Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
„Eisenach rechnet sich künstlich arm!“
SPD-Stadträte üben Kritik an Wolfs Haushaltspolitik. Linker Landespolitiker schätzt ein, dass Eisenach gut bei Kasse ist
Birgit Schellbach und Katja Schmidberger
Als „Selbstdarsteller“hat Stadtrat Dieter Suck (parteilos, für die Grünen) zur letzten Ratssitzung die SPD-Fraktion bezeichnet. Weil Michael Klostermann und Jonny Kraft die Zahlenwerke von Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke) und Kämmerer Alwin Hartmann heftig kritisiert hatten. Sie rücken nicht von ihrer Meinung ab, sprechen von einer „verfehlten Haushaltspolitik“, die zusätzlich wieder Geld des Steuerzahlers koste.
In den letzten Jahren ist der Haushalt so spät im Jahr vorgelegt und beschlossen worden, dass ein Großteil der Investitionen nicht mehr realisiert werden konnten. „Eisenach hat ein Umsetzungsproblem“, findet Kraft. So haben sich Haushaltsausgabereste von rund 39 Millionen angesammelt, für die Eisenach zuletzt 220.000 Euro Strafzinsen zahlen musste. Und: Weil Investitionen nicht rechtzeitig wirksam geworden sind, mussten Fördermittel teils rückgezahlt und erneut beantragt werden. Das stößt der SPD auf, ebenso die starken Abweichungen zwischen Haushaltsbeschluss und tatsächlichem Ergebnis der Haushaltsrechnung: hoher Planansatz, aber wenige oder gar keine Ausgaben. Am meisten ärgert Klostermann, dass angeblich kein Geld da gewesen ist, um die Traglufthalle zu kaufen, die als Ausweichobjekt dienen soll, wenn Bauarbeiten an Jahn- und Goethesporthalle beginnen.
SPD fragt: Fehlt Wolf der Überblick?
Irritiert ist die SPD angesichts widersprüchlicher Aussagen der OB: Einerseits sei man „auf einem guten Weg“, dann wiederum wird dieses Jahr ein Kredit von 2,5 Millionen Euro zum Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben benötigt. Innerhalb von 14 Tagen schwanken Verluste und Überschüsse um enorme Summen, schüttelt Klostermann den Kopf. „Entweder hat die Oberbürgermeisterin bewusst den Stadtrat belogen oder ihr fehlt der Überblick“, betont er. Beispiel: Von zehn Millionen Zuschuss für die Fusion mit dem Wartburgkreis sollen in diesem Jahr sechs Millionen Euro als Verlustausgleich an den optimierten Regiebetrieb fließen. Dessen Defizit ist laut SPD jedoch viel geringer.
„Es wird sich künstlich arm gerechnet“, äußert Jonny Kraft. Das kreisfreie Eisenach erhielt schließlich über Jahre zwischen sieben bis acht Millionen Euro Bedarfszuweisungen vom Land. Waren die wirklich nötig? Das fragen sich vor allem jene Kommunen, die auch gern Geld aus dem Fonds für notleidende Kommunen bekommen hätten. Nach Ansicht von Klostermann ist weiter zu hinterfragen, dass drei Beamte künftig eine A15-Besoldung erhalten sollen.
Die SPD will mit CDU und Linken reden. Ziel sei ein gemeinsamer Vorschlag, um den Kredit für 2022 zu vermeiden. Von Wolf und Hartmann fordern Klostermann und Kraft „eine deutliche Kurskorrektur“. Außerdem brauche Eisenach einen Doppelhaushalt, um die Millionen abzuarbeiten. Auch das Landesverwaltungsamt als Aufsichtsbehörde merkte jüngst an: Eine Haushaltsführung
dürfe „nicht auf Vorrat“erfolgen. Die Rede war von einem „Schattenhaushalt“, weil der Stadtrat auf die bereits vor Jahren beschlossenen Investitionen von besagten 39 Millionen keinen Einfluss mehr hat.
Derweil aktuell erneut 15 Millionen Euro im Vermögenshaushalt für Investitionen eingeplant sind. Wolfs ehemaliger Büroleiter Sascha Bilay, jetzt für die Linken im Landtag,
findet, dass die finanzielle Lage deutlich besser ist als öffentlich und im Vorwort zum Haushaltsentwurf 2022 dargestellt: „Erstmals ist Eisenach nicht mehr am Gängelband des Landes.“Der Verwaltungshaushalt, also für Personal und sächliche Ausgaben, ist ausgeglichen, Bedarfszuweisungen sind nicht mehr nötig. Die Stadt kann erstmals seit Jahren wieder einen Kredit aufnehmen, weil eingeschätzt wird, dass