Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Idee ohne Unterstützung
Es ist ein Vorschlag, der aus einem Lehrbuch für Volkswirtschaftslehre stammen könnte: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will Arbeitnehmer und Arbeitgeber dazu ermuntern, sich auf eine steuerfreie Einmalzahlung zu einigen, um die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. In der Theorie mag das schlüssig klingen. Sorgt die hohe Inflation für stark steigende Löhne, die die Unternehmen wiederum auf die Preise umlegen, kann sich die Inflation verfestigen. Ist eine solche Spirale erst einmal in Gang gesetzt, wäre sie nur schwer zu stoppen.
Verlierer wären jene, die in Branchen ohne Tarifbindungen arbeiten und die nicht auf Gehaltserhöhungen hoffen können. Soziale Ungerechtigkeiten würden sich verschärfen. In der Praxis aber wird Scholz’ Vorschlag nicht funktionieren.
Die Gewerkschaften verlieren seit Jahren an Bedeutung, ihre Mitgliederzahlen sinken. Nun schlägt ihre Stunde. Sie müssen den Beschäftigten beweisen, warum sie auch in der heutigen Zeit noch eine Relevanz haben.
Natürlich tragen die Gewerkschaften dabei eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Verantwortung. Auch sie müssen angesichts einer drohenden Rezession Maß halten. Das heißt aber nicht, dass sie sich mit einer Einmalzahlung abspeisen lassen sollten. Damit würden sie in Zeiten, in denen keineswegs sicher ist, dass die Inflation bald wieder zurückgeht, die Glaubwürdigkeit für diejenigen verlieren, die sie vertreten: die Beschäftigten.
Dass selbst die Arbeitgeber, denen Scholz’ Vorschlag eigentlich gelegen kommen sollte, darauf hinweisen, dass Tarifverhandlungen nicht im Bundestag geführt werden, zeigt bereits: Dieser Vorschlag wird wohl keine Unterstützung finden.