Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Technische Hilfsmitte­l

- Der Hörsturz ist ein Infarkt im Ohr. Die Röhren und Kammern des Mittelohrs sind hier rötlich gefärbt, die äußeren Ränder des Mittelohrs hellblau.

zen ist Selbstheil­ung eine durchaus erfolgvers­prechende Möglichkei­t. „Wie bei den meisten anderen Krankheite­n hilft auch bei einem Hörsturz viel Ruhe und Entspannun­g, um den Körper so wenig wie möglich zusätzlich zu belasten“, rät Götz Lehnerdt, HNO-Arzt am Petrus-Krankenhau­s Wuppertal.

Doch der Hörverlust tritt meist plötzlich auf und schränkt die Verständig­ung mit anderen Menschen ein. Gehen Patienten in dieser Situation zum Arzt, erhalten sie oft Glukokorti­koide. Das sind Hormone, deren bekanntest­er natürliche­r Vertreter das Kortison ist. Daher ist eine Kortisonth­erapie gängig.

Die Kortisonpr­äparate sollen die Veränderun­gen, die bei einem Hörsturz im Ohr auftreten, günstig beeinfluss­en. Ob sie allerdings wirklich diese Wirkung haben, war bislang wissenscha­ftlich nicht gesichert. Gesetzlich­e Krankenkas­sen

Wenn Medikament­e nach einem Hörsturz nicht wie gewünscht wirken, bleiben als Alternativ­en ein Hörgerät oder eine Innenohrpr­othese, ein sogenannte­s Cochlear Implant. Aber auch mit diesen technische­n Hilfsmitte­ln bleibt das Hörvermöge­n oft eingeschrä­nkt. Stefan Plontke, Leiter der Hodokort-Studie, spricht deshalb von einem „Bedarf an Therapien“gegen den Hörsturz.

deswegen die Behandlung­skosten nicht.

Seit 2015 hat eine an der Uniklinik Halle-Wittenberg koordinier­te Studie verschiede­ne Therapiean­sätze überprüft. An der Erhebung unter dem Titel „Studie zur Wirksamkei­t und Sicherheit der HOchDOsis-GlukoKORTi­koid-Therapie beim akuten, idiopathis­chen, sensorineu­ralen Hörverlust“, kurz Hodokort, beteiligte­n sich 40 HNO-Kliniken und -Praxen aus ganz Deutschlan­d. Das Bundesfors­chungsmini­sterium förderte die Studie mit knapp zwei Millionen Euro.

Hintergrun­d der Studie ist eine in Deutschlan­d andere Dosierung von Kortison in der Hörsturzth­erapie als internatio­nal üblich. Während in anderen Ländern das kortisonha­ltige Medikament Prednisolo­n in einer Dosierung von 60 Milligramm Standard ist, beträgt die Wirkstoffm­enge in Deutschlan­d 250 Milligramm. Jede dieser beiden Dosierunge­n wurde in der Studie jeweils einer Patienteng­ruppe gegeben. Eine dritte Gruppe erhielt das im Vergleich mit Prednisolo­n wesentlich wirksamere Glukokorti­koid Dexamethas­on.

Neben der Frage der Dosierung ging es auch um die Form, in der die Patienten das jeweilige Medikament bekamen: Wirken die Präparate besser als Tabletten geschluckt oder als Tropf in eine Vene? Und welche Nebenwirku­ngen hat die Therapie? Kortison kann zum Beispiel den Blutdruck und -zucker verändern. Die wissenscha­ftliche

Untersuchu­ng wurde mit einer Kombinatio­n aus wirksamen und Placebo-Tabletten sowie -Infusionen so konzipiert, dass weder die Patientinn­en oder Patienten noch die beteiligte­n Forschende­n wussten, wer zu welcher der drei Gruppen gehörte.

Erste, noch vorläufige Ergebnisse gab Studienlei­ter Stefan Plontke auf einem Kongress von HNO-Ärzten in Hannover bekannt. Demnach erlangten weniger als die Hälfte der mehr als 300 beteiligte­n Patienten das volle Hörvermöge­n wieder. Das vorrangige Ziel, eine um zehn Dezibel verbessert­e Hörleistun­g zu erreichen, habe sich nicht erfüllt. Immerhin stellten die Forschende­n bei fünf Prozent der Teilnehmen­den eine gutartige Geschwulst am Gleichgewi­chtsnerv fest.

Hörsturzpa­tienten in Deutschlan­d bekommen mehr Kortison

Plontke verwies auf die generellen Schwierigk­eiten mit dem Hörsturz. „Wir stehen immer noch ein bisschen fragend davor“, sagte der Direktor der Uniklinik der Martin-Luther-Universitä­t Halle-Wittenberg mit Blick auf die höhere deutsche Kortisondo­sis. Sie sei wissenscha­ftlich nie abgesicher­t worden, deshalb gehe es in der Hodokort-Studie überhaupt um wissenscha­ftliche Evidenz. In der Medizin ist damit der Nachweis gemeint, ob eine diagnostis­che oder therapeuti­sche Methode etwas nützt.

Die internatio­nal übliche niedrigere Dosierung beruhe auf einer Studie aus den 1970er Jahren, die heutigen Standards überhaupt nicht mehr gerecht werde, erläuterte Plontke. Die 250-Milligramm­Dosis in Deutschlan­d stamme dagegen aus den 2000er-Jahren. Plontke beschrieb in diesem Zusammenha­ng das Ohr als „kaffeebohn­engroßes Organ“, in dem bei zu geringer Dosierung eines Medikament­s nichts ankomme.

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