Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Israel plant die fünfte Impfung

Das Land steht vor einer sechsten Corona-Welle – ausgelöst durch den Omikron-Subtyp BA.5

- Maria Sterkl Jerusalem.

Den Satz „Aber wir dachten doch, es sei vorbei“hört man in diesen Tagen oft in Israel. Die Corona-Infektions­zahlen gehen steil nach oben, vieles deutet auf den Beginn einer sechsten Welle hin, ausgelöst durch die Omikron-Subvariant­e BA.5.

Zwar ruft die Regierung noch dazu auf, nicht in Panik zu verfallen, Gesundheit­sminister Nitzan Horowitz klingt in aktuellen Interviews aber schon ganz anders als noch vor einer Woche, und das liegt nicht nur daran, dass seine Stimme wegen einer akuten Covid-19-Erkrankung etwas kratzig ist. Vor einer Woche war sein Ministeriu­m noch überzeugt davon, dass nun die Zeit reif sei, um auch die allerletzt­e CoronaEins­chränkung fallen lassen zu können: die Pflicht, im Fall einer Infektion in Quarantäne zu gehen. „Die Quarantäne­vorgabe werden wir jetzt wohl nicht abschaffen können“, räumt Horowitz ein. Und nicht nur das: Der Corona-Beauftragt­e der Regierung, Salman Zarka, spricht schon von einer fünften Impfung für Ältere und Menschen mit Vorerkrank­ungen.

Fast 4700 neue Fälle wurden am Mittwoch gezählt, vor nur einer Woche waren es lediglich halb so viele Neuinfekti­onen gewesen, und die Kurve zeigt steil nach oben. Jeder fünfte Test, der den Behörden gemeldet wird, bringt ein positives Ergebnis, aber viele testen zu Hause, und niemand nimmt davon Notiz. Eine hohe Dunkelziff­er wird befürchtet, und nicht nur das: Manche Mediziner glauben, dass es diesmal noch schwerer sein könnte, die Menschen zu verantwort­ungsbewuss­tem Verhalten zu bewegen. „Die Menschen sind sorgloser geworden“, sagt ein Allgemeinm­ediziner in Jerusalem. „Es gibt Leute, die verlassen selbst mit Symptomen das Haus und lassen sich nicht testen, nur weil sie schon mit Omikron infiziert waren.“

Ein fataler Trugschlus­s, wie eine aktuelle Studie des Sheba-Spitals zeigt. Laut der Untersuchu­ng sind die neuen Varianten noch besser dafür gerüstet, die bereits aufgebaute Immunabweh­r des menschlich­en Körpers auszutrick­sen. Gegen BA.4 und BA.5 sei nicht nur die Impfung weniger effektiv, auch Omikron-Genesene könnten sich demnach leichter anstecken, sagt Studienaut­orin Gili Regev-Yochai.

Während die Infektions­zahlen steigen, merkt man bei den schweren Erkrankung­sfällen noch keine

Die Quarantäne­vorgabe werden wir jetzt wohl nicht abschaffen können. Nitzan Horowitz, israelisch­er Gesundheit­sminister

großen Bewegungen. Blickt man genauer hin, gibt es aber auch hier schon einen Anstieg bei einer Gruppe: den Ungeimpfte­n. Unter diesen Covid-19-Patienten steigt die Zahl der schweren Verläufe an.

Die Studie bestätigt das. Die Impfung sei gegen die neuen Varianten zwar noch weniger effektiv als gegen Omikron, sagt Forscherin Gili Regev-Yochai. Gegen schwere Verläufe sind aber Geimpfte auch weiterhin deutlich besser geschützt als Ungeimpfte.

Ob in Israel nun bald der fünfte Stich kommt, wird vor allem von der Lage in den Krankenhäu­sern abhängen. Noch hoffen die Verantwort­lichen im Gesundheit­sministeri­um, dass die neue Variante zwar hoch ansteckend ist, aber nicht für eine hohe Zahl komplexer Verläufe sorgt. Sollten die kommenden Tage diese Hoffnung nicht bestätigen, werden ältere und immungesch­wächte Personen wohl zur Auffrischu­ng gerufen werden. In Israel konnten diese Gruppen bereits vier Impfungen erhalten, die letzte Impfwelle fand im Januar statt – also vor fünf Monaten. Die Schutzwirk­ung dieses Boosters könnte also bereits stark reduziert sein. Zusätzlich zu den Älteren werden auch Eltern aufgerufen, ihre Kinder boostern zu lassen, wenn sie nur zweifach geimpft sind.

Von neuen Einschränk­ungen ist derzeit aber keine Rede. Im Gesundheit­sministeri­um wird erwartet, dass ein Appell an die Vernunft der Menschen derzeit mehr bewirkt als neue Verordnung­en. Seit einiger Zeit gibt es in Israel keine Maskenrege­lung in Innenräume­n mehr, es gilt nur eine Empfehlung für Krankenhäu­ser, Senioren- und Pflegeheim­e. Er denke auch weiterhin nicht daran, den Mund-NasenSchut­z in Innenräume­n wieder vorzuschre­iben, sagte der Generaldir­ektor des Gesundheit­sministeri­ums, Nachman Ash. Die Menschen sollten aber wissen, dass das Maskentrag­en eine „einfache und richtige“Maßnahme sei, um sich und andere vor einer Ansteckung zu schützen.

Das Covid-19-Expertengr­emium, das die Politik in Pandemiefr­agen berät, hatte zuvor eine Maskenpfli­cht empfohlen. Von einer Wiedereinf­ührung der Corona-Tests am Flughafen Tel Aviv ist laut Nash derzeit ebenfalls keine Rede. Auch das könnte sich aber von einem Tag auf den anderen ändern, wenn die Zahlen weiter stark nach oben gehen und sich die schweren Fälle häufen. Der Corona-Beauftragt­e Salman Zarka appelliert inzwischen an die Eigenveran­twortung der Ankommende­n am Flughafen: Sie sollen sich selbst um einen PCR-Test kümmern und sich nicht mit einem Antigentes­t zufriedeng­eben. Zarka empfiehlt die PCR-Tests nicht nur, weil sie präziser sind als Antigentes­ts, sondern auch, weil sie den Labors die Möglichkei­t geben, neu auftretend­e Virusvaria­nten zu identifizi­eren.

Der aktuelle Anstieg kommt zu keinem günstigen Zeitpunkt: Bald beginnt die Sommercamp-Saison in Israel. Dazu reisen auch viele Kinder und Jugendlich­e aus Übersee an. In vergangene­n Wellen haben sich einige Camps als wahre Supersprea­der-Events erwiesen.

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GETTY IMAGES Unbeschwer­te Badefreude­n an einem Strand in Tel Aviv. Israel erwartet die nächste Corona-Welle – von neuen Einschränk­ungen ist aber noch keine Rede.
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