Thüringische Landeszeitung (Eisenach)
Schlechte Handschrift bei vielen Schulkindern
Digitaler Wandel und lang andauernder Distanz-Unterricht während der Corona-Zeit hinterlassen Spuren
Der bundesweite Trend zu einer Verschlechterung der Handschrift als Folge des Distanzunterrichts in der Corona-Zeit macht sich Experten zufolge auch in Thüringen bemerkbar. Sowohl der Thüringer Lehrerverband (TLV) als auch das Kultusministerium erzählten von dieser Beobachtung.
Die Entwicklung einer eigenen Handschrift werde zunehmend erschwert, sagte der Sprecher des Ministeriums, Felix Knothe. Gründe seien unter anderem der stark unterschiedliche Bildungsstand der Schülerinnen und Schüler, der Lehrermangel sowie die stetige Digitalisierung.
„In der Corona-Zeit war so gut wie keine individuelle Förderung möglich. Die ohnehin schon bestehenden Probleme mit dem Schreiben haben sich in dieser Zeit bei vielen Schülern verschärft“, erklärt Marianela Diaz Meyer, Leiterin des Schreibmotorik-Instituts im bayrischen Heroldsberg.
Der TLV sieht eines der Hauptprobleme in der schlechten Personalausstattung der Schulen. Bei zu großen Klassen und vielen Kindern mit speziellen Anforderungen bleibe den Lehrkräften kaum Zeit, sich ausreichend mit der Betreuung einzelner Schülerinnen und Schüler zu befassen. Zudem würden manche Kinder zuhause besser unterstützt und seien so schlicht im Vorteil. Die Digitalisierung dürfte nicht als Hauptursache verteufelt werden, erklärt Laura Kraft, Mitglied in der Gemeinschaft der Junglehrer (Junge TLV). Handschrift müsse trainiert werden, letztlich sei es dem Lauf der Zeit geschuldet, dass diese durch digitale Endgeräte an Bedeutung verliere. Gemessen an anderen Baustellen in Schulen sei die Frage nach einer flüssigen Handschrift ein Problem von vielen.
Prinzipiell sieht das Diaz Meyer ähnlich. Schreiben gehöre jedoch nach wie vor zu den Grundkompetenzen, die auch in der digitalen Welt eine wichtige Position einnähmen. „Beim Schreiben mit der
Hand sind zwölf Hirnareale beschäftigt.“Lernen, Merkfähigkeit und Kreativität würden dabei gefördert. Wer nicht gut mit der Hand schreibe, dem fielen auch Lesen, Rechtschreibung oder das Mitkommen im Unterricht schwerer.
Doch nicht nur Kinder sollten den Experten zufolge öfter den Stift in die Hand nehmen. Neben der Vorbildfunktion für Kinder könnten Erwachsene auch von den positiven Effekten für Merkfähigkeit und Kreativität profitieren, die Handschrift mit sich bringe. Handschriftliche Notizen spielten eine zentrale Rolle, um sich Faktenwissen besser anzueignen, sagte Diaz Meyer. dpa