Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Ohne Wahl in den Landtag

Einmaliger Vorgang: Partei, die nie zur Wahl stand, hat jetzt eine Gruppe im Parlament

- Fabian Klaus Erfurt.

Das polit-dramatisch­e Thüringen schreibt sein nächstes Kapitel – mit einer Partei im Thüringer Landtag, die niemals direkt zu einer Wahl angetreten ist.

„Bürger für Thüringen“könnte es demnächst aber in Gruppenstä­rke im Parlament geben. Ute Bergner, einst in der FDP Gegenspiel­ern des Kurzzeit-Ministerpr­äsidenten Thomas Kemmerich, sowie die früheren AfD-Abgeordnet­en Tosca Kniese, Birger Gröning und Lars Schütze haben bei der Landtagsve­rwaltung beantragt, künftig im Landtag als parlamenta­rische Gruppe firmieren zu können. Dazu haben sich die drei früheren Mitglieder der HöckeFrakt­ion der Partei „Bürger für Thüringen“angeschlos­sen.

Als Sprecherin der Gruppe soll in Zukunft Ute Bergner fungieren. Sie stünde damit hierarchis­ch auf einer Stufe mit Thomas Kemmerich, der die FDP-Gruppe anführt – die erst zur Gruppe wurde, weil Bergner die liberale Fraktion verlassen hat und sie damit nicht mehr die geforderte Mindeststä­rke erreichte, um eine Fraktion zu sein. Den Rahmen zur Gründung von Gruppen, den der Landtag aufgrund der FDP-Situation geschaffen hat, machen sich Bergner und ihre Mitstreite­r zunutze und verfügen so über deutlich mehr finanziell­e Mittel.

Damit dürfte es dem Landtag sehr schwer fallen, gegen die Gründung der Gruppe zu votieren. Steffen Dittes, Fraktionsc­hef der Linken, deutet das im Gespräch mit dieser Zeitung bereits an. Seine Fraktion erwarte eine rechtliche Bewertung der Landtagsve­rwaltung. „Daran orientiere­n wir uns“, sagt Dittes. Heißt: Wenn die Landtagsve­rwaltung die Gründung so bewertet, dass aus rechtliche­r Sicht dagegen keine Einwände vorliegen, dann wird die Linke zustimmen. Politisch hat Dittes allerdings eine klare Meinung zu dem Vorgang: „Damit zeigen die Bürger für Thüringen, wo sie politisch stehen. Denn die Gruppe besteht zu 75 Prozent aus Abgeordnet­en, die sich nie von der AfD-Politik distanzier­t haben.“

Das versucht bei der Vorstellun­g der Gruppe vor allem Tosca Kniese. „Ich stand mit meinen liberalen Ansichten in der AfD ganz oben auf der Liste derjenigen, die, ich zitiere, ‘vernichtet’ werden sollten“, blickt Kniese auf die Zeit zurück, in der sie unter anderem die Partei-Stellvertr­eterin von Björn Höcke, der vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­em eingestuft wird, gewesen ist. Für sie steht fest: „Den Schlussstr­ich, den ich am 6. Dezember gezogen habe, hätte ich früher ziehen müssen.“

Nicht freiwillig ist Lars Schütze aus der AfD ausgeschie­den. Er trat erst vor zwei Monaten aus der Partei aus, nachdem er vorher schon aus der Fraktion geflogen war. Zu den Gründen schweigt er sich auf Nachfrage beharrlich aus, wolle stattdesse­n lieber nach vorn blicken.

Wie will die Gruppe im Landtag agieren? Das macht ihr stellvertr­etender Sprecher Birger Gröning deutlich: „Wenn es konstrukti­ve Anträge zum Wohle der Bürger gibt, dann muss man darüber auch miteinande­r reden können.“Ute Bergner ergänzt, dass das auch bedeuten könne, dass ihre Gruppe mit der AfD stimmt. Möglich wäre aber eben auch, dass sie mit Linke, SPD und Grünen einen Haushalt beschließt. Bei der CDU schaut man interessie­rt auf die Vorgänge. Fraktionsc­hef Mario Voigt macht auf Anfrage klar, dass man sich das Konzept der Gruppe vorstellen lassen wolle – und dann einer Gründung wohl zustimmen werde.

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WIELAND FISCHER, SASCHA FROMM/ARCHIV Lars Schütze, Tosca Kniese (oben), Birger Gröning und Ute Bergner wollen fortan als Parlamenta­rische Gruppe „Bürger für Thüringen“im Landtag zusammenar­beiten.
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