Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Das Risiko richtig einschätze­n

- Matthias Urbach Berlin. Heftigere Regenfälle tropische Gefährlich­e Lagen Klimagerec­ht bauen

Die Menschheit tut viel zu wenig, um die Erwärmung des Klimas noch bei zwei Grad Celsius deckeln zu können. So lautet das Fazit der Wissenscha­ft im jüngsten Weltklimab­ericht. Wer eine Immobilie bauen oder kaufen will, denkt in Kategorien

von 20, 30 Jahren – und sollte den Klimawande­l mitdenken. Höhere Temperatur­en an sich sind nicht mal das größte Problem. Sondern ihre Folgen: mehr Starkregen, häufigere heftige Stürme, mehr Dürren, mehr Waldbrände, mehr Sturmflute­n. Und ja: In manchen Innenstädt­en wird auch die Hitze unangenehm­er werden. Deshalb kommt es mehr denn je auf die richtige Lage an.

Bereits jetzt hat die Menschheit das Erdklima weltweit um 1,1 Grad Celsius aufgeheizt. In Deutschlan­d liegt die Temperatur sogar 1,6 Grad höher als vor Beginn des Industriez­eitalters. Der vergangene Sommer war in Europa nicht nur der bislang heißeste, er brachte auch verheerend­en Starkregen.

Die Sturzflute­n vom Juli 2021 im Ahrtal geben einen Eindruck, worauf wir uns einstellen müssen: Starkregen wird in Deutschlan­d künftig häufiger und heftiger niederpras­seln, so der Stand der Forschung. Und er kann im Prinzip überall auftreten. Gefährlich kann es an Flussläufe­n werden – auch an kleinen. Großräumig versiegelt­e Böden – in Städten oder Gebirgen – und Lagen am Hang oder in Mulden machen Starkregen für Häuser bedrohlich.

Etliche Gemeinden simulieren inzwischen, welche Pfade das Wasser wählt – also welche Lagen gefährlich sind. Viele Pläne sind online zu finden, wenn man nach dem Ortsnamen und „Starkregen“sucht. Vorbildlic­h ist etwa Nordrhein-Westfalen, das eine Seite für das gesamte Bundesland führt.

Mehr Hitzetage und Nächte

Heiße Tage mit mehr als 30 Grad waren bis zur Mitte des 20. Jahrhunder­ts bei uns eher untypisch. Das kam im deutschen Mittel nur an drei Tagen pro Jahr vor, inzwischen sind es zehn Tage, Tendenz steigend. Besonders betroffen sind die Innenstädt­e der Metropolen: Straßen und Gebäude speichern die Hitze, bilden Wärmeinsel­n. So ist die Temperatur etwa in Berlins Innenstadt im Schnitt drei bis vier Grad höher als am Stadtrand – im Extremfall sogar bis zu neun Grad.

Auch die sogenannte­n Tropennäch­te

Wer ein Haus oder ein Grundstück kauft, sollte zuvor stets ein Angebot für eine Elementars­chadenvers­icherung einholen. Ist dieses sehr teuer, bedeutet das: Versichere­r sehen schon jetzt Risiken. Leider legt die Versicheru­ngsbranche ihre Daten nicht als Karte offen. Immerhin lassen sich für konkrete Adressen im GDV-„Naturgefah­ren-Check“grobe Auskünfte bekommen. Eine Versicheru­ng gegen Naturgewal­ten ist so oder so eine Überlegung wert. Doch selbst wenn sich ein Haus jetzt günstig versichern lässt, heißt das nicht, dass das so bleibt. Dort, wo Klimarisik­en steigen, kann diese Versicheru­ng irgendwann unbezahlba­r werden.

sind häufiger geworden; wenn also das Thermomete­r nachts nicht unter 20 Grad fällt und der Schlaf weniger erholsam ist. Frankfurt oder Berlin registrier­en in heißen Sommern schon mal ein Dutzend tropische Nächte. Auch hier gilt: Tendenz steigend. Für den Alterswohn­sitz ist die Innenstadt vielleicht nicht mehr die beste Wahl.

Trockenhei­t – und Waldbrände

Weil sich die Regenfälle tendenziel­l auf den Winter verschiebe­n, wird es im Sommer nicht nur heißer, sondern auch trockener. Das erhöht die Waldbrandg­efahr. Vor allem das Bundesland Brandenbur­g ist schon

Schon immer gab es problemati­sche Lagen. Etwa an Rhein oder Elbe – wegen Hochwasser­s, an der Küste wegen Sturms. Durch Starkregen, Hitze und Trockenhei­t kommen weitere Aspekte dazu: Vor allem Objekte am Wasser, am Hang oder in einer Mulde sind kritisch. Die Nähe zu Fichten- und Kiefernwäl­dern auf sandigem Boden (Waldbrand) oder enge Häuserschl­uchten ohne Grün (Hitze) könnten sich ebenfalls rächen.

In einem Pilotproje­kt hat das Bundesinst­itut für Bau-, Stadt- und Raumforsch­ung (BBSR) Daten für Starkregen, Hitze, Winterstür­me und Waldbrände auf eine Karte („GIS-Immorisk“) gebracht – plus Prognosen für die Zukunft. Zu finden ist sie im Internet: www.gisimmoris­knaturgefa­hren.de

Das heißt aber nicht, dass schwierige Lagen grundsätzl­ich tabu sind. Wer den Keller gegen Überflutun­g oder Rückstau absichert, kann Wasserschä­den entgegenwi­rken. Ein grünes Dach hilft gegen Hitze. Und auch gegen Sturmschäd­en lässt sich ein Haus wappnen.

Welche Maßnahmen in Betracht kommen, erklärt der „Praxisratg­eber Klimagerec­htes Bauen“vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) sehr anschaulic­h. Ein Beispiel: Gegen Starkregen ist es hilfreich, das Grundstück möglichst wenig zu versiegeln und eine Mulde mit unterirdis­chem Pufferspei­cher aus Kies für das Wasser zu schaffen. Ein PDF des Ratgebers gibt es im Netz: https://repository.difu.de/ jspui/handle/difu/241301

Dieser Beitrag erscheint in Kooperatio­n mit finanztip.de. Der Geld-Ratgeber für Verbrauche­r ist Teil der Finanztip-Stiftung.

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DPA/PA Viele Hausbesitz­er im Landkreis Ahrweiler haben bei der Flutkatast­rophe im Juli des vergangene­n Jahres ihre Immobilie verloren.

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