Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Ohne Wahl in den Landtag
Einmaliger Vorgang: Partei, die nie zur Wahl stand, hat jetzt eine Gruppe im Parlament
Das polit-dramatische Thüringen schreibt sein nächstes Kapitel – mit einer Partei im Thüringer Landtag, die niemals direkt zu einer Wahl angetreten ist.
„Bürger für Thüringen“könnte es demnächst aber in Gruppenstärke im Parlament geben. Ute Bergner, einst in der FDP Gegenspielern des Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich, sowie die früheren AfD-Abgeordneten Tosca Kniese, Birger Gröning und Lars Schütze haben bei der Landtagsverwaltung beantragt, künftig im Landtag als parlamentarische Gruppe firmieren zu können. Dazu haben sich die drei früheren Mitglieder der HöckeFraktion der Partei „Bürger für Thüringen“angeschlossen.
Als Sprecherin der Gruppe soll in Zukunft Ute Bergner fungieren. Sie stünde damit hierarchisch auf einer Stufe mit Thomas Kemmerich, der die FDP-Gruppe anführt – die erst zur Gruppe wurde, weil Bergner die liberale Fraktion verlassen hat und sie damit nicht mehr die geforderte Mindeststärke erreichte, um eine Fraktion zu sein. Den Rahmen zur Gründung von Gruppen, den der Landtag aufgrund der FDP-Situation geschaffen hat, machen sich Bergner und ihre Mitstreiter zunutze und verfügen so über deutlich mehr finanzielle Mittel.
Damit dürfte es dem Landtag sehr schwer fallen, gegen die Gründung der Gruppe zu votieren. Steffen Dittes, Fraktionschef der Linken, deutet das im Gespräch mit dieser Zeitung bereits an. Seine Fraktion erwarte eine rechtliche Bewertung der Landtagsverwaltung. „Daran orientieren wir uns“, sagt Dittes. Heißt: Wenn die Landtagsverwaltung die Gründung so bewertet, dass aus rechtlicher Sicht dagegen keine Einwände vorliegen, dann wird die Linke zustimmen. Politisch hat Dittes allerdings eine klare Meinung zu dem Vorgang: „Damit zeigen die Bürger für Thüringen, wo sie politisch stehen. Denn die Gruppe besteht zu 75 Prozent aus Abgeordneten, die sich nie von der AfD-Politik distanziert haben.“
Das versucht bei der Vorstellung der Gruppe vor allem Tosca Kniese. „Ich stand mit meinen liberalen Ansichten in der AfD ganz oben auf der Liste derjenigen, die, ich zitiere, ‘vernichtet’ werden sollten“, blickt Kniese auf die Zeit zurück, in der sie unter anderem die Partei-Stellvertreterin von Björn Höcke, der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird, gewesen ist. Für sie steht fest: „Den Schlussstrich, den ich am 6. Dezember gezogen habe, hätte ich früher ziehen müssen.“
Nicht freiwillig ist Lars Schütze aus der AfD ausgeschieden. Er trat erst vor zwei Monaten aus der Partei aus, nachdem er vorher schon aus der Fraktion geflogen war. Zu den Gründen schweigt er sich auf Nachfrage beharrlich aus, wolle stattdessen lieber nach vorn blicken.
Wie will die Gruppe im Landtag agieren? Das macht ihr stellvertretender Sprecher Birger Gröning deutlich: „Wenn es konstruktive Anträge zum Wohle der Bürger gibt, dann muss man darüber auch miteinander reden können.“Ute Bergner ergänzt, dass das auch bedeuten könne, dass ihre Gruppe mit der AfD stimmt. Möglich wäre aber eben auch, dass sie mit Linke, SPD und Grünen einen Haushalt beschließt. Bei der CDU schaut man interessiert auf die Vorgänge. Fraktionschef Mario Voigt macht auf Anfrage klar, dass man sich das Konzept der Gruppe vorstellen lassen wolle – und dann einer Gründung wohl zustimmen werde.