantes Verhältnis, nicht nur im Fußball. Einen Tag vor den Olympischen Spielen 2008 marschierte die russische Armee in Georgien ein. Kurz nach den Winterspielen 2014 in Sotschi begann die Krim-Annexion. Ernste sportpolitische Konsequenzen musste der Kreml nicht fürchten.
Und auch kurz nach der aktuellen Eskalation des Ukraine-Konflikts wagt sich kein Sportverband aus der Deckung. Im Spätsommer soll in zehn russischen Städten die Volleyball-WM ausgetragen werden, anschließend finden die Kurzbahn-WM im Schwimmen in Kasan statt. Ende September steigt der Große Preis von Russland in Sotschi. Der Volleyball-Weltverband bestätigte gegenüber dieser Redaktion, dass man die Situation „genau beobachtet“, aber man am Austragungsort festhalte. Ähnlich äußerte sich der Schwimm-Weltverband Fina. Die Formel 1 war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.