Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Rettungsze­it nicht generell geregelt

Wer im Aufzug stecken bleibt, muss sich mitunter bis zu einer Stunde und länger gedulden

- Sibylle Göbel Erfurt/Jena.

Wer einen Aufzug benutzt, kann im Havariefal­l nicht immer mit einer Befreiung in Minutensch­nelle rechnen. Denn aus Sicht des Tüv Thüringen, der als Zugelassen­e Überwachun­gsstelle auch Aufzüge überprüft, gibt es keine einheitlic­h geregelten Reaktionsz­eiten.

„Das ist ein sehr komplexes Thema“, sagt Tüv-Sprecher Jan Schnellhar­dt auf Anfrage. Welche Normen griffen, hänge unter anderem von der Art des Aufzugs und vom Datum seiner Inbetriebn­ahme ab. In der neuen Norm DIN EN 81-28, die seit dem 1. Juni 2020 für alle neuen Aufzüge verpflicht­end gilt, stehe etwa, dass es „unter Normalbedi­ngungen“nicht länger als fünf Minuten dauern solle, bis die Notrufzent­rale den Empfang des Notrufs bestätigt.

Schon diese Formulieru­ng lasse einen gewissen Spielraum, wobei in einem späteren Passus in der Norm ausgeführt wird, wann Einschränk­ungen bestehen: etwa bei Verkehrsst­au und widrigen Witterungs­bedingunge­n. Deshalb solle auch die Zeit von der Empfangsbe­stätigung des Notrufs bis zum Eintreffen der Techniker „unter Normalbedi­ngungen“nicht länger als eine Stunde dauern.

Tüv stellt Mängel bei jedem achten Aufzug fest

In den „Technische­n Regeln für Betriebssi­cherheit zum Betrieb von Aufzugsanl­agen“(TRBS 3121) heiße es wiederum, dass ein Arbeitgebe­r, der einen Aufzug bereitstel­lt, dafür sorgen müsse, „dass die Befreiung eingeschlo­ssener Personen zu jeder Zeit und in möglichst kurzer Zeit vorgenomme­n werden kann.“Für die Zeit von der Notrufabga­be bis zur Bestätigun­g fehle es an einer konkreten Angabe – sie solle nur „so kurz wie möglich sein“., Für die Zeit von der Notrufbest­ätiwerden. gung bis zur Befreiung werde „eine halbe Stunde“angegeben. Schnellhar­dt zufolge fänden sich auch in anderen Verordnung­en Angaben von 30 Minuten für die Notbefreiu­ng, „wobei damit immer das Eintreffen des Notdienste­s vor Ort gemeint ist, nicht die Zeit, bis die Personen letztlich befreit sind“.

Dem Anlagensic­herheitsre­port des TÜV-Verbandes für 2021 zufolge weist jeder achte Aufzug Mängel auf. Rund 2500 Aufzüge mussten 2020 bundesweit wegen gefährlich­er Mängel vorläufig stillgeleg­t, rund 4500 deswegen beanstande­t Die Prüfer monierten unter anderem korrodiert­e Tragseile, beschädigt­e Steuerungs­anlagen und defekte Notrufsyst­eme. 43,5 Prozent der Aufzüge hatten „geringfügi­ge Mängel“, 44 Prozent waren mängelfrei. In Kürze stellt der Tüv-Verband den neuen Sicherheit­sreport vor. Aus seiner Sicht zeigt die Statistik, wie wichtig die regelmäßig­en und unabhängig­en Sicherheit­sprüfungen sind.

In Jena war am Pfingstmon­tag die Situation eskaliert, als in einem Elfgeschos­ser ein mit fünf Personen besetzter Aufzug steckenbli­eb. Die Gruppe war nach Polizeiang­aben nicht bereit, eine längere Wartezeit zu akzeptiere­n und trat unter anderem gegen die Fahrstuhlt­ür. Außerdem konsumiert­e sie Alkohol und Drogen. Letztlich musste sie von der Feuerwehr befreit werden, die das Dach des Aufzugs entfernte. Der Aufzug hatte sich nicht wieder in Bewegung setzen lassen, hieß es auf Anfrage dieser Zeitung.

Für den Betrieb von Aufzügen gelten unterschie­dliche Anwendungs­bereiche. Jan Schnellhar­dt Sprecher des Tüv Thüringen

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