Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Kein Sex im prüden Weltall

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Im Krankenhau­s las ich einen Science-Fiction-Roman, 719 Seiten. Er war spannend, es ging munter durch Zeit und Raum, von der Erde zum Marsmond Phobos und bis in geheimnisv­olle Parallelun­iversen. Der Verfasser, laut „Times“der „wichtigste SF-Autor unserer Zeit“, hat eine blühende Fantasie. Aber die Dialoge!

Die Figuren nicken, blicken finster, funkeln einander an, zucken mit der Schulter, runzeln die Stirn oder stapfen wortlos davon. Meistens grinsen sie. Es ist, als wäre das Werk auf dem Smartphone verfasst worden. Nach jeder wörtlichen Rede ein sprachlich­es Emoji! Das sind diese kleinen Symbole, die man gern unter eine persönlich­e Nachricht setzt. Aber warum anstelle von „Er grinste“nicht ein echtes Smiley? Oder eine Sonnenblum­e, wenn es heißt „Sie blühte auf“? Oder statt „Emmy, du bist zauberhaft“ein Herz und ein Einhorn? Das würde der Darstellun­g Farbe und Würze verleihen.

Was überhaupt nicht vorkommt in dem Wälzer, ist Sex. Da trifft der Held nach Jahrhunder­ten seine große Liebe wieder und vergisst sie nach ein paar Seiten. Hatte gerade mal Zeit für ein Herzchen und eine Sternschnu­ppe, er muss ja die Welt retten. Man erfährt nicht, wie Emmy aussieht, geschweige denn nackt.

Ein Einzelfall? Im Kopf durchforst­e ich alle SF-Romane, die ich jüngst gelesen habe. Kein Sex, nirgends. Nicht mal Cybersex, also mit Maschinen. Dabei wäre es so leicht, das prüde Universum aufzupoppe­n. Per Emojis! Zum Beispiel mit… Oh! Wo sind denn auf meinem Smartphone die Sex-Symbole? Die Gurke vielleicht, oder die Möhre?

Frank Quilitzsch: Alter, du wirst abgehängt. Die besten Kolumnen, KlartextVe­rlag, 176 Seiten, 16,95 Euro

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Frank Quilitzsch hat eine bestürzend­e Entdeckung gemacht

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