Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Eine Jazzmeile ist 365 Tage lang
Der neue Projektleiter Holger Gonska ruft das Landesjazzfestival ohne Anfang und Ende aus
Erstmals in der langen Geschichte der Jazzmeile Thüringen wird es im kommenden Herbst kein offizielles Eröffnungskonzert geben. Denn sie hat jetzt, noch einigermaßen unbemerkt von der Öffentlichkeit, überhaupt keinen Anfang und auch kein Ende mehr. Bislang zwischen Oktober und Dezember terminiert, wurde sie zum ganzjährigen Landesjazzfestival erklärt.
Das folgt längst eingeübten Realitäten im Land mehr als dass sie dadurch verändert würden. Still und stumm wird der Jazz schließlich selten. So sind die Jazztage Ilmenau oder das Greizer „JazzWerk“ebenso wie der Nordhäuser und der Jenaer Jazzfrühling 2022 bereits Geschichte, ab heute folgt nun das „Jazzweekend“in Arnstadt.
Im Sommer gibt es dann „Grasgrün“-Konzerte in Meiningen, während in Weimar die „Schallkultur“weitergeht. Und Programme bieten beteiligte Clubs und Städte insgesamt ohnehin zu allen Jahreszeiten.
Es ist wohl kein Zufall, dass ein hauptberuflicher Werbefachmann daraus Konsequenzen zog: Holger Gonska, seit 2009 Chef des Nordhäuser Jazzclubs, rief das Landesjazzfestival aus. Der 61-Jährige wurde im Januar, noch ganz im Stillen, neuer Projektleiter bei der AG Jazzmeile. Er übernahm die halbe, vom Land finanzierte Stelle vom langjährigen Vorgänger Thomas Eckardt aus Jena, der als künstlerischer Berater jedoch an Bord geblieben ist. „Sein Wissen und seine Vernetzung bilden eine stabile Grundlage für die erfolgreiche Fortführung der Arbeit“, so Gonksa.
Eckardt musste die Stelle abgeben, weil er, was lange niemandem auffiel, nun doch das Rentenalter erreicht hatte. Man muss aber auch schon zweimal hinschauen, um zu glauben, dass er in diesem April 68 Jahre alt wurde. Eckardt ist ein personifizierter ewiger Jazzfrühling.
Gleichsam einen zweiten Jazzfrühling erlebte indes Holger Gonska, als sich jüngst Studenten und Schüler in ein Nordhäuser Konzert durchaus nicht verirrten. Sie kamen im vollen Bewusstsein ihres musikalischen Interesses in den im vergangenen Jahr neu eröffneten Club in der Barfüßerstraße, auf den ironischen Namen „Jazz-Mangel“getauft. Dort spielte das Trio „Berlin 21“also auch für junges Publikum.
„The New Generation of Sister & Brotherhood“in Nordhausen
Für Nordhausen als aktuelle Thüringer Jazz-Hochburg (neben Jena, Erfurt, Weimar) spricht zudem, dass sich dort am 1. Oktober das erste „Jahreskonzert“der Jazzmeile ereignen soll, welches das traditionelle Eröffnungskonzert ablöst. Angekündigt
ist „The New Generation of Sister & Brotherhood“: ein zwölfköpfiges Bandprojekt um Schlagzeuger Günter „Baby“Sommer, das sich auf die von Chris McGregor 1969 in London gegründete „Brotherhood of Breath“bezieht.
Die Jazzmeile, 1994 zunächst zwischen Weimar und Jena eröffnet und seit 2001 von einer interkommunalen Arbeitsgemeinschaft verantwortet, ist einerseits eine Dachmarke fürs einschlägige Konzertprogramm im Land. Über die Landesarbeitsgemeinschaft Jazz, in der Thüringer Clubs vereint sind, tritt sie aber auch selbst als Veranstalter auf. Seit einigen Jahren geht sie dabei verstärkt Kooperationen ein.
So ist sie im Spätsommer, auch nicht zum ersten Mal, auf dem Kunstfest Weimar präsent, mit dessen Chef, Rolf C. Hemke, sich offenbar unkompliziert zusammenarbeiten lässt. Im Ergebnis wird für den 9.
September im Lichthauskino die Chicagoer Cellistin Tomeka Reid mit Band angekündigt. Sie ist in diesem Jahr „Improviser in Residence“beim Moers-Festival.
Tags darauf ist die Jazzmeile dritter Partner, wenn aus dem Abschlusskonzert des Kunstfestes das Eröffnungskonzert der AchavaFestspiele wird. Der Weimarer Bassist und Jazzprofessor Manfred Bründl gastiert dann nicht einfach nur, wie schon 2021, mit seinem internationalen Projekt „Sadaqa“(arabisch für „Freundschaft“), das sich Musiktraditionen aus dem Zweistromland widmet. Diesmal ist, im Nationaltheater, der Kinderund Jugendchor der „Schola Cantorum Weimar“dabei. Oud-Spieler Mohannad Nasser hat für ihn Stücke des Sängers und Bouzouk-Spielers Ibrahim Keivo neu arrangiert.
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