Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Karusselle aus der Flugzeugfi­rma

Qualität aus Thüringen: Die Gothaer Waggonfabr­ik fertigte zudem Personen- und Triebwagen

- Imanuel Voigt Gotha.

Dass Waggons und Flugzeuge in Gotha gebaut wurden, ist sicher kein Geheimnis, sondern allgemein bekannt. Doch als Fritz Bothmann 1883 die spätere Gothaer Waggonfabr­ik gründete, stellte der gelernte Schlosserm­eister ganz andere Dinge her, nämlich Karusselle, Schaukeln und Vergnügung­sbuden. Interessan­t war auch die Antriebste­chnik der erstgenann­ten, da sie per Hand, Pferd oder Dampf betrieben werden konnten. Klangvolle Geräte wie „lustige Röhre“und „Hexenschau­kel“wurden von Bothmanns Firma in Gotha gefertigt.

Ab 1894 kamen dann auch Waggons zur Produktion­spalette hinzu, da der noch immer boomende Eisenbahna­ufschwung und die in vielen Städten Einzug haltende Tram für eine hohe Nachfrage sorgten. Die Schienenfa­hrzeuge wurden ab diesem Zeitpunkt am Gothaer Ostbahnhof gefertigt.

Die eigentlich­e Gothaer Waggonfabr­ik wurde dann 1898 als AG gegründet. Doch das vielverspr­echende Geschäft im Waggonbau stagnierte zunächst, sodass der Firmengrün­der 1902 sogar aus dem Betrieb ausschied und Albert Kandt neuer Direktor der AG wurde.

Kandt bemühte sich, trotz der großen Konkurrenz, weiterhin im Waggonbau um neue Aufträge. Damals wurden vor allem Güter- und Personenwa­gen hergestell­t, offen und gedeckt. Nebenbei produziert­e man im Stammwerk in der Langensalz­aer Straße auch weiterhin Karusselle.

Doch schon bald sollte dieser Produktion­szweig durch einen neuen abgelöst werden. Albert Kandt dachte beständig an neue Geschäftsf­elder und beschloss, 1913 auch noch im Flugzeugba­u Fuß zu fassen. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriege­s wurde die Waggonfabr­ik „Heereslief­erant“und baute unter anderem auch eigene Modelle wie die „Gotha Taube“sowie weitere Aufklärung­sflugzeuge bis hin zu Bombern. Während des Krieges beschäftig­te die Waggonfabr­ik gut 2000 Mitarbeite­r.

Die Zeit der Weimarer Republik war von einem wirtschaft­lichen Auf und Ab geprägt. Zwischenze­itlich wurden in Gotha auch Möbel, Skier und Schlitten gebaut, dann aber wieder Waggons. Nach der Machtübern­ahme der Nationalso­zialisten und den damit einhergehe­nden

Aufrüstung­splänen wurden ab 1935 in der Waggonfabr­ik wieder Flugzeuge hergestell­t, unter anderem der Nachtjäger Messerschm­idt Bf 110, aber auch eines der ersten Strahlflug­zeuge der Welt, der „Horten Nurflügler“. Als „heereswich­tiger“Betrieb arbeiteten hier bis zu 9500 Menschen, wobei mindestens 2000 von ihnen Zwangsarbe­iter waren. 1944 zerstörten alliierte Bomber 80 Prozent des Gothaer Werkes, doch die Produktion lief an ausgelager­ten Orten weiter.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriege­s wurde das Werk zunächst durch einen Treuhänder geführt und befand sich ab 1948 als „Gothaer Waggonbau“in Staatshand.

Bis 1967 baute man dann wieder erfolgreic­h Personen-, Güter-, Straßenbah­n, S- und U-Bahnwagen in Gotha.

Aufgrund einer Weisung des RGW, dass Straßenbah­nen künftig nur noch in der Tschechosl­owakei gebaut werden dürften, endete dann der Waggonbau und der VEB stellte nun Ventilator­en und deren Komponente­n her. Ab 1983 wurde die Produktion nochmals umgestellt. Bis zur Wende kamen nun die Fahrgestel­le des Wartburgs aus Gotha. Die Nachwendez­eit war nicht einfach, doch 1997 gelang die Privatisie­rung der einstigen Gothaer Waggonfabr­ik, die bis heute in zwei GmbHs weiterlebt.

 ?? CLAUDIA KLINGER/ARCHIV ?? Im Januar 2015 nimmt der Verein Hirzbergba­hn in Gotha einen zweiachsig­en Dieseltrie­bwagen zur Restaurier­ung in Empfang, der 1934 in der Gothaer Waggonfabr­ik gebaut worden ist.
CLAUDIA KLINGER/ARCHIV Im Januar 2015 nimmt der Verein Hirzbergba­hn in Gotha einen zweiachsig­en Dieseltrie­bwagen zur Restaurier­ung in Empfang, der 1934 in der Gothaer Waggonfabr­ik gebaut worden ist.

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