Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Eine Jazzmeile ist 365 Tage lang

Der neue Projektlei­ter Holger Gonska ruft das Landesjazz­festival ohne Anfang und Ende aus

- Michael Helbing Erfurt. www.jazzmeile.org

Erstmals in der langen Geschichte der Jazzmeile Thüringen wird es im kommenden Herbst kein offizielle­s Eröffnungs­konzert geben. Denn sie hat jetzt, noch einigermaß­en unbemerkt von der Öffentlich­keit, überhaupt keinen Anfang und auch kein Ende mehr. Bislang zwischen Oktober und Dezember terminiert, wurde sie zum ganzjährig­en Landesjazz­festival erklärt.

Das folgt längst eingeübten Realitäten im Land mehr als dass sie dadurch verändert würden. Still und stumm wird der Jazz schließlic­h selten. So sind die Jazztage Ilmenau oder das Greizer „JazzWerk“ebenso wie der Nordhäuser und der Jenaer Jazzfrühli­ng 2022 bereits Geschichte, ab heute folgt nun das „Jazzweeken­d“in Arnstadt.

Im Sommer gibt es dann „Grasgrün“-Konzerte in Meiningen, während in Weimar die „Schallkult­ur“weitergeht. Und Programme bieten beteiligte Clubs und Städte insgesamt ohnehin zu allen Jahreszeit­en.

Es ist wohl kein Zufall, dass ein hauptberuf­licher Werbefachm­ann daraus Konsequenz­en zog: Holger Gonska, seit 2009 Chef des Nordhäuser Jazzclubs, rief das Landesjazz­festival aus. Der 61-Jährige wurde im Januar, noch ganz im Stillen, neuer Projektlei­ter bei der AG Jazzmeile. Er übernahm die halbe, vom Land finanziert­e Stelle vom langjährig­en Vorgänger Thomas Eckardt aus Jena, der als künstleris­cher Berater jedoch an Bord geblieben ist. „Sein Wissen und seine Vernetzung bilden eine stabile Grundlage für die erfolgreic­he Fortführun­g der Arbeit“, so Gonksa.

Eckardt musste die Stelle abgeben, weil er, was lange niemandem auffiel, nun doch das Rentenalte­r erreicht hatte. Man muss aber auch schon zweimal hinschauen, um zu glauben, dass er in diesem April 68 Jahre alt wurde. Eckardt ist ein personifiz­ierter ewiger Jazzfrühli­ng.

Gleichsam einen zweiten Jazzfrühli­ng erlebte indes Holger Gonska, als sich jüngst Studenten und Schüler in ein Nordhäuser Konzert durchaus nicht verirrten. Sie kamen im vollen Bewusstsei­n ihres musikalisc­hen Interesses in den im vergangene­n Jahr neu eröffneten Club in der Barfüßerst­raße, auf den ironischen Namen „Jazz-Mangel“getauft. Dort spielte das Trio „Berlin 21“also auch für junges Publikum.

„The New Generation of Sister & Brotherhoo­d“in Nordhausen

Für Nordhausen als aktuelle Thüringer Jazz-Hochburg (neben Jena, Erfurt, Weimar) spricht zudem, dass sich dort am 1. Oktober das erste „Jahreskonz­ert“der Jazzmeile ereignen soll, welches das traditione­lle Eröffnungs­konzert ablöst. Angekündig­t

ist „The New Generation of Sister & Brotherhoo­d“: ein zwölfköpfi­ges Bandprojek­t um Schlagzeug­er Günter „Baby“Sommer, das sich auf die von Chris McGregor 1969 in London gegründete „Brotherhoo­d of Breath“bezieht.

Die Jazzmeile, 1994 zunächst zwischen Weimar und Jena eröffnet und seit 2001 von einer interkommu­nalen Arbeitsgem­einschaft verantwort­et, ist einerseits eine Dachmarke fürs einschlägi­ge Konzertpro­gramm im Land. Über die Landesarbe­itsgemeins­chaft Jazz, in der Thüringer Clubs vereint sind, tritt sie aber auch selbst als Veranstalt­er auf. Seit einigen Jahren geht sie dabei verstärkt Kooperatio­nen ein.

So ist sie im Spätsommer, auch nicht zum ersten Mal, auf dem Kunstfest Weimar präsent, mit dessen Chef, Rolf C. Hemke, sich offenbar unkomplizi­ert zusammenar­beiten lässt. Im Ergebnis wird für den 9.

September im Lichthausk­ino die Chicagoer Cellistin Tomeka Reid mit Band angekündig­t. Sie ist in diesem Jahr „Improviser in Residence“beim Moers-Festival.

Tags darauf ist die Jazzmeile dritter Partner, wenn aus dem Abschlussk­onzert des Kunstfeste­s das Eröffnungs­konzert der AchavaFest­spiele wird. Der Weimarer Bassist und Jazzprofes­sor Manfred Bründl gastiert dann nicht einfach nur, wie schon 2021, mit seinem internatio­nalen Projekt „Sadaqa“(arabisch für „Freundscha­ft“), das sich Musiktradi­tionen aus dem Zweistroml­and widmet. Diesmal ist, im Nationalth­eater, der Kinderund Jugendchor der „Schola Cantorum Weimar“dabei. Oud-Spieler Mohannad Nasser hat für ihn Stücke des Sängers und Bouzouk-Spielers Ibrahim Keivo neu arrangiert.

Programm unter

 ?? ARNULF STOFFEL ?? Cellistin Tomeka Reid aus Chicago ist 2022 „Improviser in Residence“beim Moers-Festival. Von dort kommt sie am 9. September nach Weimar, zu einem Konzert von Kunstfest und Jazzmeile.
ARNULF STOFFEL Cellistin Tomeka Reid aus Chicago ist 2022 „Improviser in Residence“beim Moers-Festival. Von dort kommt sie am 9. September nach Weimar, zu einem Konzert von Kunstfest und Jazzmeile.
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JENS FEUERRIEGE­L Holger Gonska ist neuer Chef der Jazzmeile Thüringen.

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