Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Karusselle aus der Flugzeugfirma
Qualität aus Thüringen: Die Gothaer Waggonfabrik fertigte zudem Personen- und Triebwagen
Dass Waggons und Flugzeuge in Gotha gebaut wurden, ist sicher kein Geheimnis, sondern allgemein bekannt. Doch als Fritz Bothmann 1883 die spätere Gothaer Waggonfabrik gründete, stellte der gelernte Schlossermeister ganz andere Dinge her, nämlich Karusselle, Schaukeln und Vergnügungsbuden. Interessant war auch die Antriebstechnik der erstgenannten, da sie per Hand, Pferd oder Dampf betrieben werden konnten. Klangvolle Geräte wie „lustige Röhre“und „Hexenschaukel“wurden von Bothmanns Firma in Gotha gefertigt.
Ab 1894 kamen dann auch Waggons zur Produktionspalette hinzu, da der noch immer boomende Eisenbahnaufschwung und die in vielen Städten Einzug haltende Tram für eine hohe Nachfrage sorgten. Die Schienenfahrzeuge wurden ab diesem Zeitpunkt am Gothaer Ostbahnhof gefertigt.
Die eigentliche Gothaer Waggonfabrik wurde dann 1898 als AG gegründet. Doch das vielversprechende Geschäft im Waggonbau stagnierte zunächst, sodass der Firmengründer 1902 sogar aus dem Betrieb ausschied und Albert Kandt neuer Direktor der AG wurde.
Kandt bemühte sich, trotz der großen Konkurrenz, weiterhin im Waggonbau um neue Aufträge. Damals wurden vor allem Güter- und Personenwagen hergestellt, offen und gedeckt. Nebenbei produzierte man im Stammwerk in der Langensalzaer Straße auch weiterhin Karusselle.
Doch schon bald sollte dieser Produktionszweig durch einen neuen abgelöst werden. Albert Kandt dachte beständig an neue Geschäftsfelder und beschloss, 1913 auch noch im Flugzeugbau Fuß zu fassen. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde die Waggonfabrik „Heereslieferant“und baute unter anderem auch eigene Modelle wie die „Gotha Taube“sowie weitere Aufklärungsflugzeuge bis hin zu Bombern. Während des Krieges beschäftigte die Waggonfabrik gut 2000 Mitarbeiter.
Die Zeit der Weimarer Republik war von einem wirtschaftlichen Auf und Ab geprägt. Zwischenzeitlich wurden in Gotha auch Möbel, Skier und Schlitten gebaut, dann aber wieder Waggons. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und den damit einhergehenden
Aufrüstungsplänen wurden ab 1935 in der Waggonfabrik wieder Flugzeuge hergestellt, unter anderem der Nachtjäger Messerschmidt Bf 110, aber auch eines der ersten Strahlflugzeuge der Welt, der „Horten Nurflügler“. Als „heereswichtiger“Betrieb arbeiteten hier bis zu 9500 Menschen, wobei mindestens 2000 von ihnen Zwangsarbeiter waren. 1944 zerstörten alliierte Bomber 80 Prozent des Gothaer Werkes, doch die Produktion lief an ausgelagerten Orten weiter.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Werk zunächst durch einen Treuhänder geführt und befand sich ab 1948 als „Gothaer Waggonbau“in Staatshand.
Bis 1967 baute man dann wieder erfolgreich Personen-, Güter-, Straßenbahn, S- und U-Bahnwagen in Gotha.
Aufgrund einer Weisung des RGW, dass Straßenbahnen künftig nur noch in der Tschechoslowakei gebaut werden dürften, endete dann der Waggonbau und der VEB stellte nun Ventilatoren und deren Komponenten her. Ab 1983 wurde die Produktion nochmals umgestellt. Bis zur Wende kamen nun die Fahrgestelle des Wartburgs aus Gotha. Die Nachwendezeit war nicht einfach, doch 1997 gelang die Privatisierung der einstigen Gothaer Waggonfabrik, die bis heute in zwei GmbHs weiterlebt.