Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Die Macht der Worte

- G.sommer@tlz.de

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Mit Blick auf 500 Jahre Bibelübers­etzung durch Martin Luther auf der Wartburg widmen sich die Eisenacher der Kraft der Worte.

Es gibt den Spruch, ein freundlich­es Wort sei wie Honig.

Sehr schön finde ich den Satz: Auch leere Wörter können Bände sprechen. Jeder kennt Floskeln, die vor allem sagen: Ich belüge dich gerade absichtlic­h. Und meist fällt einem in diesem Zusammenha­ng ein, was am Ende einer einst großen Liebe einseitig versproche­n und sofort gebrochen wird: Wir bleiben in Kontakt. Oder – noch schlimmer: Wir bleiben Freunde. Hier können leere Worte tatsächlic­h Bände sprechen.

Ein Wort ist wie ein Pfeil, der, einmal von der Sehne geschnellt, nicht zurückgeha­lten werden kann. So jedenfalls sagt man in Arabien.

In Äthiopien gibt es die Redewendun­g: Ein Wort, dem Mund entwichen, ist wie ein Ei, der Hand entfallen. Das gefällt mir noch besser als der Vergleich mit dem Pfeil. Ich könnte sogar sagen: Es erscheint mir treffender. Denn ein Pfeil wird meist mit Absicht losgelasse­n. Das Ei aber fällt, ohne dass wir das wollen.

Hilde Domin hat unter dem Titel „Unaufhalts­am“geschriebe­n: „Das eigene Wort, wer holt es zurück, das lebendige, eben noch ungesproch­ene Wort?“Auch bei ihr fliegt das Wort und lässt dabei Gräser verdorren. Das Wort sei immer schneller als alles, was dann als Erklärung, als Entschuldi­gung folge. Sie geht davon aus: „Besser ein Messer als ein Wort. Ein Messer kann stumpf sein. Ein Messer trifft oft am Herzen vorbei. Nicht das Wort.“Vielleicht hat Hilde Domin in dieser Deutlichke­it nicht recht. Aber es ist wichtig, sich stets der Macht der Worte bewusst zu sein.

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die uns verbindet
Gerlinde Sommer zur Sprache, die uns verbindet

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