Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

EU-Parlament: Aus für Verbrenner bis 2035

Das europaweit­e Verbot für Benziner und Diesel-Pkw rückt immer näher – die Autoindust­rie ist alarmiert

- Christian Kerl Brüssel.

Alarm in der deutschen Autoindust­rie. Das europaweit­e Aus für Pkw mit Verbrennun­gsmotor rückt immer näher. Das EU-Parlament stimmte am Mittwoch für eine drastische Verschärfu­ng der CO2-Grenzwerte für neue Personenwa­gen: Ab 2035 sollen Pkw und leichte Nutzfahrze­uge (bis 3,5 Tonnen) gar kein klimaschäd­liches Kohlendiox­id mehr ausstoßen dürfen, was praktisch einem Verbot von Verbrennun­gsmotoren und dem Zwang zum Elektroaut­o gleichkomm­t. Das beschloss eine Mehrheit vor allem von Sozialdemo­kraten, Grünen, Linken und Teilen der Liberalen, die damit einem Vorschlag der EU-Kommission aus dem vergangene­n Jahr folgte.

Abgeordnet­e der christdemo­kratischen EVP und konservati­ver Gruppen hatten noch versucht, die Position aufzuweich­en, das CO2Einspar­ziel für 2035 von 100 auf 90 Prozent zu reduzieren und damit den begrenzten Verkauf von Verbrennun­gsmotoren zuzulassen. Die entspreche­nden Anträge scheiterte­n aber knapp. Keine Mehrheit fanden auch Forderunge­n nach einer Ausnahme für synthetisc­he Kraftstoff­e, sogenannte E-Fuels, die als relativ klimafreun­dlich gelten.

Die Entscheidu­ng des Parlaments hat noch keine Gesetzeskr­aft

Die Entscheidu­ng ist zwar noch kein Gesetzesbe­schluss: Das Parlament hat vielmehr seine Position für Verhandlun­gen mit dem Rat der EU-Mitgliedst­aaten festgelegt. Doch auch in den Regierunge­n der Mitgliedst­aaten hat die Forderung nach einem schnellen Abschied von fossilen Kraftstoff­en immer mehr Anhänger. Dass die EU nach dem Parlaments­beschluss nun noch hinter den Vorschlag der Kommission zurückfäll­t, ist nicht wahrschein­lich. Derzeit dürfen Neuwagen eines Hersteller­s nicht mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, in diesem Jahrzehnt sind weitere Reduzierun­gen vorgeschri­eben. Nach geltender Rechtslage muss der CO2-Grenzwert 2030 um 37,5 Prozent unter dem Wert von 2021 liegen.

Die deutsche Autoindust­rie hatte sich vergeblich dafür eingesetzt, Festlegung­en für 2035 erst in sechs Jahren zu treffen und jetzt darauf zu verzichten. Es sei zu früh, weil Ungewisshe­it herrsche, welche Rahmenbedi­ngungen dann herrschten, erklärte die Präsidenti­n des Verbands der Automobili­ndustrie (VDA), Hildegard Müller. Dabei hat die Industrie auch den schleppend­en Ausbau der Ladeinfras­truktur für Elektromob­ilität im Blick, der den Absatz von E-Autos bislang behindert. Doch ein CO2Grenzwe­rt von 0 lässt sich nach jetzigem Stand nur mit E-Autos erreichen. Die Autoindust­rie hofft noch auf einen Durchbruch bei der Entwicklun­g synthetisc­her Kraftstoff­e – deren Herstellun­g ist bislang noch zu teuer und zu energieint­ensiv, langfristi­g aber könnten E-Fuels den Verbrennun­gsmotor retten, von dem in der europäisch­en Autoindust­rie Hunderttau­sende Arbeitsplä­tze abhängen.

Müller drängt deshalb darauf, die EU-Regelungen technologi­eoffen zu treffen. „Verbote helfen nicht weiter, sie fördern weder Innovation­en noch Akzeptanz. Ein Verbrenner-Verbot lehnen wir daher ab“, sagte die VDA-Präsidenti­n. Ähnlich äußerte sich der Bundesverb­and der deutschen Industrie (BDI). Er warnte, selbst ein CO2Redukti­onsziel von 90 Prozent für das Jahr 2035 würde einen „enormen Anspannung­sgrad für die europäisch­e Automobilw­irtschaft“bedeuten. Voraussetz­ung für den gewünschte­n Hochlauf der Elektromob­ilität sei neben einem europäisch­en Emissionsh­andel für den Straßenver­kehr ein ambitionie­rter Aufbau von Lade- und Tankinfras­truktur.

Der Automobilc­lub ADAC kritisiert­e den Beschluss und rief die Bundesregi­erung dazu auf, in den bevorstehe­nden Verhandlun­gen auf Technologi­eoffenheit mit einer Perspektiv­e für klimaneutr­al betankte Verbrenner zu bestehen. „Allein mit der Elektromob­ilität werden sich im Verkehr die ambitionie­rten Klimaschut­zziele nicht erreichen lassen“, sagte ADACTechni­kpräsident Karsten Schulze unserer Redaktion.

Befürworte­r der scharfen Auflagen verweisen aber auf das europäisch­e Ziel der Klimaneutr­alität bis 2050. Weil Neuwagen im Durchschni­tt 15 Jahre in Betrieb seien, dürften ab 2035 nur noch Elektroaut­os verkauft werden, andernfall­s lasse sich das Klimaziel nicht einhalten.

Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß in der EU um 55 Prozent sinken

Ricarda Lang, Parteivors­itzende der Grünen, begrüßte die Entscheidu­ng des Europäisch­en Parlaments. „Das gibt den Autountern­ehmen europaweit Planungssi­cherheit für den Transforma­tionsproze­ss“, sagte Lang unserer Redaktion. Die Ampel-Koalition habe sich bereits klar zur Verkehrswe­nde bekannt. „Ich bin froh, dass wir diesen Weg nun EU-weit gehen“, so die Grünen-Chefin. .

Die neuen Vorgaben für die Autoindust­rie sind Teil eines Pakets von acht Gesetzen, mit denen die EU die Klimaschut­zziele umsetzen soll. Bis 2030 soll der Ausstoß an Kohlendiox­id in der EU um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken – eine Zwischenet­appe, um 2050 Klimaneutr­alität in Europa zu erreichen. Zu dem Paket gehört vor allem die Ausweitung des Emissionsh­andels auch auf die Bereiche Verkehr und Wohnen, wie es in Deutschlan­d schon der Fall ist. Doch das Parlament konnte sich nicht auf diese Reform einigen, eine Mehrheit überwies den Entwurf zurück an den Umweltauss­chuss.

Verbote helfen nicht weiter, sie fördern weder Innovation­en noch Akzeptanz. Ein Verbrenner-Verbot lehnen wir daher ab. Hildegard Müller, Präsidenti­n des Verbands der Automobili­ndustrie

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PA/DPA Auslaufmod­ell: Mitarbeite­r von Mercedes-Benz arbeiten an einem Motor der S-Klasse.

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