Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Mit dem Hidschab zum Profitrain­ing

Auch 150 Tage vor der Fußball-Weltmeiste­rschaft bleibt fraglich, wie ernst es Gastgeber Katar mit den Frauenrech­ten meint. Unstrittig ist dagegen, dass es auch im Emirat sehr starke Frauen gibt. Ein Blick hinter den Schleier von Kai Schiller

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Das weiß auch Aisha. Die 32-Jährige sitzt in einem Tonstudio nur wenige Kilometer von der Aspire Academy entfernt. Auch sie hat einen schwarzen Hidschab an. „Ich freue mich, dass auch ich ein Teil dieses Wechsels in Katar für Frauen bin“, sagt die Sängerin.

Aisha ist eine der prominente­sten und beliebtest­en Künstlerin­nen Katars. Sie trat bereits bei der Generalver­sammlung der Vereinten Nationen auf und durfte bei der WM-Auslosung, die am 1. April weltweit live übertragen wurde, dabei sein und den offizielle­n Fifa-Song singen. Der Name des WM-Soundtrack­s:

„Hayya Hayya – Better Together“– auf Deutsch: besser zusammen.

Ein besseres Zusammenle­ben zwischen Frauen und Männern will auch die verheirate­te Sängerin. Auch sie selbst habe ihre eigene Familie erst davon überzeugen müssen, als Künstlerin ihr Geld zu verdienen. Nun würde diese aber hinter ihr stehen. „Jetzt lieben sie, was ich tue“, sagt Aisha. „Ich hoffe, andere Frauen mit meiner Anwesenhei­t zu inspiriere­n, ihre Träume zu verfolgen. Die WM in Katar könnte ein ,Wind of change’ werden.“

Menschenre­chtsexpert­en haben allerdings die Sorge, dass es eher ein laues Lüftchen werden könnte. Vor einem Jahr veröffentl­ichte Human Rights Watch einen 94-seitigen Bericht über Frauen in Katar, in dem die noch immer im Alltag praktizier­te männliche Vormundsch­aft aufgezeigt wurde. So heißt es in dem Bericht, dass katarische Frauen auch nach ihrem 18. Lebensjahr die Erlaubnis ihres männlichen Vormunds brauchen, um in vielen öffentlich­en Jobs zu arbeiten, zu heiraten und mit staatliche­n Stipendien im Ausland zu studieren.

Frauenfußb­all gibt es in Katar nur aufgrund neuer Fifa-Regularien

Dowana Khalifa hat den Bericht nicht gelesen. Aber: Sie hat im Ausland studiert. Im kalifornis­chen Santa Monica. 2018 hat sie ihren Uni-Abschluss gemacht und sich seitdem auf ihre Fußballeri­nnenkarrie­re bei Al-Gharafa konzentrie­rt. Ob sie als Fußballeri­n auch Geld verdient? Khalifa lächelt ein wenig schüchtern, kickt gegen den Ball, sagt dann: „Ich weiß nicht, ob uns erlaubt ist, darüber zu reden.“

Wer etwas über Frauenrech­te in Katar wissen will, der braucht sich eigentlich nur die Entwicklun­g des Frauenfußb­alls anzuschaue­n. So hat Katar 2009 Frauenfußb­all nicht deswegen zugelassen, weil die Zeit endlich reif dafür war, sondern weil man sich aufgrund der neuen FifaRegula­rien dazu gezwungen sah. Diese sahen seit 2009 vor, dass Mitgliedsv­erbände 15 Prozent oder mehr der vom Weltverban­d erhaltenen­den Unterstütz­ungsgelder aus dem Financial Assistance Programme (FAP) für Frauenfußb­all ausgeben sollen, mindestens aber 37.500 US-Dollar. Das erste Jahresbudg­et für Frauen-Fußball in Katar 2009: 37.500 US-Dollar.

Auch Nationalsp­ielerin Khalifa will nicht verhehlen, dass es bei der Förderung des Frauenfußb­alls in dem strenggläu­bigen Land, in dem der Wahhabismu­s die Gesellscha­ft prägt, noch viel Luft nach oben gibt. In Doha dürfe sie zwar Fußball spielen, männliche Zuschauer seien bei Frauenspie­len allerdings nicht zugelassen. „Ich wünsche mir sehr, dass es einen Wechsel im Bewusstsei­n gibt und wir auch in Doha vor männlichen Zuschauern spielen dürfen.“Wann? „Vielleicht sogar schon nach der WM.“

Die Weltmeiste­rschaft also. Die Erwartunge­n an das Männer-Fußballtur­nier, das in 150 Tagen angepfiffe­n wird, sind immens. Die Welt soll sich in der Wüste wohl fühlen und ganz nebenbei soll ja auch noch Fußball gespielt werden. „Ich bin sehr aufgeregt, dass die WM bei uns in Katar stattfinde­t“, sagt Dowana Khalifa, die sogar hofft, ein Ticket für eines der Turnierspi­ele zu ergattern. „Inschallah“, sagt die Fußballeri­n, bevor sie mit dem Training weitermach­en muss. So Gott will.

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DPA, Ein seltener Anblick in Katars Fußballsta­dien: Beim AFC-Champions-League-Spiel zwischen Katar-Club Al Gharafa und Saudi Arabiens AlHilal feuerten auch weibliche Fans in Doha ihre Teams an.
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KAI SCHILLER Dowana Khalifa ist Nationalsp­ielerin von Katar.

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