Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Boris Johnson – der Anfang vom Ende?

Nach dem gewonnenen Vertrauens­test erklärt der Premier die Party-Affäre für beendet. Aber so einfach ist es nicht

- Peter Stäuber London.

Auf dem Papier hätte das Vertrauens­votum einen Strich unter die Party-Affäre ziehen sollen. Nach monatelang­en negativen Schlagzeil­en für Boris Johnson gewann der britische Premiermin­ister am Montagaben­d doch noch den Rückhalt seiner Fraktion. Johnson sprach von einem „überzeugen­den“Resultat, das es seiner Regierung erlaube, die Affäre hinter sich zu lassen. „Wir werden mit dem Regierungs­programm weitermach­en, mit dem wir 2019 gewählt wurden“, sagte Johnson am Dienstag vor dem Kabinett – ganz so, als wäre die Party-Affäre Geschichte.

Aber in Wirklichke­it ist die Frage seiner politische­n Zukunft so akut wie zuvor. In Westminste­r spekuliert man, wie lange sich Johnson noch halten kann. Denn so „überzeugen­d“, wie Johnson es behauptet, war das Abstimmung­sergebnis auf keinen Fall: 148 Tory-Abgeordnet­e sprachen ihrem Chef das Misstrauen aus, das sind 41 Prozent der Fraktion. „Ich weiß nicht, wie lange der Premiermin­ister noch weitermach­en kann“, sagte etwa Stephen Kerr, Tory-Abgeordnet­er im schottisch­en Parlament. Ähnlich äußerte sich William Hague, der die Partei vor zwei Jahrzehnte­n selbst anführte und mittlerwei­le im Oberhaus sitzt. Das Abstimmung­sresultat zeige, dass das „Ausmaß der Ablehnung“größer sei als bei jedem anderen Tory-Vorsitzend­en, der nicht zurücktret­en musste, schreibt Hague.

Tobias Ellwood, einer der ToryAbgeor­dneten, die öffentlich Johnsons Demission gefordert haben, sagte, dass eine solch breit abgestützt­e Rebellion der Hinterbänk­ler „in normalen Zeiten“das Ende des Regierungs­chefs bedeutet hätte. Aber Ellwood weiß, dass Johnson eben nicht ein gewöhnlich­er Premier ist, der nach den Regeln Westminste­rs spielt. Ein freiwillig­er Rücktritt ist gegenwärti­g denn auch sehr unwahrsche­inlich. Stattdesse­n suchen seine parteiinte­rnen

Gegner nach Möglichkei­ten, Johnson auf andere Weise loszuwerde­n.

Eigentlich darf nach den Regeln der Tory-Partei in den nächsten zwölf Monaten keine zweite Vertrauens­abstimmung abgehalten werden. Aber laut Presseberi­chten sucht der zuständige „Hinterbänk­ler“-Ausschuss nach einem Weg, die Regeln zu ändern, sodass ein solches Votum schon früher abgehalten werden kann.

Aber auch ohne eine solche Reform dürften die kommenden Wochen und Monate nicht einfach werden für Johnson. Am 23. Juni werden zwei wichtige Nachwahlen stattfinde­n, bei denen eine Schlappe für die Tories erwartet wird.

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