Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Polizei kassiert Gefährderschreiben wieder ein
Von einem vier Jahre zurückliegenden Festival in Thüringen, einer umstrittenen Band und Briefen des Staates
Die Arntwort der Landespolizeidirektion ist kurz und knapp: Ein Sprecher bestätigt auf Anfrage in wenigen Worten, dass „die Landespolizeidirektion mehrere schriftliche Gefährderansprachen zurückgenommen hat“.
Rückblick: 2018 wollten die Behörden den Auftritt der türkischen Musikgruppe „Grup Yorum“beim rebellischen Musikfestival in Thüringen verbieten lassen. Sie sahen in dem Auftritt der Band ein Problem, weil der Verfassungsschutz die Gruppe in die Nähe der „Revolutionären Volksbefreiungsfront DHKPC“rückt, die in Deutschland bereits seit 1998 verboten ist. Im gerade erst vorgestellten Jahresbericht für 2021 heißt es sogar: „Eines der wichtigsten Propagandainstrumente der DHKP-C ist die ihr zuzurechnende Musikgruppe „Grup Yorum“.“Die organisierten Konzertveranstaltungen dienten, heißt es, vor allem auch der Verbreitung der Ideologie der DHKP-C. Die wiederum wird so zusammengefasst: „Die marxistisch-leninistisch ausgerichtete DHKP-C tritt seit ihrer Gründung im Jahr 1994 für eine gewaltsame Zerschlagung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung in der Türkei ein.“
Ein Auftritt der Gruppe zur Verbreitung der DHKP-C-Ideologie sollte 2018 in Thüringen verhindert werden. Zu dem Zwecke hatte die Polizei mehreren Personen im Vorfeld des geplanten Konzerts ein Gefährderschreiben zukommen lassen. Einer der prominentesten „Verdächtigen“war der ehemalige Bundesvorsitzende der linksextremistischen MLPD, Stefan Engel. Der hatte 2019 auch für den Thüringer Landtag kandidiert. Der 68-Jährige zog im August 2020 gegen die Einstufung als Gefährder vor Gericht – in Meiningen wurde die Gefährderansprache an Engel als rechtswidrig eingestuft, weil er der falsche Adressat gewesen sei. Denn: Die Polizei habe damals behauptet, dass die Gefahr von der Band ausgehe und deshalb Engel als Gefährder eingestuft. Der wiederum beteuerte, mit dem Konzert nichts zu tun zu haben. Allerdings: Im Prozess bezeichnete er die in Rede stehende Band als Musikgruppe, die „systemfortschrittliche Lieder singt“.
In Anbetracht der Gerichtsentscheidung hat die Polizei im April und Mai 2022 nun vier weitere Gefährderschreiben zurückgenommen, die seinerzeit analog an weitere Personen ausgestellt wurden. Rechtsanwalt Peter Weispfenning wertet das als Erfolg „eines vier Jahre dauernden Kampfs gegen die antikommunistischen Attacken des Bundesinnenministers und der Thüringer Polizeibehörden anlässlich des Rebellischen Musikfestivals 2018“.
Weitere Folgen für die damals eingesetzten Polizisten hat das allerdings nicht. „Natürlich setzen wir uns im Rahmen unseres Qualitätsanspruchs mit solchen Dingen auseinander und versuchen stets besser zu werden“, versichert ein Behördensprecher dennoch.